WDR 2 Gespräch zum Syrien-Konflikt: "Schwarzweiß hilft nicht"
Nach der Rückkehr der Chemiewaffen-Inspekteure der Vereinten Nationen aus dem syrischen Bürgerkriegsgebiet soll der Weltsicherheitsrat über eine UN-Resolution gegen das Assad-Regime entscheiden. "Ich hoffe, dass Russland und die Volksrepublik China sich konstruktiv an diesen Gesprächen beteiligen", so Mützenich, der Deutschland aber auch im Fall einer wahrscheinlichen Blockade der Resolution durch die Vetomächte Russland und China nicht zur Untätigkeit verpflichtet sieht. Es gehe neben einem militärischen Eingreifen noch um viele weitere Fragen, beispielsweise die Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen. Bisher sei die Zahl von 5.000 Flüchtlingen, die Deutschland aufnehmen will, noch nicht erreicht. "Wir lassen sie [die Menschen in Syrien] nicht alleine", versprach Mützenich.
Auch die Opposition verhindert eine diplomatische Lösung
Sollte es zu einem Militärschlag gegen das Assad-Regime kommen, sei damit aber noch keine Lösung im Syrien-Konflikt in Sicht, "deswegen rate ich zur Vorsicht", so der SPD-Politiker. Diejenigen, die einen Militärschlag befürworteten, müssten auch erklären, was letztlich das Ziel eines militärischen Eingreifens sei. Erstrebenswert sei noch immer eine diplomatische Lösung der Situation. Dass hier noch keine Fortschritte erreicht worden seien, liege auch an der syrischen Opposition. "Deswegen warne ich nochmal davor: Schwarzweiß - das hilft hier überhaupt nicht weiter", so Mützenich.
Mützenich: Kein Wahlkampfthema
Gefragt, ob das Thema nicht auch im deutschen Wahlkampf Gegenstand der Diskussion werden sollte, antwortete Mützenich: "Das sollte auf gar keinen Fall Wahlkampfthema werden. Die Vergleiche zum Irak hinken." Die Bush-Administration habe zur Rechtfertigung des Irak-Krieges von sich aus Beweise gefälscht. Obama dagegen agiere weiterhin vorsichtig, auch wenn er durch seine eigenen Worte unter innenpolitischen Druck gerate. Die rot-grüne Bundesregierung hatte sich 2003 international gegen eine Invasion des Iraks durch die amerikanischen Verbündeten ausgesprochen.
Interview im Wortlaut:
Tom Hegermann: Offiziell ist noch nichts entschieden. Offiziell soll zumindest noch der Bericht der UN-Inspektoren nach dem Chemiewaffenangriff in Syrien abgewartet werden. Aber gleichzeitig machen die USA und Frankreich und Großbritannien im Grunde genommen nicht einmal mehr die NATO einen Hehl daraus, dass es einen begrenzten, aber sicherlich massiven Einsatz auf Ziele in Syrien geben soll. Rolf Mützenich ist der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und jetzt hier bei mir im Studio.
Auch wenn Großbritannien die Sache ja jetzt noch einmal vor den Weltsicherheitsrat gebracht hat, scheint ja klar, dass es einen solchen Angriff auch ohne im Zweifelsfall UN-Mandat geben soll. Kann das der richtige Weg sein?
Rolf Mützenich: Deswegen ist es ja umso wichtiger, dass Großbritannien wahrscheinlich auch mit Einverständnis der USA, Frankreich und anderer Länder, die zur Zeit im Sicherheitsrat sind, diese Resolution einbringt. Es muss in den P5, also den Vetomächten, verhandelt werden und ich hoffe, dass Russland und die Volkrepublik China sich konstruktiv an diesen Gesprächen beteiligen, weil der Sicherheitsrat ist das Gremium, was über eine mögliche Gewaltanwendung zu entscheiden hat.
Hegermann: Aber es ist ziemlich klar, dass beide Länder einmal mehr ihr Veto einlegen werden. Wenn es dann keine militärische Reaktion gibt, wenigstens nicht mit UN-Mandat geben kann, muss das dann bedeuten, wir lassen die Menschen in Syrien allein?
Mützenich: Nein, wir lassen sie nicht allein. Es geht ja auch um viele andere Fragen. es geht um Flüchtlinge. Wir haben noch nicht einmal die 5.000, die wir aufnehmen wollen hier nach Deutschland, holen können. Viele andere humanitäre Fragen auch. Aber in der tat, ich will nochmal sagen, ich habe den Eindruck, dass es in den letzten Tagen durchaus in Russland auch Überlegungen gibt, weil man weiß, man hat offensichtlich nicht mehr den Einfluss auf das syrische System, sich konstruktiv an den Beratungen der Vereinten Nationen beteiligen will. Insbesondere, weil ja jetzt auch noch der Bericht der Waffeninspekteure abgewartet werden soll.
Hegermann: Aber das zusätzliche Problem ist ja natürlich, selbst, wenn man Assad angreift und schadet, Teile der Opposition, die gegen ihn kämpft, sind um nichts besser als er.
Mützenich: In der Tat. Deswegen rate ich auch hier wirklich zur Vorsicht und nicht heute schon zu vorschnellen Entscheidungen, was dann als zweiter oder dritter Schritt kommt, denn genau diejenigen, die einen Militärschlag befürworten, müssen ja auch erklären, was ist letztlich das Ziel, was verändert es und ist es insbesondere in der Lage, die diplomatischen Bemühungen, die für eine Genf-2-Initiative entwickelt werden, entweder zu stützen oder eher zu schwächen. Und ich finde, diese Diskussion muss in den nächsten Tagen erfolgen. Wir werden am Montag im Auswärtigen Ausschuss mit der Bundesregierung darüber zu reden haben.
Hegermann: Aber noch einmal: wir können also möglicherweise einige Flüchtlinge aufnehmen. Das heißt, wir können möglicherweise ein wenig mehr humanitäre Hilfe leisten. Aber ansonsten können wir nichts tun?
Mützenich: Nein, ich glaube, wir müssen insbesondere den Ansatz wählen, den Kerry, der amerikanische Außenminister und Lawrov, der russische Außenminister, vor mehren Monaten entwickelt haben, wo in der Tat, sich auch beide aus meiner Sicht zu wenig bewegt haben, nämlich eine gemeinsame diplomatische Initiative zu bekommen. Brahimi, der diplomatische Beauftragte der Vereinten Nationen, steht bereits für diese Gespräche auch zur Verfügung. Und es liegt auch an der Opposition in Syrien, dass wir noch keine Fortschritte gemacht haben. Deswegen warne ich nochmal davor: Schwarz-Weiss - das hilft hier überhaupt nicht weiter.
Hegermann: Es gibt ja unterschiedliche Positionen, durchaus auch hier in Deutschland, wie man verfahren soll in den nächsten Wochen und Monaten. bis jetzt habe ich den Eindruck, ist das Thema kein Wahlkampfthema. Soll das so bleiben?
Mützenich: Es sollte nach meinem Dafürhalten auf gar keinen Fall ein Wahlkampfthema werden. Und ich glaube, wir müssen eben auch aufpassen: Die Vergleiche zum Irak hinken. Damals gab es eine Bush-Administration, die, glaube ich, auch so genannte Beweise von sich aus gefälscht hat. Wir wissen nochmal über den Auftritt von Powell. Hier gab es eben auch durchaus Reaktionen in Deutschland. Wir haben uns als rot-grüne Bundesregierung damals bemüht, andere Argumente in die Diskussion einzubringen und ich finde, Obama agiert immer noch sehr vorsichtig. Er wird natürlich auch getrieben von seinen eigenen Worten, aber auch von der Innenpolitik.
Hegermann: Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, zu den Handlungsmöglichkeiten im fall Syrien. Ich danke Ihnen.
Mützenich: Danke Ihnen!