Nassauer: In Deutschland hat das Parlament da keine Mitspracherechte

Interview mit Klaus Remme
Veröffentlicht: 
Deutschlandfunk, Informationen am Mittag, 08.05.2013
Thema: 
Mützenich: Es hätte eine offene, breite Diskussion der Menschenrechtslage in Indonesien gebraucht

Bericht: 104 Leopard-Kampfpanzer, 50 Marder-Schützenpanzer und noch einmal 10 Berge-, Brücken- und Pionierpanzer - es ist ein umfangreiches Rüstungsgeschäft, das jetzt von Seiten der Bundesregierung bestätigt wurde... Zwar bekommen die Indonesier keine nagelneuen Panzer, dennoch...:

Nassauer: Sie bekommen zunächst einmal die Version Leopard-II-A4. Ob diese Version ... noch erheblich aktualisiert wird oder für den Städtekampf sogar spezialisierte Versionen umgerüstet wird, das ist im Moment noch ein bisschen unklar.

Bericht: Politisch ist das Export-Geschäft brisant. Die Menschenrechtslage in Indonesien ist alles andere als lupenrein. Schon die jüngsten Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien und Katar hatten für deutliche Kritik an der Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung gesorgt. In diesem Fall kommt dazu - Berlin war nicht die erste Adresse für Indonesien:

Nassauer: Die Indonesier haben zunächst in Holland angefragt. Die Holländer haben eine modernere Version des Leopard II, nämlich A6, abzugeben. In Holland ist es so, da muss das Parlament gefragt werden... Und das holländische Parlament hat ganz klar signalisiert - Menschenrechtsproblematik, das ist zu riskant, das machen wir nicht.
Daraufhin haben sich die Indonesier an Deutschland gewandt, in dem Wissen, dass in Deutschland das Parlament da keine Mitspracherechte hat. Und die Bundesregierung hat ganz offensichtlich die Bedenken des holländischen Parlamentes nicht so ernst genommen, dass sie nicht bereit wäre, die holländische Entscheidung zu unterlaufen; was natürlich auch ein Signal in Richtung auf die Harmonisierung der europäischen Rüstungsexport-Richtlinien ist. ...

Rolf Mützenich: Ich glaube, das niederländische Parlament war gut beraten, insbesondere solche Rüstungslieferungen noch einmal auf die Menschenrechtsfrage in Indonesien abzuschätzen. Und es ist eben auch zu einer eindeutigen Antwort gekommen.
Ich glaube, wir hätten in Deutschland eine solche offene, breite Diskussion letztlich auch gebraucht, aber scheinbar geht die Bundesregierung hier andere Wege. Sie hat mittlerweile eben Länder identifiziert, mit denen man stärker auch in der Rüstungskooperation zusammenarbeiten will und hat unter Umständen offensichtlich auch hier an Indonesien gedacht.

Klaus Remme: Hätte die SPD in Regierungsverantwortung einen solchen Rüstungsdeal genehmigt?

Mützenich: Die SPD hätte zumindest versucht, die Praxis zu ändern und das Parlament einzubeziehen. Und hier wären Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gewesen, die durchaus Vorbehalte geäußert hätten.

Bericht: Für große Teile der Opposition ist der Indonesien-Panzerdeal ein weiteres Indiz für die veränderte strategische Ausrichtung in der Frage deutscher Rüstungsexporte. In diesem Zusammenhang taucht immer wieder der Begriff Gestaltungsmacht auf. Länder, die bereit sind, sich im Sinne Deutschlands zu engagieren, sollen explizit auch durch Waffenexporte befähigt werden...

Mützenich: Die Bundesregierung hat ein Konzept über die sogenannten Gestaltungsmächte vorgelegt, und das scheint mir doch mehr eine Bedienungsanleitung dafür zu sein, neue Rüstungsgüter in die durchaus wichtigen Länder Indonesien, Brasilien etc. zu liefern. Aber ich finde, hier gehört keine Rüstung hin, sondern eine kluge Diplomatie.