Mützenich: Wir zweifeln immer mehr an dem, was der Afghanistan-Einsatz in den letzten Jahren verursacht hat
Gerd Breker: Ist eine "Task Force 373", die den Auftrag hat, bestimmte Taliban-Führer und Führer der Aufständischen zu töten, zur Verteidigung unserer Werte und unserer Freiheit am Hindukusch notwendig?
Rolf Mützenich: Mit Sicherheit nicht... Ich habe den Bundesverteidigungsminister gefragt, ob es ähnliche Verbände von deutscher Seite gibt, und dies ist verneint worden...
Breker: Ist das die Wertegemeinschaft NATO?
Mützenich: Nein, und deswegen zweifeln wir ja auch immer mehr ... an dem, was der Afghanistan-Einsatz in den letzten Jahren verursacht hat... Es muss Gespräche geben, es muss insbesondere die Einbindung der regionalen Nachbarn Afghanistans zustande kommen.
Breker: Ein ganz großer Nachbar ist Pakistan. Der pakistanische Geheimdienst hat die Aufständischen, die Taliban schon unterstützt, als die Russen noch in Afghanistan waren. Damals war es dem Westen, insbesondere den Amerikanern, sehr recht. Man hat sich hier also selber eine Gefahr herangezogen?
Mützenich: Auf jeden Fall... Auf der anderen Seite, glaube ich, geht es genau darum, eben zu versuchen, den politischen Rahmen auch für einen Abzug aus Afghanistan zu präzisieren...
Breker: Der Westen ist ja auf Pakistan als Verbündeten angewiesen, andererseits ist Pakistan der Rückzugs- und Ausbildungsraum, auch der Raum für Nachschubwege für die Taliban. Wie kann dieses Dilemma gelöst werden?
Mützenich: Insbesondere (dadurch) ..., dass damals in Heiligendamm das erste Mal erfolgt ist, dass der afghanische und pakistanische Außenministerin doch zusammengekommen (sind)... Ich glaube, genau dies ist auch das Vorgehen, insbesondere gegenüber Pakistan, aber auf der anderen Seite auch andere wichtige regionale Akteure einzubinden. Es ist offensichtlich, dass der pakistanische Geheimdienst eben auch mit Aufständischen zusammengearbeitet hat, sie möglicherweise auch heute noch lenkt. Auf der anderen Seite darf man nicht vergessen, dass der Iran, Indien, aber eben auch die Nachfolgestaaten der Sowjetunion und auch Russland eben Einflussmöglichkeiten in dieser Region suchen, auch haben. Deswegen war es auch richtig gewesen, sowohl in der Kabul-Konferenz, aber auch in der Londoner Konferenz genau dieses politische Vorgehen, was Präsident Obama beschrieben hat, innerhalb der Internationalen Gemeinschaft voranzutreiben.
Breker: Ein Fazit dieser Geheimdokumente ist, dass die Lage in Afghanistan nach neun Jahren Krieg schlechter ist als gedacht - auch im Norden Afghanistans.
Mützenich:... Ich glaube schon, dass es den einen oder anderen auch zivilen Fortschritt in Afghanistan gegeben hat... Auf der anderen Seite müssen wir natürlich konzedieren, es ist eine schwierige Sicherheitslage, eine verheerende Sicherheitslage teilweise. Die Bundeswehr kommt mehr und mehr in den Fokus der Aufständischen. Es wird gezielt auch gekämpft. Das sind natürlich Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Und in einer Gesamtbewertung ist es natürlich durchaus so, dass die Sicherheitssituation schwieriger geworden ist, auch dort, wo die Bundeswehr ist.
Breker: Zur Zeit streiten sich der Wehrbeauftragte des Bundestages und der Bundesverteidigungsminister über die Ausrüstung der Bundeswehr in Afghanistan. Der Wehrbeauftragte nennt sie ein "Drama" - hat er Recht?
Mützenich: Das ist auf jeden Fall eine bizarre Auseinandersetzung, die wir seit den letzten Tagen erleben. Nach meinem Kenntnisstand ist im Verteidigungsausschuss immer wieder über die Ausrüstung gesprochen worden. Offensichtlich sind die Ausrüstungsgüter in den letzten Monaten oder Jahren auch verbessert worden... Wir brauchen auf jeden Fall eine Debatte auch im politischen Raum über das, was die Bundeswehr in Afghanistan braucht.
Breker: Saarlands MP Peter Müller hat die Wehrpflicht ein "Stück der Identität der Union" genannt. Das scheint gestern so gewesen zu sein?
Mützenich: Das finde ich eine komische Interpretation... Ich glaube, dass wir insbesondere im Hinblick auf die Wehrpflicht auch Veränderungen erreichen müssen, auf der anderen Seiten verstehe ich überhaupt nicht, warum es diese Debatte innerhalb der CDU in einer solchen Auseinandersetzung gibt. Das belastet doch eigentlich das, was wir brauchen, nämlich Ergebnisse an dieser Stelle.