Mützenich: Geduld gegenüber dem Iran

Interview mit Uwe Schulz
Veröffentlicht: 
WDR 2 Mittagsmagazin, 06.08.2008
Thema: 
Bei aller Frustration über das Verhalten der Iraner sei nach wie vor Geduld das Gebot der Stunde, sagte Rolf Mützenich. Er hoffe, dass die Regierungschefs so klug seien, der Diplomatie weiterhin eine Chance zu geben.

Uwe Schulz: Das WDR 2 Mittagsmagazins startet mit einem Dauerbrenner der internationale Politik: Der Iran und sein geheimes Atomprogramm beschäftigen heute wieder die Veto-Mächte aus dem Sicherheitsrat der UN: USA, Russland, China Frankreich, Großbritannien - diese beraten heute mit dem Außenbeauftragten der EU, Solana, und Deutschland, wie es weitergehen soll in diesem Konflikt. Gestern hat der Iran einen Brief an Solana geschrieben, eine Antwort auf ein Angebot dieser Sechsergruppe. Drinnen steht - ich verkürze es - nichts.
Zur Sache: Rolf Mützenich ist hier, Nahostpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag. Herr Mützenich, wird es nicht langsam albern, dieses Hin und her der Worte?

Rolf Mützenich: Guten Tag, Herr Schulz. Nein, ich glaube, wir müssen, bei aller Frustration, der wir auch durch diese Antwort ausgesetzt sind, Geduld haben. Wir haben auch noch Zeit, das ist ein wichtiger Aspekt und ich glaube, man muss der Diplomatie auch Chancen einräumen. In Libyen haben wir mehr als 10 Jahre gebraucht, um Gaddafi davon abzubringen, eine Atomwaffe zu besitzen und ich habe immer noch Hoffnung, dass wir das gegenüber dem Iran auch tun werden können.

Schulz: Im Raum steht allerdings die jüngste Äußerung des Präsidenten Ahmadinedschad, der gesagt hat, ?Wir werden keinen Iota abweichen von unserer Politik? und der sich sogar damit brüstet: "Wir haben die Zahl unserer Gaszentrifugen sogar noch vergrößert auf jetzt 6.000, um auch unsere Urananreicherung voran zu treiben."

Mützenich: Das ist richtig. Das ist eine große Enttäuschung und ich hatte gehofft, dass durch den neuen, jüngsten Vorschlag der Sechsergruppe der Iran beeindruckt wäre, möglicherweise darauf einzugehen.

Schulz: Den müssen wir kurz noch beschreiben.

Mützenich: Nämlich für 6 Wochen die Urananreicherung auszusetzen, sich in diesem Zeitraum für Kooperationsmöglichkeiten sich zu öffnen und ich glaube, das war eine große Chance. Gerade deswegen, weil die USA sich so direkt beteiligt haben. Außenministerin Rice hatte mit unterschrieben, es war ein Beauftragter von ihr mit bei den Gesprächen dabei und das war eine große Chance. Ich hoffe immer noch, dass es vernünftige Kräfte im Iran, in dem Regime gibt, die möglicherweise in den nächsten Wochen darauf eingehen. Das Problem ist natürlich auch, das wir vor Wahlen stehen, sowohl in den USA, aber auch im Iran.

Schulz: Es gab die Hoffnung, jedenfalls bei einigen internationalen Politikern, es könnte mit diesem Friedenangebot eine Isolation von Ahmadinedschad gelingen, im eigenen Land. Sehen Sie dafür Anzeichen?

Mützenich: Das ist schwer zu beurteilen. Die Parlamentswahlen vor einigen Wochen haben durchaus dokumentiert, dass Ahmadinedschad nicht unumstritten ist, dass es eine konservative Gruppe im Parlament gibt, die ihm möglicherweise in den nächsten Wochen noch Schwierigkeiten machen wird. Im außenpolitischen Bereich herrscht aber eigentlich Einigkeit darüber, sich nicht durch Sanktionen erpressen zu lassen. Das ist natürlich eine große Schwierigkeit, dann auf ein solches Land einzugehen. Der Iran hat durch die Intervention der USA im Irak eine Menge gewonnen, er hat Einflussmöglichkeiten und das wird er sich schwerlich nehmen lassen.

Schulz: Wir müssen noch über mehrere Eskalationsstufen ganz kurz sprechen. Der Iran sagt, wenn dieser Konflikt so verschärft wird, werden wir die Straße von Hormuz blockieren. Dann haben wir keine Öllieferungen mehr.

Mützenich: Die Straße von Hormuz ist ein Flaschenhals, was mit Sicherheit auf die Öleinfuhr in die westlichen Länder, aber auch beispielsweise nach China, Einfluss haben würde. Das ist eine große Gefahr. Diese Drohung besteht. Auf der anderen Seite muss der Iran natürlich wissen, dass es zum jetzigen Zeitpunkt im Sicherheitsrat um Beschlüsse geht, die alle mit tragen und es ist sehr wichtig, dass Russland und China im Boot bleiben. Ich glaube, es war eine kluge Politik, auch auf Seiten der Bundesregierung, dies mit zu befördern.

Schulz: Im September wird der Sicherheitsrat offiziell nächste Schritte unternehmen. Die zweite Eskalationsstufe ist noch dramatischer: Israel denkt darüber nach, notfalls Atomanlagen im Iran zu bombardieren.

Mützenich: Das ist nicht auszuschließen, dass diese Planspiele in Israel statt finden. Das wird ja auch ganz offiziell zugegeben. Ich kann davor nur warnen. Ich glaube, dass es genügend Zeit gibt, insbesondere wo wir nach den Berichten der IAEO wissen, dass der Iran zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht über atomwaffenfähiges Material verfügt. Ich hoffe nur, dass die Regierungschefs so klug sind, dieser Diplomatie weiterhin eine Chance zu geben.

Schulz: Rolf Mützenich, der nahostpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, im Gespräch mit WDR 2. Die bereits erwähnte Atomenergiebehörde entsendet morgen den stellvertretenden Generaldirektor zu Gesprächen nach Teheran. Vielleicht kommt ja dabei mehr raus als nach diesem ersten Friedensangebot: Keine Sanktionen und dafür Test-Stopp im Iran. Wir berichten weiter.