Neuer Bericht, neue Folgen?
Seit Dienstag sind wieder Inspekteure der IAEO im Iran, um die umstrittenen Anlagen zur Urananreicherung zu besichtigen. Außerdem will die Behörde heute ihren neuesten Bericht zum Stand des iranischen Atomprogramms dem UN-Sicherheitsrat vorlegen. Danach wird sich entscheiden, ob die bereits verhängten Sanktionen gegen den Iran weiter verschärft werden.
Annette Nolting: Trotz Sanktionen macht der Iran offenbar Fortschritte bei der Urananreicherung. Was heißt das konkret?
Rolf Mützenich: Es ist besorgniserregend, was der Iran macht. Genauso besorgniserregend ist, er hält sich nicht an die Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates. Dennoch glaube ich, dass es Möglichkeiten gibt, mit dem Iran weiterhin in Gesprächen zu sein. Es wäre gut, wenn man doppelgleisig fährt, auf der einen Seite im Sicherheitsrat möglicherweise über weitere Sanktionen zu beraten und dann auch zu beschließen, auf der anderen Seite aber auch mit weiteren Möglichkeiten nachzujustieren, was die Europäische Union seit mehreren Jahren versucht.
Nolting: Der Chef der internationalen Atomenergiebehörde, El Baradei, hat jetzt aber offenkundig ein bisschen für Missstimmung gesorgt. Er hat gesagt, der Iran habe mit seinem Atomprogramm Tatsachen geschaffen. Deshalb sei es besser, das, was man bislang aus iranischer Sicht geschafft hat, solle man dem Iran auch lassen, anstatt auf einen vollständigen Stopp der Aktivitäten zu dringen. Was sagen Sie dazu?
Mützenich: Es ist nicht die Einzelmeinung von Herrn El Baradei. Es gibt auch andere Akteure, die davon ausgehen, dass das, was wir 2002 gefordert haben - vollkommener Stopp der Urananreicherung -, heute nicht mehr aktuell ist. Ich stimme dem auch teilweise zu.
Nolting: Die USA nicht.
Mützenich: Die USA stimmen dem nicht zu, aber auch die USA haben sich bewegt? Damals war dem Iran die Nutzung der Kernenergie abgesprochen worden. Her El Baradei ist nicht mit den unmittelbaren Verhandlungen beauftragt. Aber ich glaube, er hat durchaus ein Gespür für die Situation sowohl im Iran als auch in der Region insgesamt. Ich glaube, wir sollten an dieser Stelle schon über neue Möglichkeiten nachdenken. Es geht um eine Gesichtswahrung, aber auf beiden Seiten. Das muss auch dem Iran deutlich werden.
Nolting: Ist das, was Sie jetzt gesagt haben, Haltung der Bundesregierung?
Mützenich: Nein, ich spreche nicht für die Bundesregierung -, sondern für die SPD-Fraktion als abrüstungspolitischer Sprecher. Auch über einen Konsens, den die EU mit 27 Ländern oder den man im transatlantischen Dialog herstellen muss, kann mancher Parlamentarier, wenn er selbstbewusst ist, darüber hinaus denken.
Nolting: Wenn man von Regierungsseite ausgeht, könnte man sagen, die iranische Regierung hat zurzeit durchaus ein leichtes Spiel, weil die Verhandlungspartner nicht mit einer Stimme sprechen? Wenn El Baradei, der nicht an den Verhandlungen beteiligt ist - aber immerhin ist er Chef der Atomenergiebehörde -, sagt, dann lasst es ihnen doch so und dann verhandeln wir auf der Ebene weiter, ist das sehr vielstimmig.
Mützenich: Der Konsens ist erst mal relativ groß. Ich glaube, das hat auch den Iran überrascht, dass zum Beispiel China und Russland im Sicherheitsrat an zwei Resolutionen mitgewirkt haben. Die Sanktionen sind der eine Teil. Da gibt es auch noch andere Möglichkeiten, Banken. Das haben die USA teilweise unilateral getan. Das, was man vor einigen Jahren gefordert hat, dem Iran die Möglichkeiten auf die Urananreicherung zu nehmen, gibt es heute nicht mehr. Deswegen ist es schon richtig, über das eine oder andere nachzudenken. Wir müssen darauf achten, dass es weder eine industrielle Anreicherung gibt noch dass sie zu militärischen Zwecken abgezweigt werden kann. Der Konsens in der internationalen Gemeinschaft besteht auch darin, dass die Urananreicherung der eine Teil der Geschichte ist und auf der anderen Seite die militärische Nutzung. Ich glaube, dass wir da noch Zeit und auch Geduld brauchen, um in den nächsten Monaten überhaupt wieder zu Gesprächen zu kommen. Es gibt auch im Iran unterschiedliche Interessen, unterschiedliche Gruppen. Da muss man versuchen, auch mit Kompromissen an die heranzukommen.