Wie geht es mit dem Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan weiter?
Bundesaußenminister Westerwelle hat den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr verteidigt. Der Einsatz sei nicht populär aber notwendig. Analyse und Kritik der Westerwelle-Regierungserklärung im Gespräch mit Rolf Mützenich, MdB - SPD, Außen- und Sicherheitspolitiker
Gerd Tille: Rolf Mützenich ist Bundestagsabgeordneter aus Köln für die SPD, Außen- und Sicherheitspolitiker.
Herr Mützenich, Guten Tag.
Rolf Mützenich: Guten Tag, Herr Tille.
Tille: Herr Mützenich, ist das auch die Einsicht, die sich so allmählich im Bundestag breit gemacht macht, Bescheidenheit und realistische Ziele, also bis auf die Frage mit der Geduld?
Mützenich: Ja, auf jeden Fall. Ich meine, es ist natürlich auch oft von Frustration die Rede bei meinen Kolleginnen und Kollegen. Das ist auch etwas, was bei der Regierungserklärung und bei der Debatte darüber deutlich geworden ist. Wir haben nicht die Dinge erreicht, die wir letztlich auch erreichen wollten. Die Sicherheitssituation hat sich mit Sicherheit nicht verbessert, sondern teilweise eben auch verschlechtert. Da haben wir auch drüber berichtet. Und wir wollen jetzt eben mit der Konferenz von Kabul auch sehen, was letztlich an politischen Schritten möglich ist und da fand ich den Außenminister heute doch etwas ohne Leidenschaft.
Tille: Ja, was müsste möglich sein?
Mützenich: Ich glaube, dass insbesondere ein regionales Konzept für Afghanistan erforderlich ist. Da ist in der Londoner Konferenz, die ja immer wieder erwähnt wird, oft darüber gesprochen worden, dass insbesondere die Nachbarstaaten Afghanistans mit dazu bereit sind, überhaupt zur Stabilität beizutragen und Afghanistan eben nicht zu einem Raum zu machen, wo sie ihre Auseinandersetzungen mit anderen Staaten ausführen. Ich nenne hier nur einmal zum Beispiel die Situation zwischen Pakistan und Indien auf der einen Seite, oder auch der Iran, der ja letztlich auch eine Menge Einfluss in Afghanistan hat. Genau über diese regionale Komponente ist nach meinem Dafürhalten heute in der Regierungsklärung zu wenig gesprochen worden.
Tille: Insgesamt hat man aber den Eindruck, dass die Ziele, die Vorstellungen, die wir haben, - die möglicherweise der ganze Westen hat, - dramatisch runtergefahren werden. Wir müssen ausreichend gute Verhältnisse schaffe, bevor wir über Abzugsperspektiven reden können, sagt Guido Westerwelle. Ist derzeit überhaupt ein Weg in diese Richtung ?ausreichend gute Verhältnisse? zu erkennen?
Mützenich: Es gibt zumindest den Ansatz. Zumindest dass die USA bereit sind, auch innerhalb Afghanistans zu einem Dialog mit beizutragen, ihn zumindest zu erlauben. Da hat sich ja auch schon eine Menge geändert. Aber eben auch dass man die Regierung Karsai und auch die verantwortlichen Ministerien eben auch mit in diese Verantwortung nimmt. Darüber wird in Kabul auch zu reden sein und da ist es ganz wichtig, dass insbesondere die Europäischen Staaten dies auch immer wieder fordern. Auf der anderen Seite glaube ich auch, wir müssen mehr auch noch vor Ort mit den Afghanen zusammen arbeiten, insbesondere was den Aufbau betrifft. Ich glaube, es ist der richtige Weg, für den medizinischen Fortschritt in den Gebieten wo die Bundeswehr die Verantwortung trägt, auch mit beizutragen. Und auf der anderen Seite ist ein Abklärungsprozess innerhalb der Bundesregierung notwendig, weil mir ist es in den vergangen Wochen überhaupt nicht klar geworden, dass der Außenminister hier sozusagen die Federführung hat, sondern, nach meinem Dafürhalten besteht doch, zumindest nach meinem Dafürhalten, ein Versteckter Streit, insbesondere zwischen dem Verteidigungsminister Guttenberg und auf der anderen Seite auch dem Entwicklungshilfeminister Niebel.
Tille: Herr Mützenich, am 20. Juli, werden sich die Außenminister treffen zur Afghanistankonferenz in Kabul. Was bringen diese Treffen?
Mützenich: Sie sind auf jeden Fall insbesondere deswegen notwendig, um auch die Forderungen, die aufgestellt worden sind, zu überprüfen. und insbesondere jetzt in Kabul deutlich zu machen, wie stark die Verantwortung der afghanischen Regierung, aber auch andere afghanischer Gruppen sind, auch zu diesem Prozess, auch zur Stabilisierung beizutragen. Das ist ganz wichtig. Und ich erhoffe mir schon, deswegen habe ich den regionalen Ansatz eben genannt, dass auch die regionalen Akteure auch mit bei dieser Kabuler Konferenz in der Lage sind, eben Afghanistan auch den Weg zu eröffnen, der dringend notwendig ist. Eben ohne Gewalt, ohne die Destabilisierung, die von außen immer wieder in das Land getragen wird in den nächsten Jahren auch eine einigermaßen zufriedenstellende Situation zu schaffen.
Tille: Woran können wir hier als Laien in Deutschland denn erkennen, dass sich in Afghanistan die Dinge in die richtige Richtung bewegen?
Mützenich: Ich glaube, es war zum Beispiel doch eine wichtige Erkenntnis und diese Umfrage hat ja die ARD auch gemacht, auch zusammen mit der BBC, dass es eine Verbesserung der Lebenssituation in einzelnen Bereichen gibt. Ich finde, hier ist Fortschritt wichtig und auch feststellbar gewesen. Aber der politische Prozess hinkt hinterher, insbesondere der Reintegrationsprozess in Afghanistan, der, wie gesagt, in den vergangenen Jahren gestört gewesen ist und insbesondere auch der regionale Ansatz. Wenn das gelingt, wenn die Kabuler Konferenz mit dazu beiträgt, gibt es durchaus eine Chance auch in den nächsten Monaten zu weiteren Fortschritten zu kommen. Nur uns muss einfach klar werden, dass ein militärisches Mandat auch zeitlich begrenzt ist. Und deswegen hätte ich es auch erwartet, wenn die Bundesregierung hier mehr Druck auch entwickelt hätte und sozusagen auch mehr Klarheit in der Regierungserklärung herüber gekommen wäre.
Tille: Rolf Mützenich, SPD Außen- und Sicherheitspolitiker im Bundestag. Ich danke für das Gespräch.