Rolf Mützenich: Nach Militärschlag US-Syrien-Initiative notwendig
Andreas Flocken: Auf den Einsatz von chemischen Waffen in Syrien haben die USA mit einem Militärschlag reagiert. US-Präsident Trump hat Entschlossenheit gezeigt. Herr Mützenich, war der Militärschlag eine richtige Entscheidung?
Rolf Mützenich: Es ist auf jeden Fall eine Entscheidung, die jetzt eingebettet werden muss in eine diplomatische Initiative, insbesondere von den USA. Man kann nicht einen solchen Schlag unternehmen, ohne letztlich eine Syrien-Initiative zu unternehmen. Da hätte der Präsident jetzt die Gelegenheit mit seinem chinesischen Kollegen bei seinem Besuch in den USA darüber zu sprechen und insbesondere muss Außenminister Tillerson am Dienstag mit der russischen Regierung klare Schritte darüber verabreden, wie es möglicherweise dann auch im Sicherheitsrat weitergeht. Das muss in den nächsten Tagen dringend erfolgen.
Flocken: Moskau hat die Militärschläge massiv kritisiert. Droht denn jetzt eine neue Konfrontation zwischen Russland und den USA mit weitreichenden Folgen?
Mützenich: Der US-amerikanische Präsident hat sich zu diesem Angriff entschieden und ich hoffe, er hat letztlich auch alle Folgen bedacht. Es ist ein Eskalationsrisiko. Insbesondere in einer Situation, in der in Syrien ganz viele ganz unterschiedliche Akteure mit unterschiedlichen Interessen leider auch diesen Konflikt am Leben erhalten und deswegen muss auf jeden Fall in den nächsten Tagen das Eskalationsrisiko minimiert werden. Und das wird man nur durch letztlich politische Schritte erreichen.
Flocken: Wie müssen denn diese politischen Schritte aussehen?
Mützenich: Ich glaube, insbesondere sich vor Augen zu führen, Russland hat nach der Rückeroberung Aleppos, nach meinem Dafürhalten, versucht, aus diesem Konflikt auf eine politische Lösung auszusteigen. Er hat den Prozess von Astana sehr stark initiiert und auch vorangetrieben und hat dabei aber auch gesehen, dass sich Russland jetzt letztlich von Assad, aber auch der iranischen Seite abhängig macht. Ich glaube, diese Chance muss unbedingt ergriffen werden, um auch zu gemeinsamen Schritten zwischen der Volksrepublik China, den USA und Russland zu kommen. Ich glaube, die Chance ist noch nicht ganz vertan.
Flocken: Die Europäer stehen ja in diesem Krieg, der ja schon rund sechs Jahre dauert, ziemlich im Abseits. Welche Rolle können denn die Europäer, beziehungsweise: Welche Rolle müssen die Europäer spielen, gerade jetzt nach dem Militärschlag?
Mützenich: Erst einmal bin ich froh, dass Europa kein Konfliktakteur als solcher ist. Weder haben wir diesen Konflikt begonnen, noch letztlich auch am Leben erhalten, sondern wir haben insbesondere auch von Deutschland aus mit humanitärer Hilfe geholfen, aber auch Flüchtlinge aufgenommen. Wenn wir den Eindruck haben würden, dass die Konfliktparteien an einer besonderen Rolle, die ja dann nur eine Vermittlerrolle sein kann, Europas interessiert sind, muss die Bundesregierung dies unterstützen. Aber ich will das nicht herbeireden. Ich glaube, am Ende trägt nur eine solche möglicherweise Rolle der Europäischen Union, wenn wirklich der Wille auf allen Seiten vorhanden ist, diesen Konflikt endlich zu beenden.
Flocken: Was bedeuten denn die Militärschläge für die für Syrien immer wieder gewünschte politische Lösung? Ist sie nun in weite Ferne gerückt?
Mützenich: Das kommt eben darauf an, wieso der amerikanische Präsident so neben der einseitigen Entscheidung dies getroffen hat. Es gibt ja Interpretationen, dass er sich letztlich von den Bilder dazu genötigt gesehen hat. Andere hoffen, dass er eine Strategie hat. Und nochmal: Wenn der Angriff etwas gezeigt hat, gegen die Monströsität dieses Konflikts, dann werden alle erkennen: Es gibt keine militärische Lösung. Und wenn darauf nun in der Tat politische Schritte erfolgen, in den nächsten Tagen, das wird man erst wahrscheinlich unter Beweis stellen können, wenn Tillerson in Moskau gewesen ist.
Flocken: Herr Mützenich, halten Sie es denn für erwiesen, dass das Assad-Regime die C-Waffen eingesetzt hat? Trump hat ja da gar keine Zweifel.
Mützenich: Das kann man nur mit hundertprozentiger Sicherheit und – das würde ich zumindest für mich in Anspruch nehmen – sehen, wenn eine unabhängige Kommission sowohl im Land gewesen ist, insbesondere unter dem Dach der Vereinten Nationen, und auch die Möglichkeit hatte, Verletzte und leider eben auch Tote, wenn das überhaupt noch möglich ist, zu untersuchen. Diese Kapazität hat nur eine unabhängige Organisation, die eben das Verbot des Einsatzes von Chemiewaffen überprüft und ich bin sehr zurückhaltend gegenüber dem, was türkische Behörden uns in den letzten Stunden erläutert haben.