Mützenich sieht noch Klärungsbedarf bei Afghanistan-Einsatz
Der SPD-Außenexperte Rolf Mützenich sieht vor der Abstimmung über eine Verlängerung des Afghanistan-Mandates noch erheblichen Klärungsbedarf in seiner Fraktion. «Es wäre übereilt, wenn man jetzt sagt, wir müssen raus aus Afghanistan», sagte Mützenich in einem Interview der Nachrichtenagentur AP. Es müsse aber geklärt werden, ob die gewünschte Kopplung zwischen zivilem und militärischem Bedarf funktioniere. Am 4. Juli will die SPD-Fraktion auf einer Sondersitzung über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr beraten. Im Folgenden das Gespräch im Wortlaut:
Susanne Kreutzmann: Am 4. Juli will die SPD-Fraktion eine Grundsatzdebatte über den Afghanistan-Einsatz führen. Welchen Klärungsbedarf sehen Sie?
Rolf Mützenich: In der SPD besteht ein großes Bedürfnis nach 15 Jahren Auslandseinsätzen der Bundeswehr eine offene, kritische zurückblickende, aber auch vorausschauende Diskussion zu führen. Und das kann man sehr stark an Afghanistan festmachen. Die Frage ist schon, was haben wir bisher mit den Auslandseinsätzen bewirkt. Welche Erfolge, welche Misserfolge gibt es.
Kreutzmann: Als über den Tornado-Einsatz beraten wurde, gab es ja auch in der SPD-Fraktion viele Bedenken.
Mützenich: Auffallend ist ja nach meinen Dafürhalten, dass die Befürchtungen, die beim Tornado-Einsatz diskutiert wurden, nicht eingetreten sind. Die Tornados scheinen ja für die Aufklärung sinnvoll zu sein, sowohl was den Schutz der ISAF-Truppen als auch den der Zivilbevölkerung betrifft. Sehr stark war ja befürchtet worden, dass die Tornados in den unmittelbaren Krieg gegen den Terrorismus eingreifen. Das ist nicht passiert. Es wäre übereilt, wenn man jetzt sagt, wir müssen raus aus Afghanistan. Es muss aber geklärt werden, ob diese gewünschte Kopplung zwischen zivilem und militärischem Bedarf funktioniert. Im
Hinblick auf den politischen Prozess finde ich es richtig, dass Kurt Beck gesagt hat, man muss die gesprächsbereiten unterschiedlichen Kräfte einbinden und zusammen nach Lösungen suchen.
Kreutzmann: Auch Sie hatten ja einen Strategiewechsel bei den Briten und Amerikanern im Enduring-Freedom-Einsatz angemahnt...
Mützenich: Wir müssen diese Diskussion im Bündnis viel offener führen. Wenn Minister Jung jüngst die Strategie der Amerikaner bei seinem Besuch in Afghanistan kritisiert hat, gehe ich davon aus, dass er das in den Gremien auch tut.
Kreutzmann: Wie lange Zeit sehen Sie denn noch Bundeswehrsoldaten in Afghanistan? Sollte nicht auch über eine Exit-Strategie diskutiert werden?
Mützenich: Auch darüber muss man sich immer wieder Gedanken machen. Nur kann man das heute noch nicht definieren. Solche Einsätze haben immer einen begrenzten Rahmen, der sich an der Stabilität messen lässt. Und in Afghanistan gibt es derzeit keine stabile Situation. Wenn weiter das Bedürfnis der Vereinten Nationen, der afghanischen Regierung und von uns besteht, sollte das Mandat verlängert werden. Aber man muss auch wieder raus aus Auslandseinsätzen. Die Frage ist ebenfalls, wie lange die Bürger bereit sind, einen Auslandseinsatz mitzutragen.
Kreutzmann: Wie zufrieden sind Sie denn mit dem G-8-Gipfel und den dortigen Beratungen über das geplante amerikanische Raketenschild? Ist nach dem russischen Vorstoß Bewegung in die Debatte gekommen?
Mützenich: Ich hätte es mir gewünscht, dass die Bundeskanzlerin von sich aus die Initiative ergriffen und das Thema in Heiligendamm auf die Tagesordnung gesetzt hätte. Ich hätte mir auch gewünscht, dass auf dem Gipfel viel strukturierter über die Folgen für Europa gesprochen worden wäre. Das ist nicht gelungen. Überhaupt nicht zufrieden bin ich damit, dass die Themen Abrüstung und Raketenkontrolle allgemein nicht diskutiert worden sind. Das ist ein Versäumnis und muss in der zweiten Hälfte des deutschen G-8-Vorsitzes korrigiert werden.
Kreutzmann: Befürchten Sie denn ein neues Wettrüsten durch die Stationierung des amerikanischen Abwehrsystems?
Mützenich: Es führt zu Unsicherheiten und einem weiteren Vertrauensverlust, insbesondere zwischen Russland und Teilen von Europa. Unsicherheiten führen dann auch zu Fehlwahrnehmungen und militärischen Reaktionen.