Exportschlager Rüstung

Interview mit Karin Jäger
Veröffentlicht: 
Deutsche Welle Radio, 15.03.2010
Thema: 
SIPRI-Bericht setzt Deutschland auf Platz drei der größten Rüstungsexportländer

Karin Jäger: Seit 2005 hat sich der deutsche Rüstungsexport nach Angaben von Stockholmer Friedensforschern verdoppelt. Was in den Augen der einen Arbeitsplätze in Deutschland sichert, ist für andere eine verantwortungslose Entwicklung.

Endlich mal eine positive Nachricht für die deutsche Wirtschaft: Die Bundesrepublik ist mit einem Weltmarktanteil von elf Prozent laut SIPRI (Stockholm International Peace Research Institute) in die Riege der drei weltweit wichtigsten Rüstungsexporteure aufgestiegen. Schlechte Nachricht: Rüstung ist ein problematischer Exportschlager.
Wie passt es zusammen, dass sich Deutschland zu einem führenden Rüstungsexporteur entwickelte und sich in seinem Grundgesetz gleichzeitig der Wahrung des Friedens in der Welt verschrieben hat?

Reaktionen der Parteien - Handelserfolg oder Kontrollmangel?

Bei den Grünen hat der Bericht Alarm ausgelöst. Parteichefin Claudia Roth hält ein Vetorecht des Deutschen Bundestags beim Rüstungshandel für notwendig. Die Linke fordert gar einen Exportstopp für Rüstungsgüter. Unterdessen wies das FDP-geführte Bundeswirtschaftsministerium die Kritik zurück. Die deutschen und europäischen Bestimmungen zum Rüstungshandel würden strikt eingehalten; an der Exportpraxis habe sich in den vergangenen Jahren nichts geändert. Die SPD zeigte sich gelassener. In Journal Extra spricht Rolf Mützenich (SPD), Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, über den deutschen Waffenhandel, den vorliegenden Bericht und die Kritik am deutschen Handelserfolg.

"Journal Extra" nimmt die Erhebungen aus Stockholm unter die Lupe und fragt nach, mit wem die deutsche Rüstungsindustrie Handel treibt, wie es zum Aufstieg der deutschen Rüstungsindustrie kam, warum an der Exportpraxis Kritik laut wird und welche Folgen sich daraus ergeben könnten.

Jäger: Ganz so kritisch sehen es die Sozialdemokraten nicht. Die SPD möchte zwar keinen Handelsstopp, aber Rolf Mützenich, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags und sicherheitspolitischer Experte der SPD beobachtet die Steigerung der Rüstungsexporte mit Skepsis.

Rolf Mützenich: Ich halte des für höchst problematisch, auch in den vergangenen Jahren. Wir haben ja im Parlament auch immer wieder offene Worte gegenüber der Bundesregierung gefunden, egal von welcher Partei sie damals geprägt war. Man muss natürlich auch zur Kenntnis nehmen, SIPRI macht eine andere Gewichtung als zum Beispiel der jährliche Rüstungsexportbericht der Bundesregierung, der durchaus eben auch immer wieder Hinweise auf die Steigerungsraten gegeben hat. Da warten wir aber auch drauf und es ist gut, wenn das Parlament sich eben mit dieser Frage in den nächsten Wochen stärker wird beschäftigen können.

Jäger: Braucht es da Ihrer Meinung nach eine Parlamentarische Kontrollinstanz oder gar ein Veto-Recht des Parlaments für Waffenexporte, wie es Die Grünen fordern?

Mützenich: Es muss auf jeden Fall erst Mal eine größere Transparenz her. Ich glaube, mit dem Rüstungsexportbericht, der ja auch damals 1998 auf der Grundlage der Rot-Grünen-Bundesregierung, des Rot-Grünen-Koalitionsvertrages, eingeführt worden ist, haben wir schon einen Teil geschaffen. Viel wichtiger finde ich es auf der anderen Seite aber auch, dass das Europäische Parlament, aber auch die Europäische Kommission sich auch mit diesen Rüstungsexporten befasst, weil das nicht nur ein Thema für die einzelnen Nationalstaaten ist, sondern für Europa insgesamt. Da ist es nur eine Frage des Deutschen Parlaments ist, finde ich, wäre letztlich zu kleinteilig für dieses doch sehr dramatische Problem.

Jäger: Ursprünglich hat es mal geheißen, diese Waffenexporte sollten dazu dienen, die NATO-Partner zu versorgen. Dies ist aber nicht mehr der Fall. Sollte man das darauf beschränken? Auf die NATO-Partnerschaft?

Mützenich: Man muss sich das genau anschauen. Deswegen war es ja auch immer wichtig, dass gesagt worden ist, wir liefern grundsätzlich nicht in Spannungsgebiete. Ich kann das im Zusammenhang mit den Rüstungsexporten der Vergangenheit nicht mehr in einzelnen Punkten zusammen bringen, genau diese Frage. Deswegen habe ich ja auch gesagt, ich halte es für problematisch. Die Steigerung, gerade das, was SIPRI nochmal fest gestellt hat, hängt mit Großprojekten zusammen, nach meinem Dafürhalten wahrscheinlich insbesondere mit einem Exportschlager den Deutschland zur Zeit anbietet, nämlich den U-Booten, die ja noch auf einem, zwar noch Dieselbetrieb fahren, aber offensichtlich nicht mehr so nachverfolgt können. Das sind natürlich Dinge, die sehr stark in diesen Rüstungsexport hinein kommen. Und da bin ich schon der Meinung, müssen wir aufpassen, dass das nicht in Spannungsgebiete geht. Deswegen habe ich mich auch schon in vergangener Zeit öfters gegen Lieferungen, zum Beispiel in Richtung Pakistan ausgesprochen.

Jäger: Ein Spannungsgebiet liegt in Europa, in der Ägäis, nämlich zwischen Griechenland und der Türkei, beide NATO-Partner. Ist es vertretbar, auch diesen Konfliktparteien für eine etwaige militärische Auseinandersetzung Waffen zu liefern?

Mützenich: Es ist insbesondere so, dass wir uns auch vergegenwärtigen müssen, dieses Thema, was in den vergangenen Jahren immer wieder zu Spannungen geführt hat, und ich will auch nicht ausschließen, dass das Zypern-Thema weiterhin eine schwerwiegende Belastung auch innerhalb der NATO ist, hat sich nach meinem Dafürhalten etwas entspannt. Insbesondere auch zwischen den beiden Regierungen, zwischen der Türkei und Griechenland. Ob sich das möglicherweise auch zwischen den Militärs auch anders anhört, das ist ganz offensichtlich. Wir müssen viel stärker noch darauf hinarbeiten, dass dieses Thema auf der außenpolitischen Agenda auch der Europäischen Union bleibt. Und deswegen finde ich steht nicht im Vordergrund Rüstungsexporte sondern insbesondere Diplomatie und Kooperation.

Jäger: Aber wo kann man überhaupt eine Grenze ziehen?

Mützenich: Ja, das ist sozusagen ein schwieriges Verhältnis, was versucht wird, im Bundessicherheitsrat der Bundesregierung auch immer wieder zu erörtern. Deswegen war es schon notwendig gewesen, zu sagen, man hat privilegierte Partner durchaus innerhalb der NATO, aber auf der anderen Seite eben nicht in Spannungsgebiete zu liefern. Und ich glaube, in den letzten Jahren ist das etwas stärker ins Rutschen gekommen. Ich mache mir zum Beispiel auch große Sorgen darüber, dass sozusagen über Drittstaaten dann bestimmte Dinge auch wieder weiter gegeben werden. Deswegen, nochmal: das werden wir nur in einem europäischen oder auch internationalen Rahmen, auch über die Vereinten Nationen, hinbekommen. Deswegen ist insbesondere die Frage von Abrüstung und Rüstungskontrolle auf die Tagesordnung zu setzen und nicht nur ab und zu Mal ein paar Tage, um da nur über taktische Atomwaffen zu reden, sondern wir müssen insbesondere auch über den Export von Kleinwaffen diskutieren.

Jäger: Sagt Rolf Mützenich, der Sicherheitsexperte der SPD und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags zu den Deutschen Militärexporten. Deutschland liefert hinter den USA und Russland die meisten Rüstungsgüter ins Ausland und verdient gut daran.