Mützenich mahnt Reform der UNO an
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, fordert eine Reform der UNO. Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sollten beispielsweise Regionalorganisationen wie die Europäische Union vertreten sein. Skeptisch beurteilt er die Bemühungen Deutschlands um einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat.
Jörg Degenhardt: Ein Handschlag hier, ein freundliches Nicken dort - die Kanzlerin in New York, eine Rede hat sie auch gehalten. In erster Linie galt Angela Merkels Besuch dem Millenniumsgipfel der UNO; nebenbei aber warb sie mehr oder weniger diskret für Deutschlands Vorhaben, wieder in den Sicherheitsrat einzuziehen. Im Oktober entscheidet die Generalversammlung über die neuen Mitglieder. 2003/2004 saß Deutschland zum letzten Mal in diesem Gremium. Der Sicherheitsrat trägt der UN-Charta zufolge die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Neben den fünf ständigen Mitgliedern - USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China - gehören der Runde für jeweils zwei Jahre weitere zehn nichtständige Mitglieder an.
Sollte Deutschland wieder dazugehören und ist dieser Kreis überhaupt noch zeitgemäß? Dazu Fragen an Rolf Mützenich, er ist der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Guten Morgen, Herr Mützenich!
Rolf Mützenich: Guten Morgen, Herr Degenhardt!
Degenhardt: Die Bundesrepublik engagiert sich ohnehin weltweit. Sollte sie da nicht auch noch im Weltsicherheitsrat mitmischen?
Mützenich: Ich persönlich - aber da zähle ich auch zur Minderheit in meiner Partei - bin ein bisschen skeptisch, ob wir alle unsere Kräfte darauf konzentrieren sollen. Nach meinem Dafürhalten wäre es wichtiger, andere Länder an Regeln und Kompetenzen auch der Vereinten Nationen stärker heranzuführen, größere Länder, die auch Verantwortung übernehmen wollen - ich denke insbesondere an die Südhalbkugel.
Aber auf der anderen Seite glaube ich wäre es auch gut, über Reformen innerhalb der Vereinten Nationen nachzudenken und auch über die Stärkung des Völkerrechts, auch zur Kontrolle des Sicherheitsrats. Das sind die Herausforderungen, die, ich glaube, insbesondere Deutschland, aber auch die Europäische Union annehmen muss.
Degenhardt: Aber Deutschland ist doch auch ein großes Land, immerhin der drittgrößte Beitragszahler der UNO. Ist das nicht schon allein ein Grund für die Mitgliedschaft?
Mützenich: Das ist richtig, aber ich würde einfach nicht nur die Frage des Status in der internationalen Politik über die Mitgliedschaft in Gremien beantworten, sondern eben auch durch die verantwortungsvolle Mitarbeit. Und wir haben ja auch erlebt, dass der ein oder andere in New York zu Recht kritisiert hat, dass wir unsere Ziele nicht erreicht haben. Das gilt auch für Vorgängerregierungen. Und ich meine, wenn wir gute Regierungsführung von anderen einfordern, müssen wir sie auch zeigen, insbesondere in der Einlösung von Zielen.
Degenhardt: Sie sagten es, die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, die Entwicklungsleistungen bis 2015 schrittweise auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern. Zuletzt hat Deutschland 0,35 Prozent erreicht. Eine Empfehlung ist das ja nun nicht gerade für den Weltsicherheitsrat.
Mützenich: Nein, in der Tat, deswegen glaube ich, war der Ritt der Kanzlerin in New York auch relativ schwer gewesen. Ich war nicht dabei unmittelbar, aber der Punkt ist natürlich schon, einige Länder runzeln schon die Stirn, wenn man das eine mit dem anderen auch unmittelbar verbindet. Ich glaube, das ist nicht unbedingt ein richtiger Politikstil.
Auf der anderen Seite noch mal, ich hätte mich gefreut, wenn die Bundeskanzlerin, aber auch die Minister, die jetzt demnächst wieder in New York dort auftauchen, sehr stark doch über die Frage der Reform der Vereinten Nationen nachdenken, die Institution stärken und eben auch das Völkerrecht. Weil wir müssen ja uns auch darüber im Klaren werden: Egal, wer später möglicherweise ein ständiges Mitglied im Sicherheitsrat wird, auch dieser Sicherheitsrat muss in irgendeiner Form kontrolliert, dessen Entscheidungen überprüft werden. Und ich finde, da müssen wir, glaube ich, gerade als ein Land, was sich dem Rechtsstaat, dem Völkerrecht verpflichtet fühlt, auch stärker mitdiskutieren.
Degenhardt: Wir kommen gleich noch zu den Reformdefiziten, die Sie angesprochen haben, Herr Mützenich. Der Bundesaußenminister ist mittlerweile auch in New York, er wird am Samstag ans Mikrofon treten, eine Rede halten, und natürlich auch werben für Deutschlands Sitz im Weltsicherheitsrat. Wie beurteilen Sie denn überhaupt die Aussichten, dass das klappen könnte beziehungsweise, um gleich die Frage nachzuschieben: Wenn es nicht gelänge, wäre das denn eine Schlappe für die deutsche Außenpolitik?
Mützenich: Na ja, wenn man die Latte so hoch hängt und ständig jeden Tag darüber diskutiert, wird man natürlich irgendwann dazu kommen müssen, dies dann auch als Schlappe zu bezeichnen. Wir haben ja offensichtlich zwei Forderungen: einmal diese zweijährige Mitgliedschaft als nichtständiges Sicherheitsratsmitglied, und dann die Frage, ob wir grundsätzlich Mitglied des Sicherheitsrates werden, also zwei Fragen, die sich die Bundesregierung vorgenommen hat. Und der Bundesaußenminister muss schon für sich entscheiden, welche Prioritäten er setzen will. Er will ja auf der einen Seite auch über Abrüstungsfragen sprechen, das ist richtig innerhalb der Vereinten Nationen, aber ich würde mich natürlich freuen, wenn wir insbesondere in Europa bei der konventionellen Abrüstung endlich Erfolge zeigen könnten. Und da ist, glaube ich, die Bühne eher hier gegeben.
Degenhardt: Sie haben es mehrfach angedeutet: Der Weltsicherheitsrat verlangt nach einer Reformierung, die letzte gab es, glaube ich, 1965, so etwas um den Dreh. Sie haben es angesprochen, Länder wie beispielsweise Japan sollten mit hinein in den Weltsicherheitsrat. Was wäre eigentlich mit oder was ist eigentlich mit der Europäischen Union: Sollte die vielleicht auch als Organisation einen ständigen Sitz erhalten?
Mützenich: Das ist ja eine langfristige Forderung, die auch verschiedene Parteien, auch die Sozialdemokratische Partei aufgestellt hat. Ich halte das für das richtige Ziel, dass insbesondere auch regionale Organisationen eine größere Verantwortung bei den Vereinten Nationen bekommen.
Aber ich würde die Reform der Vereinten Nationen nicht allein auf den Sicherheitsrat beziehen, wir haben viele Institutionen, wir haben im Bereich der Sozialordnung eine Institution, wir haben andere Organisationen, die auch der Reform innerhalb der Vereinten Nationen bedürfen. Also das ist schon eine große Aufgabe, und deswegen, glaube ich, wäre eine Konzentration gerade auf die unterschiedlichen Gremien innerhalb der Vereinten Nationen so dringend notwendig, dass wir hier mehr Effizienz hineinbringen. Es ist richtig, dass wir Regierungen in der Welt zu Effizienz auffordern, aber wir müssen auch unseren Beitrag liefern in dieser internationalen Organisation der Vereinten Nationen.
Degenhardt: Aber wenn mehr Länder mitreden, wird es dann nicht schwieriger, Entscheidungen zu finden?
Mützenich: Das mag sein, aber auf der anderen Seite haben wir ja auch gesehen, dass bereits in einem Gremium von 15 Mitgliedsstaaten und gerade auch nur von fünf Veto-Staaten innerhalb des Sicherheitsrates es schwierig wird, zu Entscheidungen zu kommen. Auf der anderen Seite hat aber auch zum Beispiel die Generalversammlung der Vereinten Nationen, wo alle Länder versammelt sind, wichtige Entscheidungen in der Vergangenheit getroffen. Also ich würde das nicht nur an der Zahl messen, sondern insbesondere daran, wie es gelingt, die Vereinten Nationen sozusagen auch wieder zum Mittelpunkt der internationalen Politik zu machen.
Degenhardt: Ist im Weltsicherheitsrat Platz für Deutschland, passt diese Runde überhaupt noch in die Landschaft? Darüber sprach ich mit Rolf Mützenich, dem außenpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Vielen Dank, Herr Mützenich!
Mützenich: Danke für die Einladung!