"Der Konflikt ist viel zu weit gegangen"
Angesichts des wachsenden internationalen Drucks hat Russlands Präsident Wladimir Putin seine "volle Kooperation" bei der Aufklärung des mutmaßlichen Flugzeugabschusses in der Ortsukraine zugesagt. Jetzt muss er seine Zusagen auch einhalten, forderte Rolf Mützenich (SPD) auf WDR 2.
"Putin muss einhalten, was er zugesagt hat"
Dr. Rolf Mützenich war von 2009 bis 2013 außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Seitdem ist er stellvertretender Fraktionsvorsitzender für die Bereiche Außenpolitik, Verteidigung und Menschenrechte. Im Gespräch auf WDR 2 erklärte er: "Putin wird in diesen Stunden beweisen müssen, was er Bundeskanzlerin Merkel zugesagt hat - nämlich, dass er Einfluß nimmt, dass eine internationale, unabhängige Untersuchung und Beobachtung möglich ist. Auf der anderen Seite wird eine Messlatte sein, ob sich Russland der UN-Resolution abschließen wird, die Australien eingebracht hat, die genau dieses Thema zur Grundlage hat." (Anm. der Redaktion: Der australische Entwurf fordert von allen Beteiligten, insbesondere den prorussischen bewaffneten Separatisten, in deren Machtbereich die Absturzstelle liegt, eine uneingeschränkte Zusammenarbeit mit den internationalen Behörden.)
"Die Kräfte zurückrufen, die Russland losgelassen hat?
Der Absturz sei Teil einer internationalen Krise um die Ukraine, an deren Ausgang die völkerrechtswidrige Annexion der Krim gestanden habe, führte Mützenich weiter aus. Die Bundesregierung habe immer vor diesen Folgen gewarnt, obwohl eine solche Katastrophe wie die des Flugzeugabsturzes nicht voraussehbar gewesen sei. "Nun kommt es darauf an, dass Putin endlich begreift, wir brauchen politische Lösungen, politische Verabredungen. Und er muss insbesondere diejenigen zurückrufen, die er losgelassen hat: die Separatisten, die im Osten der Ukraine weiter destabilisieren, auch militärisch destabilisieren."
"Der Konflikt ist schon viel zu weit gegangen"
Die bereits verhängten Sanktionen hätten bereits eine gewisse Wirkung gezeigt, so Rolf Mützenich weiter: "Der Rubel ist abgewertet worden, wir haben einen wirtschaftlichen Einbruch, auch an den russischen Aktienmärkten - mit Rückwirkungen auch auf Europa." Dies sei auch Russland klar. Nun käme es allerdings darauf an, dass Präsident Putin einhalte, was er zugesagt habe. Denn: Was bislang an Warnungen und auch Verabredungen ausgesprochen worden sei, habe nicht geholfen. "Der Konflikt ist schon viel zu weit gegangen. Es wird mit Sicherheit zu massiven Verschlechterungen der Beziehungen kommen und das wird auch Rückwirkungen auf die europäische Sicherheit haben."
Interview im Wortlaut:
Tom Hegermann: Es wird immer alles noch schrecklicher nach dem Abschuss eines Malaysischen Passagierflugzeugs mit fast 300 Menschen an Bord über der Ukraine. Der Flugschreiber ist wahrscheinlich von pro-russischen Kräften längst beiseite geschafft worden. Systematische behindern sie außerdem jeden Versuch der Aufklärung vor Ort und inzwischen, auch wenn das nur ein Randthema ist, wurde bekannt, dass Kreditkarten der Opfer gesperrt werden mussten, wie die offenbar von Dieben zum Bezahlen genutzt wurden.
Am Telefon ist der Außenpolitikexperte und stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich. Schönen guten Tag, Herr Mützenich.
Rolf Mützenich: Guten Tag, Herr Hegermann.
Hegermann: Herr Mützenich, wenn irgendjemand Druck auf diese Rebellen ausüben kann, dann ist es der russische Präsident Putin. Was erwarten Sie von dem in dieser Situation?
Mützenich: Er wird in diesen Stunden beweisen müssen, das war er der Bundeskanzlerin zugesagt hat, nämlich, dass er Einfluss nimmt, insbesondere, dass eine internationale unabhängige Beobachtung und Untersuchung auch gewährleistet ist. Und auf der anderen Seite wird eine Messlatte sein, ob Russland sich einer Sicherheitsratsresolution anschließen wird, die Australien vor wenigen Stunden eingebracht hat, die genau dieses Thema auch zur Grundlage hat.
Hegermann: Putin ist ja längst heute Morgen mit einer eigenen Videobotschaft in die Offensive gegangen und hat gesagt: ?Die Flugzeugtragödie darf nicht für politische Zwecke missbraucht werden.? Damit meint er den Westen. Damit meint er auch Politiker wie Sie.
Mützenich: Wir wollen es nicht missbrauchen. Es ist längst eine internationale Krise geworden, an deren Ausgang sozusagen die völkerrechtswidrige Annexion der Krim gestanden hat. Die Bundesregierung hat immer vor diesen Folgen gewarnt. Natürlich konnte man diese schreckliche Katastrophe des Flugzeugabsturzes nicht voraus sehen, aber jetzt kommt es insbesondere darauf an, dass Putin endlich begreift, dass wir politische Verabredungen, politische Lösungen brauchen. Und er muss insbesondere diejenigen zurück rufen, die er losgelassen hat, die vor allem in der Ostukraine destabilisieren, einschließlich militärischer Destabilisierung.
Hegermann: Aber das, was Sie gerade tun ? appellieren ? hat bisher nicht geholfen. Was noch nicht einmal geholfen hat, sind massive Wirtschaftssanktionen des Westens. Was kann helfen, um Putin umzustimmen?
Mützenich: Die Sanktionen haben ja letztlich in Russland schon eine gewisse Wirkung gehabt. Der Rubel ist abgewertet worden. Wir haben durchaus auch einen wirtschaftlichen Einbruch gesehen, auch an den Aktienmärkten. Das hat schon eine gewisse Wirkung, auch natürlich Rückwirkung auf Europa. Russland ist das klar, insbesondere auch Präsident Putin. Deswegen wird es in der Tat in den nächsten Stunden darauf ankommen, dass er das umsetzt, was er auch zugesagt hat.
Hegermann: Wenn jetzt nichts passiert, wohin kann dieser Konflikt noch führen?
Mützenich: Dieser Konflikt ist sowieso schon viel zu weit gegangen. Und alles das, was an Warnungen und Verabredungen ausgesprochen wurde, - darauf haben Sie hingewiesen,- in der Tat, hat nicht geholfen. Es wird mit Sicherheit zu massiven Verschlechterungen der Beziehungen kommen und das wird auch Rückwirkungen auf die europäische Sicherheit haben.