Afrika braucht mehr als militärische Lösungen

Interview mit Josef König
Veröffentlicht: 
Kompass, 03/2014, S. 8/9
Thema: 
Eine neue Richtung in der deutschen Außenpolitik?

Josef König: it dem Ausgang der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass ein grundlegenden Perspektivwechsel in der deutschen Außen- Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Vorbereitung ist. Bundespräsident Gauck, der Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier und die Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen sprachen sich in auffällig übereinstimmender Art und Weise dafür aus, dass Deutschland mit Blick auf die Zukunft mehr Verantwortung zu übernehmen habe. Was bedeutet dies denn konkret in den jeweiligen Politikfeldern. Mehr Soldaten? Mehr Rüstung und mehr Rüstungsexporte. Zusätzliche und weitere Einsätze deutscher Streitkräfte außerhalb der bündnisbezogenen Landesverteidigung?
 
Rolf Mützenich: Auch wenn die öffentliche Debatte um die neue deutsche Außenpolitik zu begrüßen ist, krankt sie zugleich an schlagwortartigen und undeutlichen Begriffen sowie einer unzulässigen Zuspitzung auf militärische Optionen. Mehr Verantwortung zu übernehmen, bedeutet eben nicht zwangsläufig mehr Truppen in die Welt zu senden. Es gibt viele Wege, Einfluss zu nehmen und Not abzubauen - zumal die Erfahrungen mit militärischen Einsätzen der letzten Jahre eher ernüchternd waren und die Grenzen des militärischen Engagements deutlich gemacht haben. Es ist deshalb ein fataler Kurzschluss, mehr internationales Engagement sofort mit mehr Soldaten und mehr Rüstung  gleichzusetzen. Auch wenn der Außenminister und die Verteidigungsministerin zusammen gewillt sind, neue Akzente zu setzen, sind die Leitlinien der deutschen Nachkriegsaußenpolitik - Westbindung, Aussöhnung, europäische Integration und effektiver Multilateralismus - nach wie vor gültig. Das Hauptmerkmal deutscher Außenpolitik ist und bleibt ein ausgeprägter Multilateralismus. Aus diesem Grunde ist deutsche Außenpolitik in hohem Maße immer auch Institutionen-Politik. Das Problem ist nur, dass sich nahezu alle diese Institutionen, die EU ebenso wie die NATO und die Vereinten Nationen, in einer unterschiedlich begründeten Schwächephase befinden. Mit dieser Krise des Multilateralismus drohen auch die Grundpfeiler deutscher Außenpolitik zu erodieren. Und dies zu einer Zeit, in der die USA unter Obama sich zunehmend international zurückziehen. Deutschland braucht jedoch nach wie vor Partner und leistungsfähige internationale Institutionen: Das bedeutet, die Reform der UNO und die Stärkung der EU sind das Gebot der Stunde. Außenminister Steinmeier hat dies klar erkannt und angekündigt, dass Deutschland "Impulsgeber für eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik" sein werde. Die damit verbundenen Probleme dürften ihm ebenfalls bekannt sein: Das Widerstreben, nationale Souveränität zu opfern, die wohl strukturell schwierige Frage der Finanzierbarkeit und auch die Frage, wer sich wie engagiert. Deshalb brauchen wir in der Außenpolitik statt einer deutschen Kultur der Zurückhaltung eine europäische Kultur der Verantwortung.
 
Josef König: Nun kann mit Blick auf die menschenrechtlich, der politischen und wirtschaftlichen Situation in vielen Ländern auf dem afrikanischen Kontinent sehr schnell festgestellt werden, dass sich dabei nicht gerade gut bestellt ist. Zentralafrika und Mali sind für Deutschland in den Blick geraten. Halten Sie den Beitrag, den Deutschland mit Blick auf diese Ländern leisten wird, für ausreichend in dem Sinne, dass die dortigen Konflikte einer Lösung näher gebracht werden können? Was sollen dort deutsche Streitkräfte eigentlich bewirken? Ist das nicht in erste Line ein symbolischer Beitrag mit Blick auf eine europäische Politik für Afrika?
 
Rolf Mützenich: Die stetige Ausbreitung des islamistischen Terrorismus in Nord- und Westafrika in den vergangenen fünf Jahren stellt sowohl eine akute Bedrohung für die Staaten in der Region als auch für Europa dar. Deshalb ist nicht nur Frankreich, sondern die gesamte Europäische Union gefordert, politische Antworten auf diese negative Entwicklungen gemeinsam zu geben. Das Hauptmotiv für die französische Intervention ist jedoch die Bekämpfung des internationalen Terrorismus und die Stabilisierung des malischen Staates. Das verschwörungstheoretische Geraune vom "Rohstoffkrieg" Frankreichs erklärt herzlich wenig. Es geht in Mali, neben der Verhinderung einer handfesten Bedrohung für die Region und Europa, auch um den Schutz der Menschenrechte.

Seit fast einem Jahr beteiligt sich die Bundeswehr in Mali an einem EU-Ausbildungsprogramm für die malische Armee, die bis heute nicht in der Lage ist, für Sicherheit im eigenen Land zu sorgen. Solch eine Ausbildung trägt nur zu Stabilität und Frieden bei, wenn sie mit politischen und sozialen Prozessen verzahnt wird. Sonst droht eine Bekämpfung der Symptome ohne die Behebung struktureller Konfliktursachen. Jeder militärische Einsatz zur Stabilisierung des Landes muss also in ein tragfähiges politisches, wirtschaftliches und soziales Entwicklungskonzept eingebettet sein.  Auch militärisches Engagement in Afrika kann richtig sein. Aber nur dann, wenn es der Verhinderung von Kriegsverbrechen oder dem Friedenserhalt dient. Es wäre falsch, das Militärische an vorderste Stelle zu setzen. Kein kurzfristiger Ansatz, Hilfe zur Selbsthilfe, langfristige Hilfen , Koalitionsvertrag - Schwerpunkt humanitäre Hilfe. Zentralafrika und Mali, Nothilfe geleistet. Mali eine politische Flankierung, die sowohl hilft die unterschiedlichen politischen und regionalen Interessen auszugleichen, Einbindung der Nachbarstaaten. Ausbildung von Sicherheitskräften

Josef König: In der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und CDU für die Legislaturperiode des 18. Deutschen Bundestages ist u.a. zu lesen, dass regionalen Konflikte von den Staaten Afrikas selbst gelöst werden sollen. Wie hilft Deutschland den Staaten, dass die Konflikte auch dort selbst gelöst werden können ohne dass dazu ein militärischer Einsatz notwendig wird.

Rolf Mützenich: Mehr Verantwortung für Afrika verlangt zuvörderst nach abgestimmtem zivilem Engagement. Zudem gilt: "Afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme". Wahr ist: Das (französische) Militär wird die Probleme in Mali nicht lösen können - das kann nur in einem Verhandlungsprozess geschehen. Es gilt die afrikanische Eingreiftruppe der Afrikanischen Union zu stärken. Die nationalen Sicherheitskräfte und die Einheiten der afrikanischen Regionalorganisationen wie der Afrikanischen Union (AU) oder der Economic Community of West African States (ECOWAS) sind schlecht ausgerüstet, wenig motiviert und unterbesetzt. Sie müssen bei ihrem Aufbau weiter unterstützt und in die Lage  versetzt werden, eigenständig ihre innere und äußere Sicherheit zu garantieren. Hier muss sich Europa seiner Verantwortung stellen.

Zudem gilt es die Instrumente der Vereinten Nationen zu stärken, Die Hälfte aller UN-Missionen finden in Afrika statt. Darunter große Operationen wie im Kongo mit 17.000 Soldaten.  Die Vereinten Nationen sind jedoch in Afrika militärisch überfordert, auch weil der Westen sie personell und materiell nur unzureichend unterstützt. Hier gilt es für Deutschland, den eigenen Worten Taten folgen zu lassen. Der Schutz von Menschenrechten und die Förderung von Demokratie retten langfristig mehr Leben als militärische Einsätze.

Ein klares Ziel, rasches Handeln, eine völkerrechtliche Grundlage, breite internationale Unterstützung, realistische Erwartungen und ein langer Atem bei der nichtmilitärischen Aufbauhilfe - sind die Voraussetzungen, die eine Militärintervention legitimieren können.