Aufhebung der Iran-Sanktionen erwägenswert

Interview mit Markus Schubert
Veröffentlicht: 
NDR Info, 29.12.2015
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Nach der Verschiffung radioaktiven Materials nach Russland ist due den SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich die Zeit reif, mit Iran über die Aufhebung bestimmter Sanktionen zu reden.

Markus Schubert: Der Iran hat schwach angereichertes Uran auf den Weg nach Russland gebracht. Damit, so das russische Außenministerium, wird der zentrale und aufwendigste Teil des Handlungsplans erfüllt und das State Department pflichtet bei, das sei einer der bedeutendsten Schritte, den der Iran bislang im Rahmen des Abkommens unternommen habe. Darüber habe ich mit Rolf Mützenich gesprochen, stellvertretener Vorsitzender und Außenexperte der SPD-Bundestagsfraktion.

Schaffen solche Schritte Vertrauen, vertiefen es oder ist es von Anfang bis Ende eine Glaubensfrage, ob man Teheran über den Weg traut?

Rolf Mützenich: Das Iran-Abkommen ist auf Vertrauensbildung angelegt, weil es eben eine gewisse Schrittfolge hat. Der Iran muss gewisse Verpflichtungen eingehen, um dann möglicherweise bestimmte Sanktionen im UN-Rahmen, im Rahmen der Europäischen Union, aber auch bilaterale Sanktionen aufheben zu lassen und das muss eben auch Vertrauen schaffen.

Schubert: Ist die Zeit damit reif für die Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran?

Mützenich: Es ist durchaus erwägenswert, genau dies jetzt auf die Tagesordnung zu setzen. Eine wichtige Bedingung war ja gewesen, auf der einen Seite angereichertes Uran aus dem Land herauszubringen und dafür schwach angereichertes wieder zurück und auf der anderen Seite der Internationalen Atomenergiebehörde auf jeden Fall Zugangsmöglichkeiten zu schaffen auf Seiten des Abbaus der Zentrifugen, aber auch andere Überwachungsfragen. Und jetzt, glaube ich, ist die Zeit reif, mit dem Iran über die mögliche Aufhebung von bestimmten Sanktionen auch zu sprechen.

Schubert: Und wird das IAEA-Regime bei der Kontrolle funktionieren? Die Atombehörde selbst ist zuversichtlich, aber auch oft hakte es genau daran in den zurückliegenden Jahren, dass die Kontrolleure dann eben doch nicht immer dorthin durften, wo sie hinwollten.

Mützenich: Das stimmt, deswegen ist ja auch letztlich das zurückholbar und wir haben einen Mechanismus eingebaut, wo bestimmte Dinge, wenn eben gegen das Abkommen von Seiten des Iran verstoßen wird, diese Sanktionen wieder in Kraft treten können. Der Internationalen Atomenergiebehörde sind aber so große Bewegungsmöglichkeiten zumindest eingeräumt worden, dass ich die Aussage des Direktors, die Internationale Atomenergiebehörde habe genügend Instrumente zur Überwachung, auch glaube.

Schubert: In dieser Region der Welt ist derzeit vieles in Frage gestellt. Menschen sind auf der Flucht, Syrien zerfällt, der Irak stand schon am Rande des Scheiterns, der Jemen, und auch die Türkei war zumindest schon mal berechenbarer. Ist ein gestärkter Iran, der nicht mehr Paria ist, der international gefragt ist, mit dem verhandelt wird, ist der ein stabilisierender Faktor oder gewinnt er dann Freiheiten, um anderswo zu zündeln?

Mützenich: Der Iran ist immer ein Faktor in der Region gewesen und auch die Ideen, die ja damals in Deutschland aber auch in Großbritannien und Frankreich entstanden sind, den Iran auch stärker an die internationale Gemeinschaft durch das Abkommen heranzuführen. Ich glaube, das ist weiterhin richtig. Wir müssen den Iran fordern. Er ist durchaus ein Land, was ernst zu nehmen ist und auch Einfluss hat. Aber auf der anderen Seite gibt es auch bestimmte innenpolitische Entwicklungen im Iran, die weiterhin zu kritisieren sind, auch das, was er zurzeit in Syrien tut.

Schubert: Als man, Herr Mützenich, gemeinsam mit Moskau an diesem Abkommen verhandelt hat oder zumindest damit begonnen hatte, da hatte sich der Kreml noch nicht so stark isoliert. Dass das Uran jetzt dorthin gebracht wird, nach Russland, sieht man das ? nach manchen aggressiven und unilateralen Schritten Moskaus - inzwischen auch mit anderen Augen? Denn auch da wird ja Moskau im Grunde zu so einer Art Libero zu diesem Abkommen.

Mützenich: Man muss hier wachsam sein, aber die Erfahrungen gerade mit Russland beim Iran-Abkommen sind nach unserem Eindruck relativ positiv gewesen. Auch Russland hat kein Interesse, eine weitere Atomwaffenmacht an seiner Grenze zu haben. Wir müssen ja zum Beispiel auf die Sicherheitsinteressen Russlands schauen und da sind mit Pakistan, Indien, aber auch der Volksrepublik China und Nordkorea eben in unmittelbarer Nähe zu Russland verschiedene Kernwaffenstaaten. Deswegen hat Russland auch eine durchaus konstruktive Rolle gespielt, genauso wie bei der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen.