Mützenich: Deutsche Außenpolitik nur noch ein Schatten ihrer selbst
Zusammenfassung:
Im rbb-Inforadio sagte er am Dienstag, die Unesco sei eine internationale Sonderorganisation, die sich um Bildung kümmere. Er halte es für richtig, dass Palästina dort Mitglied sei, wenn es langsam eine eigene Staatlichkeit aufbaue.
Gleichzeitig kritisierte Mützenich das deutsche Nein zu einer Aufnahme Palästinas in die UNESCO. Deutschland habe durch seine Ablehnung verhindert, dass Europa mit einer gemeinsamen Stimme spreche.
Mützenich weiter: "Offenbar ist die deutsche Außenpolitik nur noch ein Schatten ihrer selbst. Wir haben uns damals immer bemüht, eine gemeinsame europäische Stimme herzustellen. Die ist endgültig verschüttet. Das halte ich für einen großen Fehler."
Außerdem kritisierte Mützenich die USA, die jetzt die UNESCO nicht mehr finanziell unterstützen wollen. "Es ist genau die falsche Reaktion, wenn man sich beleidigt zurückzieht und auch letztlich das Geld zurückhält. Das ist keine kluge Politik. Die USA tun überhaupt nicht gut daran, diesen Konflikt so zu verschärfen."
Interview im Wortlaut:
Angela Ulrich: Deutschland hat argumentiert, man wolle der UNO-Entscheidung für oder gegen eine Vollmitgliedschaft der Palästinenser nicht vorgreifen. Daher jetzt auch das Nein in der UNESCO gegen die Palästinenser... Leuchtet Ihnen das als Begründung ein?
Rolf Mützenich: Das überzeugt mich nicht, denn die UNESCO ist eine Sonderorganisation mit eigener Mitgliedschaft... Da geht es um Bildung, um Wissenschaft, genau um zivile Projekte, die wir in Palästina fördern wollen.
Zum anderen, was ich genauso bedaure, ist, dass Europa wieder nicht gemeinsam votiert hat. Es gibt Länder, die dafür waren, die sich enthalten haben. Deutschland hat dagegen gestimmt und nach Berichten, die uns vorliegen, hat das auch in den Vorbesprechungen genau eine gemeinsame Linie der Europäischen Union verhindert.
Ulrich: Bringt eine UNESCO-Mitgliedschaft die Palästinenser weiter bei ihrem Ziel, UN-Mitglied zu werden?
Mützenich: Das könnte unter Umständen sein. Aber auf der anderen Seite will ich darauf hinweisen, die UNESCO ist eine Sonderorganisation, die in der Tat weltweit organisiert ist ... und sich um Bildung kümmert. Ich halte es für richtig, dass wenn Palästina eine eigene Staatlichkeit langsam aufbaut, dass man auch dort Mitglied ist.
Ulrich: Sind Sie enttäuscht, dass Deutschland da den Palästinensern nicht den Rücken stärkt?
Mützenich: Ja, insbesondere, weil ich glaube, dass man dies mit Themen belastet, die überhaupt nicht zueinander gehören. Das war ein großer Fehler letztlich gewesen. Scheinbar ist die deutsche Außenpolitik nur noch ein Schatten ihrer selbst. Wir haben uns damals immer bemüht gehabt, eine gemeinsame europäische Stimme herzustellen, und die ist endgültig verschüttet. Das finde ich einen großen Fehler.
Ulrich: Wie steht es um die UNESCO an sich? Denn wenn die USA ... den Geldhahn zudrehen, dann fällt immerhin ein Fünftel des Etats weg, das heißt, die Arbeitsfähigkeit ist ganz schön eingeschränkt.
Mützenich: Auf jeden Fall. Ich glaube, darüber muss man auch in den Gremien, da müssen wir im Deutschen Bundestag noch einmal reden, aber auch innerhalb der Europäischen Union, ob möglicherweise Mittel, die jetzt gesperrt werden, kompensiert werden können. Das sind wichtige Fragen.
Ich glaube, das ist genau die falsche Reaktion dass, wenn man sich eben vielleicht zurückzieht, auch letztlich das Geld zurückhält. Das ist keine kluge Politik, und die USA tun überhaupt nicht gut daran, diesen Konflikt so zu verschärfen.
Ulrich: Jetzt hat aber Obama sagen lassen, dass er gar nicht anders kann, es gäbe Gesetze, dass man kein Geld geben darf für Organisationen, die mit Palästinensern zusammenarbeiten. Was heißt das für Obama, für seine Politik?
Mützenich: Dann muss man Gesetze ändern. Das ist die Möglichkeit von Gesetzen, und er muss die Demokratische Partei zum Beispiel überzeugen, einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen, denn dass er eine Mehrheit hat, das scheint mir zum jetzigen Zeitpunkt nicht der Fall zu sein, und wir kommen genau in die Präsidentschaftswahl. Wir sehen auf republikanischer Seite, dass das Thema Israel, Palästina in den Vorwahlkämpfen benutzt wird. Das ist eine schwierige Situation. Deswegen sollten wir uns überlegen, ob wir in dieser Situation möglicherweise die UNESCO weiter stärken können ..., damit die ihre Arbeit tun können.