Wie weiter in Afghanistan?
Franziska Weber: Soll Deutschland mehr Soldaten nach Afghanistan schicken? Wie viele? Wie lange sollen sie bleiben? Fragen, die kurz vor der Afghanistan-Konferenz in London heftig diskutiert werden. Gestern Abend hatte die Kanzlerin die zuständigen Minister geladen zum Afghanistan-Gipfel. Offizielle Erklärungen gab es danach nicht, aber angeblich will die Bundesregierung 500 zusätzliche Soldaten hinschicken. Kanzlerin Merkel will bei ihrer neuen Strategie auch die Opposition einbinden und sie will die Spitzen aller Parteien im Deutschen Bundestag in etwa einer Stunde übe ihre Strategie unterrichten. Die SPD hatte ja schon vor ein paar Tagen über ein Afghanistan-Konzept beraten und wir wollen jetzt reden mit Rolf Mützenich. Er ist außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen!
Rolf Mützenich: Guten Morgen, Frau Weber!
Weber: Herr Mützenich, bleiben Sie denn bei ihrem "Nein" zu weiteren Kampftruppen?
Mützenich: Ja, auf jeden Fall. Wir glauben nämlich auch, dass die Bundesregierung erst mal erklären muss, was mit der jetzigen Mandatsobergrenze von 4.500 Soldaten möglich ist. Wir sehen dort schon Umgruppierungen, die unter Umständen auch erfoderlich sind. Auf der anderen Seite muss sie erklären, ob aus diesem Kontingent heraus nicht eben das schon erledigt werden kann, was auf der London-Konferenz beraten wird. Herr Westerwelle hat angekündigt, das solle keine Truppenstellerkonferenz werden, deswegen verwundert es mich schon, dass zumindest in den Dingen, die man jetzt hört, nur über eine Aufstockung der Truppen gesprochen wird.
Weber: Nun sind ja 500 Soldaten auch nicht so wahnsinnig viele.
Mützenich: Nein, natürlich nicht. Es kommt aber natürlich insbesondere darauf an, wenn man erklären kann "das schaffen wir nicht innerhalb der 4.500", was diese zusätzlichen Soldaten schaffen sollen. Und wenn es dann insbesondere um Ausbildung, sowohl für die Streitkräfte, aber insbesondere geht es uns ja um die Polizeiausbildung, geht, dann muss man darüber sprechen. Auf der anderen Seite muss es aber auch ein Gesamtkonzept umfassen, ganz besonders den zivilen Wiederaufbau, den Versöhnungsprozess und zum dritten - und das halte ich für einen ganz wichtigen Aspekt - die Einbindung der regionalen Nachbarn von Afghanistan. Da gibt es noch eine Menge Nachholbedarf.
Weber: Bleiben wir doch mal beim Stichwort Polizei. Da ist doch durchaus durchgesickert, dass ja auch die Regierung durchaus mehr Polizeiausbilder will. Sie will auch die Entwicklungshilfe aufstocken, also mehr Geld für Afghanistan. Da sind Sie doch einer Meinung mit der Kanzlerin?
Mützenich: Das ist gut. Dann muss die Kanzlerin aber auch die, ich meine insbesondere die CDU/CSU-Ministerpräsidenten davon überzeugen, überhaupt Polizeiausbilder zu schicken. Also diejenigen, die davon Ahnung haben, Fachkompetenz mitbringen und da gibt es viele Bundesländer, die sich in den letzten Jahren nicht bewegt haben. Bayern ist erst in den letzten Monaten bereit gewesen, Ausbilder zu entsenden.
Weber: Es sind ja durchaus auch Bedenken laut geworden von der Gewerkschaft der Polizei. Teilen Sie die denn nicht?
Mützenich: Doch, das kann ich schon gut verstehen. Insbesondere, weil ja in den letzten Monaten der Verteidigungsminister sehr stark noch mal darüber debattiert hat, ob Rechtssicherheit besteht. Mich hat das schon gewundert, weil die Bundesregierung ja grade im Dezember nochmal ein Mandat vorgelegt hat und wenn das nicht rechtssicher gewesen wäre, dann hätte die Bundesregierung hier Nachbesserungsbedarf gehabt. Ich glaube, da gibt es eine Menge Verunsicherung und ich hoffe, mit dem jetzt abgestimmten Konzept, mit dem die Bundesregierung angeblich nach London reisen will, auch diese Fragen ausgeräumt sind.
Weber: Sie sprachen auch die Frage der Aussöhnung an mit den Taliban. Da hat ja der Außenminister schon vorgelegt mit der Zustimmung zum Aussteigerprogramm für die Taliban.
Mützenich: Ja, aber aus meiner Sicht kann das nur ein Teilelement sein. Dieses Aussteigerprogramm wird ja schon seit mehreren Jahren diskutiert. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als Herr Westerwelle noch in der Opposition war, oder zum Beispiel Herr zu Guttenberg, die Pläne die damals Kurt Beck erläutert hat, die der afghanische Präsident Karsai mitgeteilt hat, dass da eine Menge Häme gewesen ist und plötzlich sind das Dinge mit denen Herr Westerwelle jetzt vorprescht. Ich bin gespannt, wie das in einem Gesamtkonzept aussehen soll. Mit kommt es besonders darauf an, dass ein Versöhnungsprozess statt findet, kein Rauskaufen, sondern eine tatsächliche Beteiligung in den Regionen und wenn das gelingt, kann das natürlich nur unter der Ägide der afghanischen Regierung stattfinden.
Weber: So hat ja nun zum Beispiel Ihr Altkanzler Schmidt gesagt, Fragen von Krieg und Frieden sollten immer vorgehen vor Parteiinteressen. Inwieweit halten Sie sich daran?
Mützenich: Nun ja, das tun wir ja nun eigentlich schon seit dem Afghanistan-Einsatzes. Uns wird ja nun vorgeworfen, dass wir die Situation in ein Dilemma bringen würden. Natürlich steht die Sozialdemokratie seit der Zustimmung zum Afghanistan-Einsatz vor diesem Dilemma, weil das auch keine leichten Fragen sind, nach Krieg und Frieden. Und da hat Altkanzler Schmidt natürlich recht. Auf der anderen Seite war das damals ein internationales Mandat. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass mindestens zwei Drittel der deutschen Bevölkerung damals nach den Anschlägen in New York und Washington gesagt haben, nun sei internationale Solidarität erforderlich. Das haben wir damals gemacht, aber das ist uns nicht leicht gefallen.