"Hoher Respekt vor Merkels Leistung"

Von Daniel Friedrich Sturm
Veröffentlicht: 
Welt online, 12.02.2015
Thema: 
Einigung in Minsk

SPD-Außenexperte Rolf Mützenich lobt Angela Merkel nach der Einigung auf einen Waffenstillstand in der Ukraine in den höchsten Tönen: Sie sei "an die Grenze der körperlichen Belastbarkeit gegangen".

Daniel Friedrich Sturm: In der Ostukraine sollen von Sonntag an die Waffen schweigen. Halten Sie diese Verabredung für realistisch?

Rolf Mützenich: Ich hoffe. Nun haben wir vielleicht die Zeit gewonnen, um eine realistische Perspektive zu entwickeln. Wie belastbar die Verabredungen zur Waffenruhe wirklich sind, wird sich nach Sonntag zeigen, wenn sie offiziell in Kraft treten.

Sturm: Warum sollte Minsk 2 halten, wo Minsk 1 schon nicht erfolgreich war?

Mützenich: Bei dem Abkommen von diesem Donnerstag haben die Verhandlungsführer in Person von Regierungschefs und Präsidenten ihr Wort gegeben. Das ist schon ein signifikanter Unterschied zu Minsk 1, was ja von Unterhändlern vereinbart worden war.

Sturm: Rechnen Sie damit, dass die prorussischen Separatisten vertragstreu sein werden?

Mützenich: Die prorussischen Separatisten sind Teil des Problems ? und Teil der Lösung. Auf ihnen und denjenigen, die Einfluss auf sie haben, lastet nun eine hohe Verantwortung.

Sturm: Sehen Sie die territoriale Integrität der Ukraine garantiert?

Mützenich: Unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen, ja. Wir müssen uns klar werden, dass nach der hoffentlich beachteten Waffenruhe weitere vertrauensbildende Maßnahmen nötig sind. Bei aller Betonung der territorialen Integrität der Ukraine: Womöglich wird es dann mehr Stabilität geben, wenn den Regionen insgesamt eine gewisse Autonomie gewährt wird. Das könnte den Gesamtstaat später sogar stärken.

Sturm: Eine Waffenruhe ist das eine, hat aber mit einer politischen Lösung nichts zu tun, oder?

Mützenich: Minsk 2 ist ein weiterer Schritt auf einem langen Weg. In der Vergangenheit sind Hoffnung und Vertrauen leider oft genug enttäuscht worden. Rückschläge sind, das muss man leider auch jetzt sagen, nicht ausgeschlossen.

Sturm: Wie bewerten Sie das diplomatische Management von Kanzlerin Angela Merkel?

Mützenich: Angela Merkels Leistung nötigt mir hohen Respekt ab. Die Bundeskanzlerin ist mit den Verhandlungen und der Reise in die USA bis an die Grenze der körperlichen Belastbarkeit gegangen. Sie hat eine ganz hervorragende Arbeit geleistet - genauso wie Frankreichs Präsident François Hollande. Diese Kooperation zeigt, dass Europa sehr wohl mit einer Stimme sprechen kann, auf die dann auch gehört wird.