Mützenich: Im Vordergrund steht jetzt: Konsultationen

Interview mit Mario Dobovisek
Veröffentlicht: 
Deutschlandfunk, 18.11.2015
Thema: 
Nach den Anschlägen von Paris

Für Rolf Mützenich (SPD), stellvertretender Fraktionsvorsitzender, geht es in einem Deutschlandfunk "Informationen am Morgen"-Interview bei der Unterstützung Frankreichs im Kampf gegen ISIS primär "um politische Fragen. Das ist ja genau das, was die Bundesregierung in den letzten Monaten immer wieder versucht hat"

Mario Dobovisek: Waren Sie enttäuscht über die Absage gestern?

Rolf Mützenich: Nun, es war auf jeden Fall ein Einschnitt... Aber auf der anderen Seite ... gehen Sicherheitserwägungen auf jeden Fall vor. Und die Reaktionen des Publikums haben das ja auch deutlich gemacht. Ich glaube, jeder hat es verstanden.

Dobovisek: Hat der Terror die Realität auch in Deutschland erreicht?

Mützenich: Mit Sicherheit. Aber ich glaube, das ist nicht neu. Verunsicherung ist immer da, gerade auch nach solchen ... Attentaten... Von daher glaube ich, ist es in Deutschland auf jeden Fall längst da, eigentlich spätestens seit dem 11.9.

Dobovisek: Welche Konsequenzen müssen gezogen werden?

Mützenich: Ich glaube, die Konsequenzen stehen insbesondere der polizeilichen, geheimdienstlichen Zusammenarbeit auch mit Partnerländern im Vordergrund. Und wir sehen ja insbesondere, dass jetzt eine gute Polizeiarbeit notwendig ist, um gegen Attentäter ... vorzugehen. Es geht auch darum, die akute Gefahr auch einzudämmen, aber auf der anderen Seite auch Netzwerke aufzudecken.

Dobovisek: Da will die SPD aber ... die Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes beschneiden. Wie passt das zusammen?

Mützenich: Ich glaube nicht, dass sie das beschneiden will, sondern es geht ja ... um eine politische Kontrolle. Und wir wollen ja letztlich eben auch innerhalb von rechtsstaatlichen Verfahren diese Vorgänge durchführen. Ich glaube, eine Abwägung in diesem Prozess ist immer notwendig und wird auch in Zukunft so bleiben...

Dobovisek: Den Bündnisfall hat Frankreich gestern ausgerufen... Wie viel steht denn in Deutschlands Macht, um Frankreich zu helfen?

Mützenich: Im Vordergrund steht jetzt: Konsultationen... Ich glaube, der Austausch ist dringend notwendig, was andere Länder leisten können, um Frankreich zu entlasten. Auf der anderen Seite dienen diese Konsultationen natürlich auch, um etwas politisch auch zu bearbeiten, was dringend notwendig ist. Diese Angriffe sind ja nicht gerade von außen geführt worden, sondern von französischen oder belgischen Staatsbürgern... Das ist eine ganze Palette, wie Politik reagieren muss.

Dobovisek: ... Wo bleibt die deutsche militärische Hilfe?

Mützenich: ... Die Hilfe ist ja letztlich da... Die Bedrohung existiert ja nicht nur in Syrien, sondern eben auch in anderen Ländern. Und hier ist Deutschland durchaus aktiv. Es gibt viele UN-Mandate, wo die Bundeswehr, aber auch Polizeiarbeit hilft. Ich glaube, das kann man nicht alleine auf Syrien fokussieren...

Dobovisek: Ischinger ... ruft dazu auf, Deutschland solle sich klar an den Luftschlägen beteiligen...

Mützenich: Ischinger geht ja immer relativ verbal weit voraus. Er hat ja damals auch die Bewaffnung und Unterstützung gegenüber der Ukraine verlangt. Hier war Deutschland sehr zurückhaltend. Und ich glaube, es hat sich am Ende auch ausgezahlt. Wir setzen zurzeit sehr stark darauf, dass der Prozess mit Wien II auch gelingt... Sie müssen am Verhandlungstisch versuchen, alles zu erreichen, damit die Vereinten Nationen gestärkt werden können...Die Vereinten Nationen müssen eine Rolle spielen... Hollande versucht ja auch, erneut wieder eine Sicherheitsratsresolution zustande zu bringen. Und dabei wird er von Deutschland unterstützt... Es geht um politische Fragen. Das ist ja genau das, was die Bundesregierung in den letzten Monaten immer wieder versucht hat. Nachdem wir eine Vereinbarung über das iranische Atomabkommen erhalten haben und Saudi- Arabien auch überzeugt haben, der Iran muss an den Verhandlungstisch, hat sich sozusagen eine neue Tür auch für diplomatische Gespräche eröffnet.

Dobovisek: ... Karl-Georg Wellmann spricht gar von deutschen Bodentruppen in Syrien. Undenkbar für Sie?

Mützenich: Ich sehe das nicht ..., weil ich glaube, das ist nicht die Lösung, sondern glaube, genau das ist auch die Strategie von ISIS, letztlich wieder ausländischen Truppen im Nahen und Mittleren Osten zu begegnen und damit auch eine möglicherweise gemeinsame Front bisher sich bekämpfender Gruppen zu erreichen... Auf diese Strategie dürfen wir nicht eingehen. Und wir haben ja letztlich auch gesehen, was spätestens nach dem 11.9. durch Interventionen von außen erfolgt ist... Alle, die die Bundesregierung unterstützen, sollten gerade diesen politischen Prozess im Vordergrund halten.

Dobovisek: ... Mir ist aufgefallen, dass schon vor einem Monat wir darüber berichtet haben, dass der Bundeswehr-Einsatz in Mali erheblich ausgeweitet werden könnte... Jetzt verkauft uns das Verteidigungsministerin von der Leyen als Entlastung der französischen Truppen nach den Anschlägen von Paris. Ist das der Schulterschluss mit Frankreich?

Mützenich: Ich glaube, dass wir genau hinhören müssen, was Frankreich am Ende auch von Deutschland erwartet. Scheinbar sind gestern keine konkreten Forderungen geäußert worden, aber natürlich Konsultationen. Und der französische Verteidigungsminister hat ja sehr deutlich gemacht, dass Frankreich nicht an allen Stellen letztlich unterwegs sein kann, und hat dabei auch Mali erwähnt. Ich finde es überhaupt nicht abwegig, dass Deutschland gerade auch mit Frankreich über diese Fragen spricht. Damals hat die Niederlande, aber insbesondere die Vereinten Nationen Deutschland gebeten, in Mali eine stärkere Verantwortung zu übernehmen. Das werden wir jetzt mit der Bundesregierung besprechen. Wir müssen aber auch gucken, dass andere Mandate, eben wo die Bundeswehr bereits jetzt unterwegs ist, dadurch nicht gefährdet werden.

Dobovisek: Und wenn die Forderung aus Frankreich am Ende doch heißt: Helft uns bei den Luftschlägen?

Mützenich: Nein, ich würde jetzt nicht einfach sagen: wenn, dann. Sondern jetzt kommt es eben insbesondere drauf an, was Frankreich ganz konkret von uns erwartet. Und das sind offensichtlich Dinge, die sich eben in den unterschiedlichen Mandaten wiederfinden... Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass auch die deutsche Bevölkerung weiß: Gerade die Vereinten Nationen, unter deren Dach jetzt die Syrien-Konferenz stattfindet, aber eben auch ein Mandat innerhalb von Mali, ist ja eigentlich der Antreiber auch, dass sie sagen, Deutschland soll hier mitwirken. Und ich glaube, dann dürfen wir uns auch nicht verschließen.