Deutsche Islamisten in Pakistan getötet

Interview mit mit Stefan Rupp und Christoph Azone
Veröffentlicht: 
Radio Eins, 06.10.2010
Thema: 
Zu dem amerikanischen Drohnenangriff im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet

Radio 1: Deutsche Islamisten wurden vermutlich durch CIA-Drohnen in Pakistan getötet. Die Bundesregierung sieht keinen Grund gegen die gezielte Tötung von 8 Deutschen in Pakistan zu protestieren. Zwar gibt's erste, leise Kritik am Prinzip des Drohnenkriegs: Mit dem die USA weltweit gezielt Gegner ausschalten können - nicht aber daran, dass unser NATO-Verbündeter ohne Rücksprache mit Deutschland Bundesbürger umbringt. Wir sprachen mit Dr. Rolf Mützenich, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

Auch heute wieder ist der Aufstand der Anständigen ausgeblieben. Die Bundesregierung sieht bislang keinen Grund zu protestieren gegen die gezielte Tötung von acht Deutschen in Pakistan. Zwar hört man erste leise Kritik am Prinzip des US-Drohnenkrieges, mit dem die USA weltweit gezielt Gegner ausschalten, aber offenbar stört es keinen, dass unser NATO-Verbündeter ohne Rücksprache mit Deutschland im Ausland Bundesbürger umbringt.

Ob die SPD das auch für ganz normal hält, soll uns Dr. Rolf Mützenich verraten, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Herr Mützenich, verlieren Deutsche Ihrer Ansicht nach sämtliche Grundrechte, sobald sie in Pakistan unter Terrorverdacht geraten?

Rolf Mützenich: Nein, auf gar keinen Fall. Im Grunde genommen ist dieser Drohnenangriff ja auch nicht das erste Mittel der Wahl in einer solchen Situation. Ich kann dazu die näheren Umstände noch nicht einschätzen, weil die Informationen ja sehr vage und teilweise auch sehr widersprüchlich sind, sowohl was die Zahl, aber auch, was die Identität der dort getroffenen Menschen betrifft. Aber der entscheidende Punkt ist natürlich, der, dass wir beantworten bekommen müssen, ob es sich hier um eine Gefahrenabwehr gehandelt hat.

Radio 1: Na, das ist ja interessant. Ich meine, soweit das Außenministerium uns bisher informiert hat, haben die acht Deutschen niemanden angegriffen. Sie sollen von einer unbemannten Drohne in einem unzugänglichen Gebiet mit Raketen beschossen worden sein. Kann das wirklich sein, dass unser Bündnispartner, also die USA, Deutschland nicht zuvor über einen solchen Einsatz informiert hat?

Mützenich: Nun, das muss die Regierung beantworten. Ich im Parlament habe diese Information so noch nicht vorliegen. Der entscheidende Punkt: ? deswegen habe ich ja dieses Kriterium benannt, - was das humanitäre Völkerrecht unter Umständen im Einzelfall dann zulassen würde, wenn es sich um eine Gefahrenabwehr handeln würde, weil diese Personen nicht anders eben auch polizeilich-militärisch festgesetzt werden könnten. Aber das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt jetzt auch nicht endgültig bewerten.

Radio 1: Was sollte denn das Außenministerium den Familien der Opfer sagen? Dass die Rechtsstaatsgarantie "in dubio pro reo" - "Im Zweifel für den Angeklagten" - bei Terrorverdacht leider nicht gilt, oder dass die USA in Deutschland durch die Hintertür das Standgericht und die Todesstrafe wieder eingeführt haben?

Mützenich: Nein. Natürlich muss die Bundesregierung, müssen die betroffenen Stellen mit den Familienangehörigen darüber sprechen. Es muss auch aufgeklärt werden über mögliche Rechtsmittel in diesem Zusammenhang. Aber - nochmal - die Situation muss entsprechende eingeschätzt werden. Das kann man wahrscheinlich nur aufgrund der Informationen, die in den nächsten Tage dazu herein kommen werden. Das ist ein entscheidendes Element. Das muss die Bundesregierung tun. Aber auf der anderen Seite ist das natürlich auch eine Konsequenz der leichtfertigen Wortwahl aus den vergangenen Monaten, wo ja teilweise medial das ja sehr stark unterstützt worden ist, dass es sich hier leichtfertig sozusagen um einen Krieg handelt. Da nimmt man offensichtlich auch bestimmte Instrumente leichtfertig in Kauf. Also, dieser Debatte muss sich nicht nur eine Regierung, muss sich nicht nur das Parlament stellen, sondern muss sich eben auch die Öffentlichkeit stellen, die manchmal sehr leichtfertig mit Begriffen umgeht.

Radio 1: Was sagen Sie denn zur Informationspolitik des Bundesaußenministeriums, auch was das Einfordern von Informationen aus den USA angeht? Man gibt sich ja dort sehr uninformiert. Was sagt das aus über Bundesminister Westerwelle?

Mützenich: Es sagt zumindest erst Mal aus, dass es eine amerikanische Aktion gewesen ist, die offensichtlich dort im Grenzgebiet auch stattgefunden hat. Ob überhaupt ISAF in dem Zusammenhang einbezogen gewesen ist, ist ja auch noch eine weitere Frage. Aber der entscheidende Punkt wird natürlich sein, was wird die Bundesregierung in den nächsten Tagen, in den nächsten Wochen, auch an Information gegenüber dem Parlament kund tun. Das sagt nicht unbedingt etwas über Herrn Westerwelle aus, aber was für mich natürlich eine entscheidende Frage ist, ist: Wie geht es in Afghanistan weiter? Das muss der Außenminister beantworten und da scheint mir die Außenpolitik Deutschlands ein bisschen zu zurückhaltend zu sein.

Radio 1: Weiterhin keine Information zur angeblichen Tötung von acht Deutschen in Pakistan. Sie hörten dazu Dr. Rolf Mützenich, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Dankeschön, Herr Mützenich!

Mützenich: Danke auch, alles Gute!