"Atomwaffenverbotsvertrag kommt zum richtigen Zeitpunkt"

Interview mit Dietmar Ringel
Veröffentlicht: 
rbb Inforadio, 20.09.2017
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Seit Mittwoch liegt der Atomwaffenverbots-Vertrag bei der UN zur Unterzeichnung aus.

Seit Mittwoch liegt der Atomwaffenverbots-Vertrag bei den Vereinten Nationen zur Unterzeichnung aus. Verabschiedet wurde er im Juli - doch keiner der neun bekannten Staaten, die im Besitz von Atomwaffen sind, wird unterzeichnen. Auch Deutschland und andere Nato-Mitglieder halten sich fern. SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich, widerspricht der Auffassung der Bundesregierung: "Diese Initiative ist wertvolll und kommt zum richtigen Zeitpunkt." 

Rolf Mützenich, unterstützt den Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen, der heute in New York unterzeichnet werden soll. Dass die Bundesregierung dem Vertrag nicht zustimmt, sei vor allem der Union geschuldet. "Innerhalb der Bundesregierung, insbesondere beim Koalitionspartner, gab es nicht diese Haltung für das Abkommen. Ich bedauere das sehr", erklärte der Kölner Abgeordnete.

Nach Mützenichs Worten braucht es "gesellschaftlichen Widerstand" gegen Atomwaffen. "Wir tun wirklich gut daran, gegenüber dem atomaren Schatten, der sich wieder über die Welt legt, für Abrüstung und Rüstungskontrolle einzutreten", so der SPD-Politiker.

Interview im Wortlaut:

Dietmar Ringel: „Atomwaffen gehören auf den Schrott, wir wollen eine atomwaffenfreie Welt!“ Das hat der UN-Sicherheitsrat beschlossen, mit den Stimmen der Atommächte USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich. Allerdings war das vor acht Jahren. Wenn ab heute in New York der Vertrag über ein weltweites Atomwaffenverbot zur Unterschrift ausliegt, wird keiner der Atommächte zustimmen und auch Deutschland ist nicht bereit dazu, obwohl sich bereits 122 Staaten für diesen neuen Vertrag ausgesprochen haben.

Bei mir am Telefon ist Rolf Mützenich, er ist stellvertretender Fraktionschef der SPD im Deutschen Bundestag. Guten Tag, Herr Mützenich!

Rolf Mützenich: Guten Morgen, Herr Ringel.

Ringel: Was hält denn Deutschland davon ab, für diesen Vertrag zu stimmen?

Mützenich: Die Bundesregierung hat bestimmte Argumente vorgebracht. Insbesondere glaubt sie, dass der Nichtverbreitungsvertrag, also das Dokument, dass letztlich alle Staaten verpflichtet, auf vertraglicher Grundlage auf Atomwaffen zu verzichten, das ist erodiert. Das ist aber nicht meine Haltung und von einigen Fraktionskollegen in meiner Fraktion auch nicht.

Ringel: Aber der Bundesaußenminister Sigmar Gabriel aus Ihrer Partei hat auch gesagt: Das ist der falsche Weg, der da eingeschlagen wird mit diesem Vertrag.

Mützenich: Das mag sein. Ich habe ja gerade gesagt, dass die Bundesregierung, und er macht ja die gemeinsame Auffassung der Bundesregierung hier deutlich, dies nicht unterstützt. Aber ich glaube schon, diese Initiative ist wertvoll. Sie kommt zum richtigen Zeitpunkt. Uns sie lehnt sich ja auch an Initiativen an, wo andere Waffengattungen, wie zum Beispiel Streubomben, eben auch über eine solche Möglichkeit eben auch gänzlich vernichtet worden sind oder vernichtet werden. Von daher glaube ich schon, dass diese Initiative unterstützenswert ist - und andere haben das, wie gesagt, auch gesagt.

Ringel: Warum tut sich dann die Bundesregierung, warum tut sich auch die SPD so schwer, da zu einer einheitlichen Position zu kommen? Also, warum werden Ihre Argumente da nicht gehört?

Mützenich: Also, wir tun uns nicht schwer, sondern es gibt eben unterschiedliche Argument und unterschiedliche Gewichtungen. Ich glaube eben, innerhalb der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion ist zum Beispiel das, was Frau Finkh-Krämer aus Berlin oder auch ich sagen, durchaus mehrheitsfähig. Innerhalb der Bundesregierung, insbesondere mit dem Koalitionspartner gab es hier eben nicht dieselbe Haltung. Ich bedauere das sehr.

Ringel: Wie kann man trotzdem einen Weg einschlagen, der in Richtung atomwaffenfreie Welt geht? Ich habe ja nicht von ungefähr das zitiert, was vor acht Jahren aktuell war. Obama hat damals den Friedensnobelpreis bekommen. Das waren also markante Sätze, die von ihm kamen und es gab tatsächlich auch eine Resolution. Warum hält sich denn keiner daran?

Mützenich: Nein, weil das eben genau das Problem seit 1967 ist, seitdem es den Atomwaffensperrvertrag gibt. Dass insbesondere Veto-Staaten diese Recht auch für sich in Anspruch nehmen. Es ist überhaupt gar kein Wille spürbar und nur für bestimmt Zeit. Als Obama dies, und ich glaube, auch durchaus glaubhaft, versucht hat, und es gab ja auch einen Abrüstungsvertrag,  im strategischen Bereich gab es diese Bemühungen. Immerhin muss man ja auch sagen, dass Frank-Walter Steinmeier als früherer Außenminister innerhalb der OSZE mit dafür plädiert hat, neben der konventionellen Abrüstung auch die nukleare Abrüstung voran zu treiben. Aber die Rahmenbedingungen sind überhaupt nicht gut, weder das, was Trump zur Zeit macht, aber auch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und die Verletzung des Budapest-Abkommens erschweren diesen Vorgang.

Ringel: Herr Mützenich, im Wahlkampf hat man nicht den Eindruck, dass das die große Zahl der Wähler interessiert, diese Friedens- und Abrüstungsdiskussion. Und auch die Politiker scheinen sich dem kaum zu widmen. Braucht’s mal wieder ein bisschen mehr Druck von der Straße?

Mützenich: Ich habe überhaupt nichts gegen Druck von der Straße, aber das ist nicht mein Empfingen, dass die Menschen sich nicht dafür interessieren. Im Gegenteil, sie sind sehr verunsichert. Aber letztlich brauchen wir gesellschaftlichen Widerstand, auch an dieser Stelle, und wir tun wirklich gut daran, gegenüber dem atomaren Schatten, der sich wieder über die Welt legt, für Abrüstung und Rüstungskontrolle einzutreten.