"Ich hoffe auf einen Dialog mit der Linkspartei2
Markus Decker: Rolf Mützenich, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, fordert allerdings mehr Nähe zur "Realität" als Voraussetzung für eine Zusammenarbeit.
Herr Mützenich, der Bundestag soll entscheiden, ob die Bundeswehr die Vernichtung syrischer Chemiewaffen eskortiert. Was erwarten Sie von der Linken?
Rolf Mützenich: Ich erwarte von der Fraktion Die Linke insbesondere die Würdigung, dass wir jetzt mit der großen Koalition entschieden haben, nicht nur die chemischen Substanzen in Deutschland zu vernichten, sondern dafür Sorge zu tragen, die Chemiewaffen in einem multinationalen Verband zu sichern und ihre Vernichtung sicher zu machen. Das ist ein wichtiger Beitrag zu der Erwartungshaltung, die wir Sozialdemokraten, aber damals auch die Linke an die alte Bundesregierung geknüpft hatten - nämlich bei der Vernichtung mitzuwirken.
Decker: Das heißt, Sie erwarten, dass die Linke zustimmt.
Mützenich: Ich glaube, dass wir der Linken genügend Anhaltspunkte und Begründungen gegeben haben, dass es sich lohnt, das Mandat genau anzuschauen. Ich respektiere erst mal jede Einzelmeinung, die sich gegenüber sich selbst und gegenüber anderen rechtfertigen muss, wenn militärische Mandate im Deutschen Bundestag beschlossen werden. Doch wir müssen hier sehr deutlich machen: Das ist kein Auslandseinsatz, so wie er in der Vergangenheit beschlossen worden ist, sondern ein Einsatz, mit dem wir zur Abrüstung beitragen. Da könnte auch die Linke aus ihrer Verantwortung für Abrüstung und Rüstungskontrolle sagen: Hier stimmen wir zu.
Decker: Die Linke hat sich im März scharf gegen die Ukraine-Politik des Westens gewandt. Wie haben Sie das wahrgenommen?
Mützenich: Das habe ich bedauert, insbesondere weil in diesem Zusammenhang einzelne Regierungen des Westens für die Eskalation verantwortlich gemacht wurden. Wir haben aber mit dem französischen, polnischen und deutschen Außenminister das Blutvergießen auf dem Maidan durch Konfliktmanagement beendet. Ich hätte mir schon gewünscht, dass das auch die Opposition gewürdigt hätte.
Decker: Stattdessen hat Sahra Wagenknecht Frank-Walter Steinmeier "eine zutiefst heuchlerische Außenpolitik" attestiert.
Mützenich: Das finde ich schade, weil sich der deutsche Außenminister bemüht, keine zu schnelle Sanktionierung von Dingen mit zu verantworten und Gesprächskanäle auch gerade zum russischen Außenminister offen zu halten. Das finde ich nicht heuchlerisch, sondern ein Prädikat für eine Entspannungspolitik in wirklich sehr schwierigen Zeiten.
Ihr SPD-Kollege Niels Annen hat mit Blick auf die Linke von geschmacklosen Argumenten gesprochen.
Ich glaube auch, dass die Argumente herbeigezogen wurden. In der Tat ist es zwar richtig, dass Teile der ukrainischen Regierung nationalistisches Gedankengut pflegen. Auf der anderen Seite müssen wir aber akzeptieren, dass diese Übergangsregierung vom Parlament legitimiert ist. Deshalb sollte auch die Linke versuchen, in der Tagespolitik Krisenmanagement zu betreiben und nicht Außenpolitik nach innenpolitischen Reizworten zu durchsuchen.
Decker: Gibt es da überhaupt noch Berührungspunkte mit Ihren Standpunkten? Oder ist das eine komplett andere Welt?
Mützenich: Mich verbinden dort keine politischen Berührungspunkte. Aber dennoch gibt es etwa im Auswärtigen Ausschuss immer wieder welche, mit denen ich Argumente austauschen kann. Ich muss mir das nicht nur anhören. Ich muss auch nachvollziehen können, wie diese Argumentation erfolgt. Dazu bin ich weiterhin bereit. Und ich hoffe, dass mit allen Teilen der Linken ein langfristiger Dialog über die Herausforderungen der internationalen Politik möglich wird. Im Moment ist unser Verhältnis durch die Debatten um Russland und die Ukraine sehr erschwert. Ich will es nicht noch weiter erschweren.
Decker: Also halten Sie Rot-Rot-Grün im Moment für unmöglich?
Mützenich: Eine Koalition muss verlässlich sein. Insbesondere muss sie in dem Sinne verlässlich sein, dass sie Entscheidungen der Vorgängerregierungen mit verantwortet. Einzelmeinungen können wir dann nicht so zulassen wie bei der Linken in den vergangenen Wochen. Gerade internationale Kooperation ist auf Verlässlichkeit angewiesen. Und deswegen ist das noch ein schwieriger Arbeitsprozess, den wir da vor uns haben in den Gesprächen. Man darf keine Opposition in irgendeiner Form ausgrenzen. Der politische Dialog ist wichtig.
Decker: Die linken Linken wollen Nein sagen mit dem Argument, dass ein Ja Türöffnerfunktion für weitere Militär-Einsätze hätte, die die Linke bisher ablehnt. Ist das Angst vor der Realität?
Mützenich: Ich fürchte, dass sich Teile der Linken der Realität nicht stellen wollen. Und ich hoffe, dass sich die Linke diesem Thema noch verantwortungsvoll nähert.