"Weder angemessen noch legitim"

Interview mit Sibylle Quenett
Veröffentlicht: 
Kölner Stadt-Anzeiger, 23.02.2008
Thema: 
Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich (48) befürchtet, dass die türkische Intervention im Nordirak zu einer weiteren Eskalation führt.

Sibylle Quenett: Herr Mützenich, gefährdet der türkische Einmarsch in den Nord-Irak die Stabilisierung des Landes?

Rolf Mützenich: Ich glaube schon. Diese Intervention ist aus meiner Sicht weder angemessen noch legitim. Sie ist letztlich auch gefährlich für die Souveränität des Irak und löst überhaupt nicht das Kurdenproblem.

Quenett: Was müsste die Türkei statt dessen tun?

Mützenich: Die Türkei muss innenpolitisch mit der Herausforde- rung fertig werden. Sie kann nur politisch gelöst werden. Ich hatte zuletzt den Eindruck, dass Ministerpräsident Erdogan auf diesem Weg ist. Aber offensichtlich ist das Militär immer noch so stark, dass man eine militärische Antwort darauf sucht.

Quenett: Ist die PKK im Nordirak für die Türkei eine Gefahr?

Mützenich:Während meines Besuchs im Nordirak Ende vergangenen Jahres konnte ich das so nicht feststellen. Diese Angriffe auf PKK-Stellungen im Nordirak sind eher innenpolitisch motiviert. Das eigentliche Sicherheitsproblem wird nicht angegangen. Die PKK, die ja in der Türkei selbst operiert, kann man so nicht unter Druck setzen. Im Gegenteil, man provoziert eine Eskalation. Zweimal hat man bereits im Irak militärisch interveniert und ist gescheitert.

Quenett: Was tun die Kurden, um die Terrorgefahr selbst einzudämmen?

Mützenich:Den kurdischen Irakern ist es gelungen, eine gewisse Stabilität aufzubauen, die der PKK nicht genutzt hat. Das kann aber schnell wieder ins Gegenteil verkehrt werden.

Quenett: Rechnen Sie mit einem längeren Einsatz?

Mützenich:Das kann man von hier aus nicht sagen. Aber militärische Interventionen lassen sich in der Regel nicht am Anfang kalkulieren. Ein solcher Prozess könnte auch außer Kontrolle geraten.

Quenett: Droht die Aufspaltung des Irak?

Mützenich:Nicht unbedingt. Die Intervention allein bewirkt das natürlich nicht. Es kommt darauf an, wie die unterschiedlichen Gruppen im Irak jetzt bereit sind, zusammenzuarbeiten. Es gibt durchaus positive Hinweise. Aber viel wird davon abhängen, ob ein mögliches Referendum über die nordirakische Ölregion um Kirkuk zu einer weiteren Belastung führt.

Quenett: Hätten die USA den Einmarsch verhindern können?

Mützenich:Unabhängig von der völkerrechtswidrigen Intervention im Irak selbst hat die Aufteilung nach ethnischen und religiösen Gesichtspunkten das Problem nur verschärft hat. Dass sich die Kurden darauf beziehen, ist nicht ihnen anzulasten, sondern Teil einer von Beginn an fehlgeleiteten Politik.