"Chance für eine Stärkung der Reformer ist da"
Baden-Baden: Der SPD-Fraktionsvize und Vorsitzende der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Mützenich glaubt, dass es für Präsident Rohani schwer wird, gestärkt aus den iranischen Parlamentswahlen hervorzugehen. Die Chance sei aber da, vor allem bei einer hohen Wahlbeteiligung in den Städten sagte Mützenich im SWR-Tagesgespräch. Der Wächterrat habe schon im Vorfeld viele Kandidaten verhindert, die für Reformen stehen könnten. Trotzdem sei Rohani durchaus in der Lage, innerhalb des Systems der Islamischen Republik Verbesserungen zu bewirken. Das habe er mit dem Atomkompromiss unter Beweis gestellt.
Mützenich ruft die Bundesregierung auf, mit dem Iran über Menschenrechte zu sprechen und an die Einhaltungen der Vereinbarungen aus dem Atomkompromiss zu erinnern. Er ist dafür, Rohani zu einem Besuch nach Deutschland einzuladen.
Zur Rolle Irans als Schutzmacht des syrischen Regimes im Bürgerkrieg vermutet Mützenich, dass Teheran auf militärische Stärke setzt und wenig Interesse an einer Verbesserung der humanitären Lage hat. Auch hier sei es Aufgabe der Bundesregierung, auf den Iran einzuwirken.
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Rudolph: Der mächtige Wächterrat hat ja schon im Vorfeld kräftig ausgesiebt und nur wenige reformfreudige Kandidaten überhaupt zur Wahl zugelassen. Sehen Sie Chancen, dass das Rohani-Lager gestärkt wird?
Mützenich: Es könnte eine Chance geben. Insbesondere wird die Wahlbeteiligung auch in den Städten darüber mitentscheiden. Aber in der Tat, der Wächterrat hat durchaus eben die Kandidaten, die auch Reformen im Inneren, im Parlament hätten mit anschieben können, verhindert und deswegen wird es auch sehr schwer werden. Ich glaube wir können erst ganz endgültig bewerten, wenn die Stichwahl im April stattgefunden hat.
Rudolph: Kann man denn unter diesen Umständen überhaupt von einer regulären Wahl sprechen oder ist dieser ganze Urnengang nicht eher eine Farce?
Mützenich: Es ist nicht unbedingt eine Farce, weil Wahlen und letztlich eben auch das Parlament in der islamischen Republik, was ja indirekt schon ein Widerspruch in sich selbst ist, durchaus eben auch eine gewisse Machtstellung hat. Das haben Präsidenten erlebt. Aber insbesondere natürlich zurzeit die konservative Mehrheit hat Präsident Rohani das Leben schwer gemacht. Deswegen glaube ich schon, viele Iranerinnen und Iraner sind zumindestens nach meinem Eindruck eben in einer Situation, dass nur die Beteiligung an diesen Wahlen auch eine Veränderung bringt. Deswegen sollten wir es nicht ganz gering schätzen.
Rudolph: Würden die Religionswächter denn einem Wahlergebnis überhaupt zustimmen, das nicht ihren Vorstellungen entspricht?
Mützenich: Nein, das verhindern sie eben durch die Institutionen, die vor diesen Wahlen eben zu diesem Prozess auch führen. Eben die Auswahl von bestimmten Kandidatinnen und Kandidaten. Und wir haben ja auch eine Besonderheit, jetzt werden auch die Mitglieder des Expertenrates gewählt. Eine durchaus wichtige Institution, wenn es zu Veränderungen in der islamischen Republik im Hinblick auf den Religionsführer kommen sollte. Ich denke, da müssen wir auch das Augenmerk drauf halten. Aber hier sind natürlich insbesondere Religionsgelehrte und konservative Mitglieder der ausschlaggebende Faktor.
Rudolph: Wie weit könnte denn ein durch Wahlen gestärkter Rohani überhaupt gegen den Widerstand der Hardliner Reformen durchsetzen?
Mützenich: Ich glaube, dass Präsident Rohani in diesem System, und wir müssen aufpassen, ob wir ihn wirklich als Reformer bezeichnen, durchaus etabliert und auch Chancen hat, sich zu bewegen. Das hat er im Hinblick auf den Atomkompromiss mit der internationalen Staatengemeinschaft gezeigt. Aber in der Tat, jetzt wird es darauf ankommen, die Inflationsrate, die hohe Arbeitslosigkeit und viele andere Dinge auch im Land zum Besseren zu richten. Er wird jetzt die nächsten zwei Jahre dann eben mit einem neuen Parlament konfrontiert sein. Und ich glaube schon, dass es zumindestens innerhalb des Establishments eine Einigung darauf gibt, auch wirtschaftliche Reformen behutsam zu versuchen. Aber das Umfeld ist natürlich auch schwer und gerade auch die internationale Lage.
Rudolph: Wie kann denn die Bundesregierung einen weiteren Reformkurs im Iran unterstützen?
Mützenich: Wir müssen insbesondere darauf achten, dass wir auch mit dem Iran wie mit anderen Ländern, gerade auch am Arabischen Golf, über die Menschenrechte sprechen. Wir müssen aber auf der anderen Seite auch versuchen, die Möglichkeiten die wir haben, nämlich im Inneren auch durch wirtschaftliche Liberalisierung durchaus zu Kontakten letztlich auch zu kommen. Die Industrie bei uns in Deutschland hat da Interesse. Ich glaube auch, dass das gewisse Wirkungen hat. Aber insbesondere glaube ich, kommt es darauf an, den Atomkompromiss immer wieder an den Zielen letztlich auch zu messen. Und ich würde es auch nicht für falsch halten, wenn die Bundesregierung Präsident Rohani zu einem Besuch nach Deutschland einladen würde.
Rudolph: Sie haben es angesprochen. Da sind große Geschäfte zu machen, die BASF heißt es, will 4 Milliarden Dollar investieren. Wirtschaftsminister Gabriel war als einer der Ersten nach dem Fall der Sanktionen im Land. Aber, Iran spricht Israel weiter das Existenzrecht ab. Was geht und was geht nicht?
Mützenich: Das ist eben genau die Schwierigkeit, von der insbesondere auch Deutschland im europäischen Kontext steht und weiterhin ist die Regierung Netanjahu gegen diesen Kompromiss. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, gerade in der Innenpolitik Israels gab es Stimmen, die gesagt haben, das ist eigentlich das Beste, was wir erreichen konnten und insbesondere Militärs und ehemalige Geheimdienstler haben dies bestätigt. Ich glaube schon, dass Israel auch sich begreift in den nächsten Monaten. Das bei dem Überprüfungsmechanimus, den wir eingeführt haben, auch der Iran eben nicht mehr Israel sowohl militärisch aber auch politisch in den Fokus nimmt. Zumindestens haben diese Stimmen in den letzten Wochen sich zurückgezogen, gerade auch im Iran gegenüber Israel.
Rudolph: Mit Blick auf Irans Bestrebungen als Regionalmacht. Sehen Sie da Veränderungen, wenn wir mal beispielsweise auf Syrien schauen, wo der Iran neben Russland ja Machthaber Assad maßgeblich unterstützt?
Mützenich: Ich sehe wenig Veränderungen und es ist gut, dass Sie insbesondere diese Frage noch einmal angesprochen haben. Natürlich ist es wichtig, dass die USA und Russland sich hier verständigen und es ist dringend für die Menschen vor Ort auch notwendig. Ich sehe leichte Unterschiede zwischen dem Iran und Russland. Es gibt Stimmen wie zum Beispiel von dem wichtigen Sicherheitsberater Velayati gegenüber dem Religionsgelehrten im Iran, die stärker noch auf einen militärischen Sieg letztlich setzen. Generäle sind ums Leben gekommen in Syrien. Und von da her glaube ich schon, dass der Iran vielleicht möglicherweisen gar nicht so stark an diesen Fortschritten im Bereich der humanitären Versorgung interessiert ist und stärker auf die militärische Frage setzt. Das müssen wir in den nächsten Tagen noch mal abwarten und auch da finde ich, ist die deutsche Stimme wichtig, das gegenüber dem Iran auch einzufordern.