Mützenich übt Kritik an Kiew

Interview mit Dietmar Ringel
Veröffentlicht: 
rbb inforadio, 20.01.2015
Thema: 
Mobilmachung

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Rolf Mützenich warnt angesichts der Mobilmachung in der Ukraine vor einer neuen Eskalation. Alle Beteiligten müssten sich ihrer Verantwortung bewußt werden: Russland könne sich nicht länger heraushalten, dem ukrainischen Präsidenten hingegen müsse klargemacht werden, dass es keine militärische Lösung geben könne.

Der ohnehin brüchige Waffenstillstand in der Ost-Ukraine hat weitere Risse bekommen. Bei Kämpfen um den Flughafen von Donezk gab es zahlreiche Todesopfer. Zuvor waren mehrere Zivilisten beim Beschuss eines Busses ums Leben gekommen. Nun hat die Ukraine 50.000 Reservisten einberufen, weitere 50.000 sollen folgen. Ihr Einsatzgebiet: Der umkämpfte Osten des Landes. Und der ukrainische Präsident Poroschenko kündigt an: Man werde kein Stück des ukrainischen Territoriums aufgeben.

"Ein Schritt weg von der Minsker Vereinbarung"

Rolf Mützenich ist stellvertretender SPD-Fraktionschef im Bundestag und unter anderem zuständig für die Außenpolitik. Er sieht die Entwicklung in der Ukraine mit wachsender Sorge: "Wir sehen zur Zeit ein Eskalationspotential, was möglicherweise auch letztlich über den begrenzten Konflikt auch in Zukunft hinausgehen könnte. Und darüber sollten sich auch die Akteure im Klaren sein."

Aus Moskau heißt es, der verstärkte ukrainische Militäreinsatz würde die Hoffnung auf eine diplomatische Lösung - vor allem auf einen neuen internationalen Gipfel - zerstören. Eine Einschätzung, die Mützenich teilt: Es sei mit Sicherheit ein weiterer Schritt weg von der Minsker Vereinbarung - aber möglicherweise auch weg von einem möglichen neuen Gipfel in Astana.

Absage an Waffenforderungen

Es geht schlicht nicht voran in den Friedensbemühungen. Die Schuld daran sieht Mützenich bei sämtlichen Akteuren des Konfliktes: "Ich glaube schon, dass alle Verantwortung tragen." Russland könne Einfluss auf die Separatisten nehmen, tue es aber nicht. Der Ukraine und ihrem Präsidenten auf der anderen Seite müsse man klar machen, dass es in diesem Konflikt keine militärische Lösung geben könne. "Deswegen versuchen wir ja gerade von Seiten der Deutschen Außenpolitik, mit diplomatischen, zivilen Mitteln auf alle einzuwirken. Denn am Ende kann auch nur eine politische Lösung tragen", so Mützenich.

Deswegen habe Deutschland der Forderung der Ukraine nach Waffenlieferungen auch eine deutliche Absage erteilt: "Das wäre auch ein falsches Signal. Es verbietet sich, einseitig für einen Konfliktakteur Partei zu nehmen." Stattdessen wird sanfter Druck auf die Ukraine ausgeübt: Dringend benötigte finanzielle Hilfe gibt es nur, wenn sich etwas bewegt. "Wir haben die Hilfen an politische Kompromissfähigkeit angelegt", so Mützenich. Der ukrainische Präsident sei bei seinem Besuch nicht sehr glücklich gewesen, dass man politische Fortschritte sehen wolle.