Außenpolitikexperte Rolf Mützenich: Umbruch ist nicht mehr zu stoppen
Jürgen Mayer: Es ist nur ein Symbol, aber dieses Symbol zeigt auch, dass die Revolution in Libyen offenbar nicht mehr zu stoppen ist. In der Nacht ist der Übergangsrat in der Hauptstadt Tripolis eingetroffen. Das sind die neuen Minister, die das Land in eine neue Zukunft führen sollen, in eine Zukunft ohne Gaddhafi. Die Frage stellt sich nun: was sind das für Leute, die nun Libyen führen werden? Rolf Mützenich ist im Studio. Er sitzt für die SPD im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages in Berlin.
Herr Mützenich, was weiß man denn über diese künftigen Machthaber?
Rolf Mützenich: Wir wissen nicht so viel. Auf der anderen Seite kennen wir einzelne Personen, andere sind noch nicht bekannt, angeblich auch aus Sicherheitsgründen. Aber es gibt eben auch dort Akteure, die auch in der Vergangenheit hier in Europa unterwegs gewesen sind, zu denen man unter Umständen auch verlässliche Beziehungen aufbauen können wird. Andererseits dürfen wir nicht vergessen, trotz der Symbolik, es wird noch heftig gekämpft und wir müssen auch die nächsten Tage versuchen, alles zu unternehmen, dass es keine humanitäre Katastrophe in Libyen gibt, wie es sie auch in den vergangenen Wochen an einzelnen Stellen möglicherweise schon gegeben hat.
Mayer: Die Rebellen haben ja stets beteuert, eine Demokratie und einen Rechtsstaat aufbauen zu wollen, aber jetzt zum Beispiel gibt es ein Kopfgeld, was auf Gaddhafi ausgesetzt ist, tot oder lebendig. Kann man denn mit solchen Leuten überhaupt ernsthaft verhandeln?
Mützenich: Das ist schwierig. Insbesondere muss man auch offene Worte finden und ich würde mir das auch wünschen, nicht nur von einzelnen Regierungen, sondern mein Interesse ist, dass wir insbesondere als europäische Staaten, als europäische Regierung innerhalb der Europäischen Union uns abstimmen auch über den Weg und nicht wie in der Vergangenheit Sonderbeziehungen unternehmen. Und wir haben ja erfahren, dass damals Gaddhafi in einzelnen Regierungssitzen auch sein Zelt aufbauen durfte. Keine bilateralen Beziehungen sondern abgestimmte und ich glaube, innerhalb dieses Verhältnisses kann sich auch Deutschland dann entsprechend aufstellen.
Mayer: Nun wissen natürlich auch die neuen Machthaber in Libyen, dass Deutschland sich nicht beteiligt hat bei diesem Kampf, dass Deutschland sich dem NATO-Einsatz verweigert hat. Bringt uns das nun Nachteile ein?
Mützenich: Langfristig, glaube ich, eher nicht, wenn wir insbesondere innerhalb von Institutionen versuchen zu arbeiten. Ich habe die Europäische Union genannt, die Vereinten Nationen, aber auf der anderen Seite wissen sie natürlich auch um die Rolle Deutschlands. Und ich glaube, es wäre insbesondere ratsam, wenn der Außenminister sich nicht wie am Montag dorthin stellt und einen großen Anteil Deutschlands am Sturz Gaddhafis für sich reklamiert. Ich glaube, das wirkt dann doch schon etwas kopfschüttelnd auch in Tripolis und an anderen Stellen.
Mayer: Der Verteidigungsminister lässt heute wissen, er meint, Libyen wird keine deutschen Soldaten brauchen, auch nicht für den Wiederaufbau. Sind Sie da der gleichen Meinung?
Mützenich: Das mag sein. Insbesondere kommt es darauf an, was die Vereinten Nationen möglicherweise auch beschließen, welche Anforderungen gemacht werden, aber der Verteidigungsminister muss natürlich auch eingestehen, dass er offensichtlich ein bisschen wegen schlechtem Gewissen sehr frühzeitig, schon am Sonntag/Montag dieser Woche, eben diese Soldaten angeboten hat und jetzt rudert er wieder zurück. Ich finde das nicht sehr konsistent und ich glaube, die Bundesregierung sollte sich erstmal untereinander einig sein.
Mayer: Und wenn die UNO zum Beispiel deutsche Soldaten anfordern sollte, wäre dann die SPD dabei?
Mützenich: Das müssen wir dann genau schauen. Insbesondere kommt es auf das Mandat an, wo sind wir eingebunden, was macht die Europäische Union, aber ich glaube, in Zukunft wird es insbesondere darum gehen, nicht nur auf Libyen zu achten, sondern insbesondere auf Tunesien, auf Ägypten. In Tunesien wird gewählt, unmittelbar an der Grenze fast eine Million Flüchtlinge und ich glaube, da müssen wir Unterstützung leisten, eben nicht mit Militär, sondern insbesondere mit zivilen Kräften, mit ziviler Aufbauhilfe.
Mayer: Wie geht's weiter in der arabischen Welt und speziell in Libyen? Rolf Mützenich war das, live im WDR 2-Studio.