Erst Jerusalem, jetzt Berlin: Nahost-Quartett erörtert Friedensfahrplan
Ein stärkeres Engagement der Europäischen Union im Nahost-Friedensprozess, hat das Mitglied der Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, der nahost-politische Sprecher der SPD-Fraktion, Dr. Rolf Mützenich, gefordert.
Im Inforadio vom rbb sagte er am Mittwoch, "Deutschland sollte innerhalb der EU-Ratspräsidentschaft überlegen, wie man möglicherweise eine Einheitsregierung zwischen Hamas und Fatah unterstützt, und es letztlich schafft, Kompromisslinien zu entwickeln."
Mützenich sprach sich dafür aus, über eine Lockerung der finanziellen Sanktionen gegen die Palästinenser nachzudenken. "Die aufgestellten Kriterien sind durchaus richtig. Auf der anderen Seite - glaube ich - sind sie sehr eindimensional, und man sollte durchaus versuchen, auch auf Hamas einzuwirken. Ich denke, dass gerade ein flexibles Herangehen mit konditioneller finanzieller Unterstützung der neuen Regierung Bewegung in den Nahost-Prozess bringen könnte."
Das Interview im Wortlaut:
Dietmar Ringel: Was kann das Nahostquartett, was die Dreierrunde in Jerusalem nicht konnte?
Dr. Rolf Mützenich: Ich denke, es ist wichtig, dass im Nahost-Quartett überhaupt wieder begonnen wird, miteinander zu reden, Und dass US-Außenministerin Rice nicht viel zustande gebracht hat, liegt u.a. auch darin, dass für die USA dieser Konflikt jahrelang auf Eis gelegen hat. Man kann nicht innerhalb von Minuten etwas Neues erreichen. Das Nahostquartett muss versuchen, auch mit den anderen Partnern - da ist z.B. Russland wichtig, aber auch die Vereinten Nationen - hier wieder Schwung in die Gespräche hineinzubringen. Man sollte sich auch überlegen, ob man vielleicht flexibel auf die eine oder andere Situation im Nahen Osten reagiert.
Ringel: Sie sagen, die USA brauchen noch eine Weile, um da wieder reinzukommen - das kann man nachvollziehen. Aber die Hauptbeteiligten, nämlich Israel und die Palästinenser sind ja sehr mit sich selbst beschäftigt. Der israelische Regierungschef Olmert muss sich mit Korruptionsvorwürfen auseinandersetzen, Palästinenserpräsident Abbas hat mit den Streitigkeiten zwischen Fatah und Hamas alle Hände voll zu tun. Wer hat da überhaupt offene Ohren für Vorschläge, die möglicherweise aus Berlin kommen?
Mützenich: Das ist die Tragik, dass wir heute mit zwei Regierungen konfrontiert sind, denen schwache Ministerpräsidenten bzw. Präsidenten vorstehen. Das darf uns aber nicht hindern - und es ist wichtig, mit allen Parteien in dieser Situation zu reden. Ich glaube, dass sich die Europäische Union bemüht, insbesondere im Hinblick auf die aufgestellten Kriterien Flexibilität zu zeigen.
Ringel: Angela Merkel hat sich eine Menge vorgenommen. Sie hat gesagt, Nahostpolitik soll ein Schwerpunkt ihrer Ratspräsidentschaft sein, welches Zeichen könnte sie denn jetzt setzen?
Mützenich: Das ist nicht nur von der Bundeskanzlerin ein wichtiges Feld, sondern gerade der Außenminister hat im letzten Jahr bewiesen, als der Krieg zwischen Israel und der Hisbollah war, dass er sechs Mal in der Region versucht hat, zuzuhören, evtl. auch wenn gewünscht Botschaften zu übermitteln. Wir knüpfen letztlich auch an diese Vertrauensbildung an. Deutschland sollte innerhalb der EU-Ratspräsidentschaft - auch wenn das natürlich in dieser Situation schwierig ist - überlegen, wie man möglicherweise eine Einheitsregierung zwischen Hamas und Fatah unterstützt, und möglicherweise auch mit Kompromisslinien es letztlich schafft, Konstruktivität zu entwickeln.
Ringel: Sollte das auch heißen, dass die Europäische Union die Gelder wieder zu den Palästinensern fließen lassen sollte?
Mützenich: Das ist meine persönliche Meinung: Ich glaube, dass die aufgestellten Kriterien durchaus richtig sind, auf der anderen Seite sind sie sehr eindimensional. Man sollte versuchen, auch auf Hamas einzuwirken. Solange die natürlich auf der Terrorliste der Europäischen Union stehen, ist das schwierig. Ich denke, dass gerade ein flexibles Herangehen, sozusagen auch der Versuch gemacht wird, mit konditionierter, finanzieller Unterstützung dieser Regierung, dass man vielleicht Bewegung erzielen könnte. Was man feststellen muss, Hamas hat in der Vergangenheit auf Gewalt verzichtet, hat sogar angekündigt, dass es möglicherweise bereit wäre, die Existenz Israels in den Grenzen von 1967 anzuerkennen, darauf kann man aufbauen. Zumindest sollte man an dieser Stelle versuchen, auch mit diesen Akteuren ins Gespräch zu kommen.
Ringel: Und dann müsste man auch nicht darauf warten, bis die Hamas ganz deutlich dieses Existenzrecht verbal anerkennt?
Mützenich: Das wäre sehr wünschenswert. Nur nach meiner Erfahrung, die ich sowohl in der Region, aber auch in Deutschland von Experten gehört habe, ist das sehr schwierig. Im Grunde genommen ist das, was wir verlangen, aus Sicht der Hamas ein Verhandlungsprozess. Ich glaube, Israel tut sehr gut daran, dass es versucht, an dieser Stelle, Bezug auf Gewalt zu nehmen. Hamas hat in der letzten Zeit bewiesen, dass zumindest seine Gruppen von Gewalt abgesehen haben. Das ist für die Existenz des Staates Israel sehr wichtig. Man muss sehen, dass man mit mehr Ideen in die Gespräche kommt als nur zu sagen: Nimm das, ansonsten geht nichts!
Ringel: Was müssten die Vereinigten Staaten jetzt einbringen? Von dort sind in den vergangenen Jahren extrem wenige Impulse gekommen.
Mützenich: Das ist genau das Problem. Ich bin mir sehr unsicher, ob die jetzige US-Administration überhaupt noch zu einem Schwenk der Nahostpolitik bereit ist. Bei der Außenministerin sehe ich das schon, aber man muss auch mit anderen Akteuren in der Region reden. Das Beiseiteschieben von Syrien oder Iran halte ich für einen falschen Weg. Hier sollten die USA bereit sein, über ihren Schatten zu springen. Gegenüber Nordkorea hat es gezeigt, dass man mit einem Regime, was auf der Achse des Bösen verordnet war, gesprochen hat und das hat ja Erfolge gebracht. Dasselbe könnte man gegenüber Syrien und dem Iran auch versuchen. Das wäre der wichtigste Beitrag, den die USA leisten könnten.