Rolf Mützenich (SPD): Kritik an Trumps Afghanistan-Strategie

Interview mit Jascha Habeck
Veröffentlicht: 
WDR 2, 22.08.2017
Thema: 
Überraschende Kehrtwende in der amerikanischen Afghanistan-Strategie?

Soldaten ohne ein Konzept für den Aufbau des Staates nach Afghanistan zu schicken sei zwecklos, erklärte Rolf Mützenich auf WDR 2. Man müsse vielmehr auch die Regionalmächte mit einbeziehen, die Korruption bekämpfen und das Problem des "Nation Building" angehen, so der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD für den Bereich Außen-, Verteidigungs- und Menschenrechtspolitik.

Jascha Habeck: Fast 16 Jahre beschäftigt uns nun Afghanistan. Heute sind 8.400 amerikanische Soldaten in Afghanistan stationiert, andere NATO-Länder sind mit 5.000 dort vertreten, davon sind 950 Soldaten der Bundeswehr am Hindukusch. Und all die sollen Verstärkung bekommen, das hat US-Präsident Donald Trump angekündigt, ohne jedoch dabei eine konkrete Zahl zu nennen. Es heißt aber, es werden 4.000 sein, die aus den USA dazu kommen sollen.

Im WDR 2 Mittagsmagazin ordnen wir das nun ein. Rolf Mützenich aus Köln ist stellvertretender SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzender für die Bereiche Außepolitik und Verteidigung und war kurz vor der Sendung bei mir im Studio. Er war immer Befürworter des deutschen Einsatzes in Afghanistan, deshalb dürften Sie die Ankündigungen von Donald Trump doch auf ganzer Linie unterstützen, oder, Herr Mützenich?

Rolf Mützenich: Ich glaube, wir unterscheiden uns, wenn ich das so sagen darf, von dem amerikanischen Präsidenten insbesondere durch einen politischen Ansatz, der ja auch versucht, sowohl die Regionalmächte einzubeziehen, aber auch sehr stark auf die Korruption, auf das Gesellschaftssystem in Afghanistan zu schauen. Und zumindest das, was ich vom amerikanischen Präsidenten gehört habe, beinhaltet diese Strategie überhaupt gar keinen politischen Ansatz, sondern ist doch sehr stark von militärischen Fragen angeleitet. Und deswegen gibt es dort doch schon einen Unterschied. Wir werden das auch in den nächsten Tagen auch nochmal versuchen müssen, aufzuklären.

Habeck: Also finden Sie die Ankündigung jetzt gut oder schlecht?

Mützenich: Ich will nicht sagen, dass es weder gut oder schlecht ist, sondern es ist ein Ansatz, wo noch viele Fragen offen sind. Aber es ist auf jeden Fall – und ich glaube, das müssen wir uns hier ja immer wieder klarmachen, - erst einmal eine innenpolitische Ansage von Präsident Trump gegenüber der amerikanischen Gesellschaft, insbesondere gegenüber seinen Wählerinnen und Wählern, denen er etwas anderes versprochen hat. Seit Juli warten wir auf diese Strategie. Aber wenn sich daraus ein Ansatz ergibt, dass sich die US-amerikanische Politik stärker auch in Nation Building engagiert, dann finde ich, gibt es Ansätze, wo wir auch mit einem Partner USA drüber sprechen und vielleicht auch gemeinsam agieren sollen.

Habeck: Aber genau das will er ja nicht machen. Er hat gesagt, er will nicht den Staat unterstützen, sondern er will ins Land, „um Terroristen zu töten“.

Mützenich: Genau, deswegen wollte ich auch darauf hinweisen. Aber das muss man auch nochmal klären. Und das ist eine Aufgabe der gesamten Bundesregierung, nicht nur des Außenministers, sondern auch der Bundeskanzlerin, ob wir hier im Vergleich zur Obama-Administration von gleichen Voraussetzungen ausgehen. Das Mandat der Vereinten Nationen für Afghanistan ist ein Mandat das auf der einen Seite natürlich Sicherheit durch die Truppen herstellen soll, aber insbesondere auch ein politischer Ansatz. Und wenn er den verneint, wird es schwierig weiterhin von einer gemeinsamen Afghanistan-Strategie zu sprechen.

Habeck: Machen wir hier mal einen Schnitt und schauen auf uns, auf die Bundeswehr und was das nun für sie bedeutet. 55% der Deutschen befürworten laut einer aktuellen Umfrage den vollständigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Davon ist man ja nun aber wohl wirklich weit entfernt, denn wir können uns sicher sein, dass auch wir Truppen schicken müssen, nach dieser Ankündigung von Donald Trump, oder?

Mützenich: Zumindest haben wir bisher ein Mandat der Bundesregierung, was ja immer Ende Dezember gestellt wird, im Deutschen Bundestag verlängert wird, immer noch mit einer relativ großen Mehrheit. Wir wissen auch um die Vorbehalte in der Bevölkerung, in Deutschland. Das ist klar, weil halt auch eben in der Vergangenheit viele Tote zu beklagen gewesen sind, einschließlich Bundeswehrsoldaten, aber auch ziviler Helfer. Das verstehe ich schon. Nur, auf der anderen Seite glaube ich, wenn Sie die Fragen im Hinblick auf Sicherheit stellen, gleichzeitig kombiniert mit der Frage, sollen wir weiterhin insgesamt in Afghanistan, auch entwicklungspolitisch, engagiert sein, dann finden Sie eine große Befürwortung. Nur, Entwicklungsorganisationen sagen uns, ohne Sicherheit schaffen wir dort auch keine Entwicklung.

Habeck: Aber trotzdem dann noch einmal nachgefragt, Sie haben es selber angesprochen: Am Ende des Jahres wird neu entschieden. Würden Sie eine Verstärkung der Truppen unterstützen? Ja oder Nein?

Mützenich: Nein, ich glaube, dass wir zurzeit auskömmlich Bundeswehrsoldaten bereitstellen, zumindest das, was die NATO auch gegenüber uns, - und da gehören die USA ja letztlich dazu – auch versucht hat, von Deutschland aus an Beiträgen zu erbitten. Da scheint mir im Moment keine Veränderung zu sein. Und in diesem Mandat ist ja durchaus auch eine Marge angelegt, so dass wir da Bewegungsspielraum haben. Ich gehe zurzeit nicht davon aus, dass die Bundesregierung massiv aufstocken will. Und wir werden einfach sehen, was will die US-amerikanische Strategie: Ist sie nur militärisch oder können wir insbesondere politisch zusammen arbeiten?

Habeck: Sagte Rolf Mützenich aus Köln. Er ist stellvertretender SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzender und Experte für die Außenpolitik und Verteidigung. Ich danke Ihnen, dass Sie hier bei uns waren, bei uns im WDR 2 Mittagsmagazin.

Mützenich: Sehr gerne.