Mützenich: Intensivierung der Kampfhandlungen
Auszüge aus dem Interview mit Mario Dobovisek
Mario Dobovisek: Angriff oder Verteidigung? Wie definieren Sie heute diesen Angriff?
Rolf Mützenich: Das ist auf jeden Fall eine Intensivierung der Kampfhandlungen. Wie Herr Schneiderhan gesagt hat, sind wir in den letzten Monaten mit verstärkten Angriffen konfrontiert. Das sind nicht mehr einzelne, möglicherweise auch Selbstmordanschläge, sondern scheinbar auch strategisch vorgetragene Angriffe. Nach meinem Dafürhalten ist es richtig, dass die afghanische Armee versucht, darauf zu antworten und wenn sie die Unterstützung von Bundeswehrsoldaten anfordert, deckt das das Mandat, das der Deutsche Bundestag erteilt hat und was insbesondere im Rahmen der Vereinten Nationen das Mandat auch bedeutet, ab.
Dobovisek: Wie umfangreich dürfte so ein Einsatz sein im Rahmen des Mandates?
Mützenich: Sehen Sie, das ist, glaube ich, immer auch so ein Punkt, wo ich meine Kolleginnen und Kollegen im Bundestag davor warne; ich stehe nicht auf dem Feldherrenhügel, sondern der Bundestagsabgeordnete hat die Aufgabe, zu überprüfen, ob Völkerrecht für dieses Mandat gedeckt ist, also, ob es einen Beschluss der Vereinten Nationen gibt, ob die Sicherheitslage dies erfordert und insbesondere, ob es auch eine internationale Begründung dafür gibt, unter anderem auch mit militärischen Kräften zu helfen, in einem Land, was über 30 Jahre Bürgerkrieg gehabt hat, zur Sicherheit zurückzukehren.
Dobovisek: Aber warum wird die Bundeswehr im Moment eher offensiv, wobei sie bisher eher defensiv war?
Mützenich: Ich glaube - und da will ich auch gar nichts an der Diskussion deuteln -, wir haben in den vergangenen Jahren wahrscheinlich auch mit einer falschen Wortwahl reagiert und haben auch das Problem, was in Afghanistan existiert, herunter geredet. Ich glaube, es ist richtig, dass wir eben deutlich machen, wir haben an die Bundeswehr einen Kampfauftrag auch gegeben, zur Unterstützung der afghanischen Armee im Inneren mit einem internationalen Mandat der Vereinten Nationen. Aber auf der anderen Seite - und das ist ja das Neue, was wir auch durch Präsident Obama haben -, wir haben endlich einen politischen Ansatz, insbesondere einen regionalpolitischen Ansatz, der versucht, die benachbarten Staaten, zentralasiatische Staaten, Iran, Pakistan, mit dafür zu gewinnen, dass eine Stabilisierung erfolgt. Und gerade die Außenministerin Clinton bei ihrem Besuch in Indien hat deutlich gemacht, dass auch Indien ein sehr wichtiger Partner ist. Und das kann ich nur unterstützen.
Dobovisek: Der grüne Verteidigungspolitiker Nachtwei kritisiert gravierende Fehler, die in Kundus und der nördlichen Provinz gemacht worden seien; wurden in Kundus tatsächlich Fehler begangen?
Mützenich:Es sind auf jeden Fall Fehler begangen worden. Ich habe dies ja auch eben eingeräumt; insbesondere, dass wir es uns an der ein oder anderen Stelle zu leicht gemacht haben - auch in der Darstellung der Probleme, denen wir uns zu stellen haben. Insbesondere der Aufbau von Sicherheitskräften, das heißt von Polizisten, aber auch die Ausbildung von Richtern, im Grunde genommen alles das, was einen zivilen Bereich des Staates bedeutet, haben wir natürlich sehr stark vernachlässigt. Aber auf der anderen Seite muss man natürlich auch sehen, dass wir mit der ehemaligen amerikanischen Regierung hier größte Probleme hatten, überhaupt zu einer gemeinsamen Strategieverantwortung zu kommen. Das gelingt erst jetzt in den letzten Monaten.