"Es kommt auf beide Konfliktakteure an"
Helmut Rehmsen: "Säule der Verteidigung" heißt die Militärinoffensive, die die Israelis am Mittwoch gegen die Palästinenser im Gaza-Streifen gestartet hat, um den Raketenbeschuss von dort auf israelisches Gebiet zu unterbinden. Die israelische Luftwaffe attackiert seitdem Ziele im Gaza-Streifen und am Boden werden Truppen an der Grenze konzentriert, als Vorbereitung auf einen möglichen Bodenkrieg wie vor vier Jahren. Rolf Mützenich ist Nahostexperte und außenpolitischer Sprecher der SPD, Herr Mützenich, sehen Sie noch irgendwen und irgendwas wie dieser Konflikt zu stoppen ist und seine Eskalation?
Rolf Mützenich: Nun, man muss darauf hoffen. Und insbesondere, wenn der Generalsekretär der Vereinten Nation morgen in die Region reist und auch mit den Akteuren hoffentlich spricht, kann sich daraus andeuten, dass es zumindest eine verhandelte Waffenruhe gibt. Ägypten, Qatar, aber auch die Türkei sind unterwegs, das sind schon wichtige Partner in dieser Frage, aber es kommt dann natürlich auf beide Konfliktakteure an.
Rehmsen: Die EU-Außenminister werden sich heute treffen. Außenminister Westerwelle plant für heute einen Israel-Besuch. Ganz krass gefragt: kratzt das jemanden im Nahen Osten?
Mützenich: Einzelreisen sind immer ein bisschen schwierig, vor allem, wenn man nichts viel mitzubringen hat., beziehungsweise, wenn man auch nicht vermittelt. Ich glaube, es ist auch falsch, wenn sich dann auf einmal zehn Akteure in der Region aufhalten. Deswegen glaube ich, wir sollten uns auf die Gesprächspartner, die insbesondere morgen nochmal versuchen, da zu sein, auch konzentrieren. Aber in der Tat, wir müssen natürlich auch gegenüber der israelischen Regierung durchaus Hinweise darauf geben, dass eine vermittelte Waffenruhe eben letztlich von beiden einzuhalten ist und da müssen auch beide in der Tat Kompromisse machen.
Rehmsen: Wie groß sehen Sie die Gefahr eines Bodenkrieges? Das ist ja, sagen die Militärexperten, auch für Israel ein riskantes, weil verlustreiches Unterfangen.
Mützenich: Sie ist da. Insbesondere wenn man mal vor Ort gewesen ist, weiß man, dass es dann mit Sicherheit ein sogenannter Häuserkampf wird. Und jetzt sind bereits Zivilisten einbezogen und das wird mit Sicherheit zu humanitären Folgen kommen, insbesondere weil die Bevölkerung letztlich schon heute nicht gut versorgt ist. Auf der anderen Seite brauchen wir, politische Gespräche, und wenn es dann stimmt, dass in der vorvergangenen Woche tatsächlich Gespräche zwischen der israelischen Regierung, Hamas, und Islamischer Dschihad eine Waffenruhe möglicherweise schon hätte vereinbaren können und Israel wenig drauf reagiert hat, dann ist das schon eine Fragestellung die eben an beide gerichtet sein muss.
Rehmsen: Wird man nicht immer mit Krieg in dieser Region rechnen müssen, solange die Palästinenser ohne Perspektive sind?
Mützenich: In der Tat! Deswegen sollte auch die Europäische Union, sollte auch der deutsche Außenminister alles unternehmen, diejenige Seite in Palästina zu unterstützen, die weiterhin für Frieden eintritt. Das ist nach meine Dafürhalten Ministerpräsident Fayyad, Präsident Abbas und sie werden wahrscheinlich Ende des Monats in den Vereinten Nationen einen Antrag auf Nichtstatus eines Staates letztlich dort stellen und das ist eine Herausforderung. Das wäre es schon wichtig, dass Deutschland nicht in einem Reflex ablehnt, sondern auch zu Gesprächen bereit ist. Dafür wünsche ich mir auch eine kluge deutsche Außenpolitik.
Rehmsen: Guido Westerwelle - wir haben es vorhin hier in der Sendung gehört - sagte, jetzt ist erst mal Hamas am Zug. Ist das dieser Reflex, den Sie meinen?
Mützenich: Ja! Natürlich ist die Hamas verantwortlich, insbesondere für die Raketenangriffe. Auf der anderen Seite, wenn es tatsächlich, wie behauptet worden ist, in der israelischen Zeitung Ha`aretz, eine Waffenruhe gegeben hat, die sozusagen unterschriftsreif vorlag und die israelische Regierung nicht bereit gewesen ist, sie zu unterzeichnen, dann stellen sich schon Fragen. Und ich finde, wenn man Freundschaft pflegt, dann muss man auch ein deutliches Wort sagen dürfen.
Rehmsen: Die Diplomatie ist am Zug und hoffentlich hat sie eine Chance. Rolf Mützenich sieht jedenfalls diese Chancen, er ist außenpolitischer Sprecher der SPD und Nahostexperte. Danke!
Mützenich: Danke, Herr Rehmsen.