Deutschland und die Anti-IS-Allianz: Kampf gegen einen heimtückischen Feind

Interview mit Andrea Oster
Veröffentlicht: 
WDR 5, 17.11.2015
Thema: 
Frankreichs Politiker zeigen sich nach den Terroranschlägen in Paris kämpferisch. Doch der Blick auf den Anti-IS-Einsatz in Syrien und im benachbarten Irak gibt kaum Grund zu Hoffnung.

Auch nach den Anschlägen von Paris lehnt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Rolf Mützenich ein stärkeres militärisches Engagement Deutschlands im Kampf gegen die Terroristen des IS ab. Das werde nicht die "vorherrschende Antwort am Ende sein", sagte Mützenich im WDR 5 Morgenecho. Eine Lösung könne nur über einen politischen Prozess gelingen, indem man dem IS "alle Energie" entziehe: "Also über die Geldflüsse, aber insbesondere auch über die Unterstützung von anderen sunnitischen Staaten und insbesondere sunnitischen Bevölkerungsgruppen im Irak und Syrien."

Deutschland habe es gerade bei den aktuellen Gesprächen wieder geschafft, die USA, Russland und auch andere Länder davon zu überzeugen, dass am Ende nur eine gemeinsame politische Lösung vor Ort zähle, erklärte Mützenich. Vor den Gesprächen des französischen Verteidigungsministers Jean-Yves Le Drian mit seinen EU-Kollegen, bei denen es möglicherweise auch um militärische Unterstützung im Kampf gegen den IS gehen könnte, sagte Mützenich: "Die französische Politik ist klug genug, auch zu wissen, was sie letztlich auch von den europäischen Partnern verlangen kann."

Für den SPD-Politiker gehe es jetzt vor allem darum, Netzwerke aufzudecken und flüchtende Terroristen zu identifizieren und hierbei gebe es eine geheimdienstliche und polizeiliche Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland: "Die Möglichkeit der Einschränkung solcher Gruppen auch in unseren Gebieten und auch der Zusammenarbeit, das lohnt sich, auch stärker darüber nachzudenken. Ich glaube, das ist die richtige Richtung."

Interview in voller Länge:

Andrea Oster: Frankreich fliegt nach den Attentaten Luftangriffe auf mutmaßliche Stellungen des IS in Syrien. Gerade eben kam wieder die Meldung, es gibt neue Angriffe auf die Stadt Rakka in Syrien, dort, dort wo der IS sich verschanzt hat. Großbritanniens Premier Cameron hat das britische Parlament aufgefordert, ebenfalls über Luftangriffe, auch in Syrien, nachzudenken. Und auch Dänemark hat ähnliche Überlegungen angestellt.

Am Telefon ist jetzt Rolf Mützenich, der stellvertretende SPD-Vorsitzende und SPD-Politiker mit Schwerpunkt Außenpolitik. Schönen guten Morgen, Herr Mützenich.

Rolf Mützenich: Guten Morgen, Frau Oster.

Oster: Andere europäische Staaten definieren Solidarität mit Frankreich offenbar auch militärisch. Warum nicht auch Deutschland?

Mützenich: Weil ich glaube, dass das nicht die vorherrschende Antwort am Ende sein wird, sondern es nur über einen politischer Prozess, insbesondere über die Syrien-Konferenz, die am Wochenende stattgefunden hat, wird es gelingen, dem IS sozusagen alle Energie zu entziehen. Über die Geldflüsse, über die sie eben berichtet haben, aber auch insbesondere über die Unterstützung von anderen sunnitischen Staaten, insbesondere sunnitischen Bevölkerungsgruppen im Irak und in Syrien. Dennoch findet ein Kampf statt und der wird von Deutschland aus mit unterstützt, zum Beispiel die Peschmerga im Nordirak.

Oster: Die Terrorgruppe Islamischer Staat wird sich aber mit den Europäern und irgendwelchem nicht an einen runden Tisch setzen, um Lösungen zu diskutieren. Wie anders als militärisch will man eigentlich verhindern, dass der IS sich weiter ausbreitet und sein Netzwerk bis nach Europa hinein zieht? Glauben Sie wirklich, Finanzierung könnte das schaffen, das Stoppen der Geldquellen?

Mützenich: Das kann nur ein Teil sein und wir sehen ja zum Beispiel, dass sich dieser Islamische Staat territorial ausbreitet, in dem er auch Lösegeldforderungen, Menschenhandel betreibt, Drogenschmuggel, aber eben auch letztlich scheinbar von Gruppen unterstützt wird, die es in arabischen Staaten gibt. Deswegen ist es zum Beispiel auch gut, dass Saudi-Arabien endlich bereit ist, sich an einer politischen Lösung zu beteiligen, denn in Syrien findet auch ein Stallvertreterkrieg statt. Dort werden die kämpfenden Truppen auf allen Seiten eben auch von Regionalmächten unterstützt. Und deswegen nochmal: Ich glaube, es ist gut, dass gerade Deutschland es in der Syrienkonferenz geschafft hat, USA und Russland, aber auch andere Länder zu überzeugen. Am Ende zählt nur eine gemeinsame politische Lösung vor Ort.

Oster: Hollande hat gestern angekündigt, er wolle heute bei Treffen der EU-Verteidigungsminister um Unterstützung bitte. Ich meine, es sind die Verteidigungsminister. Was könnte er denn von denen anderes wollen, als auch militärische Unterstützung?

Mützenich: Das müssen wir abwarten. Deswegen will ich nicht spekulieren, insbesondere, weil ja schon genügend spekuliert worden ist in den letzten Stunden von dem ein oder anderen angeblichen Experten, der den NATO-Fall schon voraus gesehen hat und vieles andere auch. Ich glaube, die französische Politik ist klug genug zu wissen, was sie letztlich auch von den europäischen Partnern auch verlangen kann. Vielleicht ist es am Ende auch nur eine Beratung. Das ist nicht ausgeschlossen. Ich finde aber, wir dürfen nicht kleinreden, was Deutschland und Frankreich in den letzten Tagen, aber auch in den letzten Monaten immer wieder gemacht haben. Von polizeilichem, geheimdienstlichen Austausch, aber auch insbesondere von einer politischen Zusammenarbeit, die ja auch darauf ausgerichtet ist, in Europa wieder Sicherheit zu schaffen, vom Ukraine-Konflikt, bis hin in den Nahen und Mittleren Osten. Und da gibt es eine große Einigkeit.

Oster: Der französische Regierungschef sagt, wir wissen, dass weitere Operationen geplant sind, nicht nur in Frankreich, sondern auch gegen andere europäische Länder. Spätestens dann, wenn auch in Deutschland auch ein Anschlag passiert, werden wir dann nochmal anders nachdenken, was glauben Sie, vielleicht auch militärisch?

Mützenich: Das sind solche Fragen, wo sie nicht eine abschließende Antwort geben können. Aber ich finde, wir müssen doch jetzt zur Zeit alles dafür tun, die Netzwerke aufzudecken, zu versuchen, und das ist ja eben auch offensichtlich, flüchtende Terroristen auch mit geheimdienstlichen, mit polizeilichen Methoden zu identifizieren. Da findet eine Zusammenarbeit statt. Und ich glaube, das, was eben auch besprochen worden ist, nämlich die Möglichkeit der Einschränkung solcher Gruppen auch in unseren Gebieten und der Zusammenarbeit, das lohnt sich, darüber auch stärker nachzudenken. Ich glaube, das ist die richtige Richtung.

Oster: Rolf Mützenich war das, der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende und Außenpolitiker zur Frage, was nützt es, wenn man militärisch gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat vorgehen würde und wie weit müsste eigentlich die deutsche Solidarität gehen.