Zu den ersten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen
Cordula Denninghoff: Wenn man Regierungsmitglieder über Angela Merkels Besuch in Israel zum 60. Jahrestag der Staatsgründung reden hört - das halbe Kabinett ist übrigens auch dabei -, dann hat man den Eindruck, da spielt sich was ganz Besonderes ab. Ein neues Kapitel werde aufgeschlagen in den deutsch-israelischen Beziehungen, heißt es. Man wolle Projekte anstoßen, die die Welt freiheitlicher und menschlicher gestalten. Rolf Mützenich ist SPD-Mitglied des Bundestags und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Und er ist heute zu mir ins Studio gekommen. - Guten Morgen, Herr Mützenich!
Rolf Mützenich: Guten Morgen, Frau Denninghoff!
Denninghoff: Heute finden zum ersten Mal deutsch-israelische Regierungskonsultationen statt. Ist das wirklich etwas ganz Besonderes?
Mützenich: Na, ich glaube schon, weil es sind die ersten und Deutschland unterhält ja nicht viele solcher Einrichtung nur mit benachbarten Ländern. Und das ist schon eine
Wertschätzung und die Unterstreichung einer besonderen Beziehung zu Israel.
Denninghoff: Was bringt das jetzt für das gemeinsame Verhältnis? Das war doch bisher auch recht gut.
Mützenich: Ja, gut, das muss man sehen. Das ist nicht meine Erfindung, sondern die der Regierung. Und man muss versuchen, an dieser Stelle, glaube ich auch, diese Regierungskonsultationen so offen wie möglich, so ehrlich wie möglich auch zu führen. Ich glaube, hinter verschlossenen Türen kann man dies tun. Und ich hoffe, dass dies auch Ergebnisse zeigt.
Denninghoff: Was könnten das für Ergebnisse sein? Was soll da überhaupt besprochen werden?
Mützenich: Einmal muss man, glaube ich, deutlich machen, dass Deutschland natürlich eine besondere Verantwortung für Israel hat, aber wir wollen ja auch versuchen, gerade zugunsten der jetzigen palästinensischen Regierung so viel Hilfestellung zu geben wie möglich. Und wenn wir Hilfe anbieten wollen, muss das auch die palästinensische Autonomieregierung. Darüber müsste man mit Israel genauso sprechen wie über den Siedlungsbau, der mit Sicherheit den Friedensprozess von Annapolis behindert.
Denninghoff: Wird Angela Merkel das denn machen? Wird sie solche kritischen Fragen stellen?
Mützenich: Ich würde mir das wünschen und Kolleginnen und Kollegen anderer Fraktionen haben sie auch dazu aufgefordert. Ich denke, wenn man zu diesen Regierungskonsultationen schreitet, wenn man immer sagt, die Beziehungen können gar nicht besser sein, dann sind Beziehungen auch belastbar, wenn man dies sogar freundschaftlich beschreibt, muss man sich unter Freunden eben auch diese Dinge sagen, die zu diesem Prozess dazugehören, nicht besserwisserisch, aber durchaus eben auch mit dem Hinweis auf eine langfristige Situation. Und ich glaube, der Sicherheitsgewinn für Israel kann nur so groß sein, wie man sich auch ehrlich der Situation stellt.
Denninghoff: Wenn Deutschland also eine auch kritische Haltung einnehmen soll, passt es dann dazu, dass Angela Merkel nicht mal Mahmud Abbas treffen will?
Mützenich: Ich persönlich habe das für falsch gehalten. Wir haben darüber auch im Auswärtigen Ausschuss am Mittwoch diskutiert. Es ist gesagt worden, das sind allein bilaterale Beziehungen. Ich glaube, das ist vom formalen Standpunkt her richtig. Aber zum jetzigen Zeitpunkt sind Präsident Abbas und Ministerpräsident Fayad in den palästinensischen Gebieten so unter Druck, dass ein Besuch mit Sicherheit geholfen hätte, ihre Position zu stärken und vielleicht auch das eine oder andere Wort mitzunehmen, was an Israel gerichtet werden könnte.
Denninghoff: Dafür hat sie eine Konferenz angekündigt, sie will sie im Sommer einberufen zur Unterstützung der palästinensischen Polizei und der Justiz. Will Deutschland damit seine Rolle im Nahost-Friedensprozess stärken?
Mützenich: Das mag sein. Das wird man möglicherweise erst nach den Ergebnissen sehen. Aber der Punkt ist, wir brauchen ja nicht nur Ergebnisse auf der Konferenz, sondern wir brauchen sozusagen Ergebnisse auf dem Boden. Das heißt, wenn wir die palästinensische Regierung unterstützen wollen, so müssen wir eben auch in der Lage sein, sei vor Ort zu unterstützen für diesen Prozess. Und wir sehen ja zum Beispiel, dass die EU-Begleitung beim Grenzübergang Raffa zum Beispiel nach Ägypten, dass das sehr schwierig ist, solang israelische Behörden an dieser Stelle eben keine Bewegungsfreiheit zugunsten der europäischen Unterstützung zulassen. So wenig ist dann der Prozess auch erfolgreich. Und das muss man natürlich mit dieser Konferenz dann auch deutlich machen, dass wenn wir schon Hilfe leisten, die auch ankommen muss.
Denninghoff: Der Friedensprozess im Nahen Osten ist natürlich ein wichtiges Thema, aber es wird auch um den Iran gehen. Wie weit kann denn Angela Merkel Ehud Olmert da entgegen kommen? Die Israelis hätten ja am liebsten einen Militärschlag.
Mützenich: Ja, wir hören ja ständig neue Informationen aus Israel zu diesem Zeitpunkt. Und es ist ja nicht so, dass Herr Olmert gerade erst ja vor kurzem in Deutschland war und versucht hat, die Bundesregierung auch zu überzeugen, eine andere Gangart zu tun. Ich glaube, es war richtig gewesen, dass die Bundesregierung sich insgesamt nicht darauf eingelassen, weil wir müssen die internationale Gemeinschaft zusammenhalten. Und das hat ja die neue Sicherheitsresolution gezeigt, sie ist mit 14 Ja-Stimmen mit einer Enthaltung von Indonesien im Sicherheitsrat verabschiedet worden, und ein anderes Vorgehen würde dies mit Sicherheit in Schwierigkeiten bringen. Ich glaube, dass Angela Merkel deutlich machen sollte, dass das, was wir zurzeit innerhalb der Europäischen Union mit anderen versuchen, alternativlos ist. Ein militärischer Schlag gegenüber dem Iran ist völlig abwegig. Ich glaube auch nicht, dass Israel zum jetzigen Zeitpunkt dazu willens ist. Seine Sicherheitsinteressen müssen natürlich berücksichtigt werden. Dies ist gar keine Frage. Und Präsident Ahmadinedschad hat ja in den letzten Monaten und Jahren nichts unversucht gelassen, eben Israels Sicherheitsbedenken weiter zu unterminieren. Und das ist ein wichtiger Punkt, den man diskutieren muss.
Denninghoff: Und das wird Angela Merkel vielleicht morgen auch in der Knesset ansprechen. Sie darf zum ersten Mal dort reden als Regierungschefin. Ist das eine besondere Ehre?
Mützenich: Ja, mit Sicherheit. Aber sie ist ja nicht die erster Deutsche. Johannes Rau hat dort eben auch gesprochen.
Denninghoff: Aber als Bundespräsident!
Mützenich: Als Bundespräsident durchaus. Aber dennoch, glaube ich, hatte er die richtigen Worte gefunden. Das wird Angela Merkel auch tun können, andere haben dort auch gesprochen. Ich würde nicht auf diese formalen Kriterien so stark achten. Israel ist heute in einer Situation, wo sie diese Besuche gerne sieht. Und ich glaube auch, die Auseinandersetzung, ob Frau Merkel in deutscher Sprache oder englisch dort sprechen soll, eigentlich eine Diskussion der Vergangenheit ist, so wie ich die Israelis in letzter Zeit kennen gelernt habe. Aber ich bin schon der Meinung, dass diese Ansprache dann auch offen und ehrlich sein sollte.
Denninghoff: Rolf Mützenich, SPD-Mitglied des Bundestags und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. - Vielen Dank, dass Sie gekommen sind und uns erläutert haben, was sie von der Reise Angela Merkels nach Israel halten.
Mützenich: Vielen Dank!