"Eine atomwaffenfreie Welt ist ein realistisches Ziel"

Interview mit Sibylle Quenett
Veröffentlicht: 
Kölner Stadt-Anzeiger, 07.04.2009
Thema: 
Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich erwartet, dass auch Moskau aus politischen und wirtschaftlichen Gründen den Vorschlag zur atomaren Abrüstung von Barack Obama aufnimmt.

Sibylle Quenett: Herr Mützenich, ist eine Welt ohne Atomwaffen realistisch?

Rolf Mützenich: Ich halte das für ein realistisches Ziel, weil die Länder, die Atomwaffen besitzen, sich 1986 verpflichtet haben, nachweislich abzurüsten. Das ist auch die einzige Chnace, damit andere Länder auf Atomwaffen verzichten.

Quenett: Wie lange mag das dauern?

Mützenich: Es wird nur schrittweise vorangehen, weil sich alle Staaten, die über Atomwaffen verfügen, beteiligen müssen. Deshalb ist es gut, dass Präsident Obama den Atomteststoppvertrag unterzeichnen will. Das könnte Rückwirkungen haben auf andere Kernwaffenstaaten, wie zum Beispiel Indien. Ich erwarte, dass der Prozess mehere Jahre dauern wird, weil erst wieder vertrauen aufgebaut werden muss.

Quenett: Wie hoch ist die Abrüstungsbereitschaft in Moskau?

Mützenich: Ich glaube, dass Russland aufgrund wirtschaftlicher und politischer Überlegungen bereit sein wird, den von Obama vorgeschlagenen Weg mitzugehen. In einem ersten Schritt könnte zumindest eine substanzielle Abrüstung im Bereich der strategischen Waffen unterzeichnet werden.

Quenett: Welchen Einfluss hat die Botschaft auf Pakistan, Indien oder den Iran?

Mützenich: Diese Staaten werdenb sehr aufmerksam die Schritte von Präsident Obama verfolgen. Und sie müssen, wenn sie nicht international isoliert werden wollen, vergleichbare Anstrengungen unternehmen.

Quenett: Hat der Widerstand der Türkei gegen Anders Fogh Rasmussen als Nato-Generalsekretär ihren EU-Beitritt erschwert?

Mützenich: Die Regierungen, die einem EU-Beitritt ohnehin kritisch gegenüberstehen, werden sich in ihrer Besorgnis bestätigt sehen. Persönlich bin ich der Ansicht, dass man auch die Kritik an Rasmussen, die in der Türkei und anderen Staaten geäußert worden ist, ernst nehmen muss. Ich glaube, dass Rasmussen sich sowohl durch seine offensive Beteiligung am Irak-Krieg als dänischer Ministerpräsident als auch durch sein verhalten im Karikaturenstreit nicht immer souverän gezeigt hat.