Murat Kurnaz will eine Entschuldigung
Der ehemalige Guantanamo - Häftling Murat Kurnaz hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) aufgefordert, auf ihn zuzukommen und sich zu entschuldigen, bevor er sich zum Bundespräsidenten wählen lässt. „Für mich ist das eine offene Wunde, eine maßlose Enttäuschung, von Deutschland in der Not im Stich gelassen worden zu sein“, sagte er der Berliner Zeitung. Kurnaz, ein in Deutschland geborener und aufgewachsener türkischer Staatsbürger, wurde von Januar 2002 bis August 2006 ohne Anklage im Gefangenenlager Guantanamo festgehalten. Nach seiner Entlassung erhob er Vorwürfe gegen die Bundesregierung, dass sie seine Freilassung zu einem früheren Zeitpunkt vereitelt habe.
„Herr Steinmeier als Kanzleramtschef war der Hauptverantwortliche. Bis heute ist er nicht auf mich zugekommen, bis heute hat er sich nicht entschuldigt.“ Kurnaz fügte hinzu: „Er sollte sein Sündenregister bereinigen, bevor er Bundespräsident wird.“ Kurnaz’ Anwalt Bernhard Docke sagte: „Herr Steinmeier mag ein guter und bedächtiger Außenminister sein und sich diverse Verdienste erworben haben. Doch es gibt einen dunklen Fleck in seiner politischen Biografie, und diesen Makel sollte er bereinigen, bevor er das höchste Staatsamt übernimmt.“
Kritik zurückgewiesen
Als damaliger Kanzleramtsminister habe Steinmeier im Oktober 2002 Kurnaz, der im Januar desselben Jahres nach Guantanamo kam und schon im Oktober von deutschen wie amerikanischen Sicherheitsdiensten als ungefährlich und unschuldig eingeschätzt worden sei, die von den USA in Aussicht gestellte Überstellung nach Deutschland verweigert.
Der Deutsch-Türke habe daraufhin bis zu seiner Freilassung 2006 knapp vier weitere Jahre unter Folter und Entrechtung gelitten. „Bis heute hat sich Herr Steinmeier für sein folgenschweres kaltherziges Verhalten nicht entschuldigt“, so Docke. „Die Zeit dafür ist überreif.“
Dem SPD-Politiker war bereits in einem Untersuchungsausschuss vorgeworfen worden, ein Angebot der Amerikaner zur Auslieferung nicht angenommen zu haben – obwohl es keine Belege für angebliche terroristische Aktivitäten von Kurnaz gegeben habe. Steinmeier bestritt damals seine Schuld. Vielmehr sagte er 2007 dem Spiegel: „Ich würde mich heute nicht anders entscheiden.“ Denn die deutschen Behörden hätten Kurnaz sehr wohl als Sicherheitsproblem eingestuft. „Man muss sich ja nur vorstellen, was geschehen würde, wenn es zu einem Anschlag gekommen wäre“, betonte der heutige Außenminister, „und nachher stellte sich heraus: Wir hätten ihn verhindern können.“
Kurnaz war kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 nach Pakistan geflogen, dort festgenommen, nach Afghanistan und später nach Guantanamo gebracht worden. Nach eigenen Worten wollte er eine Pilgerreise unternehmen.
Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, wies die Forderungen von Kurnaz und Docke als „nicht angemessen und nicht mehr zeitgemäß“ zurück. „Die Sache ist erledigt“, sagte er der Berliner Zeitung.