Stimmungswechsel im Iran?

Von N.N.
Veröffentlicht: 
rbb Inforadio, 20.12.2006
Thema: 
Die Lage im Iran nach den Kommunalwahlen

Nach der Kommunalwahl im Iran zeichnet sich immer deutlicher ab, dass die Ultrakonservativen eine Niederlage erlitten haben. Am Freitag haben die Iraner ihre Kommunalvertreter UND die Besetzung des Expertenrates neu bestimmt. Dieses Gremium beruft und überwacht die religiöse Führung des Landes. Und es scheint, als hätten sich bei beiden Wahlen die Reformer durchgesetzt. Die Ultrakonservativen - zu denen auch Präsident Ahmadinedschad gehört, haben erheblich an Zustimmung verloren.

Der abrüstungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, hat davor gewarnt, die Ergebnisse der Wahlen im Iran über zu bewerten.

Im Inforadio äußerte Mützenich am Mittwoch Zweifel, dass die Erfolge der Reformer bei den Wahlen zu einem Wandel in der iranischen Außenpolitik führen. Das Atomprogramm bleibe "die nationale Klammer" innerhalb des Irans. Wie er bei seinem jüngsten Besuch im Land festgestellt habe, scheine sich die Gesprächsbereitschaft allerdings verbessert zu haben, so der Vorsitzende der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe.

Rolf Mützenich: "Ich habe schon in den Gesprächen herausgehört - und habe auch letztlich darum gebeten - dass der Iran nicht übereilt auf die Sanktionen reagieren soll, schon gar nicht die letztverbliebenen internationalen Inspekteure aus dem Land wirft." Zugleich solle auch die internationale Gemeinschaft signalisieren, dass sie weiter zu Verhandlungen bereit sei. Die zu erwartende Resolution des UN-Sicherheitsrats "darf nicht das Ende von Gesprächen sein".

Die Erfolge der Reformer bei den Wahlen führte Mützenich darauf zurück, dass die entsprechenden Gruppen geschlossener aufgetreten seien als in der Vergangenheit. Die Ergebnisse zeigten außerdem, dass der Iran ein sehr vielfältiges Land sei, in dem die Menschen durchaus ein Gleichgewicht bei der Machtverteilung anstrebten. "Wahlen sind weiterhin ein Instrument innerhalb der Islamischen Republik, und das ist gut", so Mützenich.

Vollständiges Interview

Frage: Wie bewerten Sie diese vorläufigen Wahlergebnisse? Sind die Reformer auf dem Vormarsch?

Mützenich: Auf jeden Fall haben die Reformer dieses Mal besser agiert als sie es in der Vergangenheit getan haben. Und scheinbar war der doch sehr konservative, oder wie Sie sagen, "ultra-konservative" Flügel, getrennt aufgetreten. Aber es zeigt weiterhin und ich glaube, das macht auch den Iran aus, und das haben wir in den letzten Monaten mit der Person Ahmadinedschads vergessen: es ist ein sehr vielfältiges Land, wo die Menschen durchaus auch bereit sind, durch ein Gleichgewicht zu einer Machtverteilung zu kommen.

Frage:Was heißt das: Die Reformer haben bei dieser Wahl besser agiert?

Mützenich: Sie haben sich nicht spalten lassen. Sie sind nicht mit so vielen unterschiedlichen Kandidaten angetreten. Man kann ja nicht von Parteienlisten, wie wir es in Europa kennen, sprechen, aber es ist ihnen immerhin gelungen, die Stimmen sozusagen auf einige Einzelpersonen zu bündeln und wenn man denn Rafsandschani denn nun dazu zählen möchte, ist es letztlich gelungen, ihn zu einer prominenten Figur, wenn nicht sogar DER prominenten Figur im Expertenrat zu machen, der mit darüber entscheidet, wer der kommende religiöse Führer werden sollte, wenn das in dieser Legislaturperiode passiert, oder ihn zumindest mit kontrollieren kann. Das ist ein Gleichgewicht gegenüber Ahmadinedschad, den Rafsandschani immer sehr stark kritisiert hat.

Frage: Der iranische Präsident Ahmadinedschad hat ja in den vergangenen Monaten mit Drohungen gegen Israel und die westliche Welt für erhebliche Spannungen gesorgt, von seinem Atomprogramm mal ganz abgesehen. Könnte denn die Eahl ein Zeichen sein, dass die Bevölkerung nicht mehr hinter ihrem starken Mann steht?

Mützenich:Zumindest erwartet die Bevölkerung von Ahmadinedschad eine Verbesserung der sozialen Lage und gerade durch die hohen Erdöleinnahmen hatte man eigentlich auch gedacht, dass die Verteilungwirkung innerhalb des Staates gegenüber den Menschen größer ist, aber dieses war für mich innerhalb des Bildes Teherans, wo ich jetzt innerhalb von kürzester Zeit sechs Mal gewesen bin überhaupt nicht deutlich geworden. Und es scheint so zu sein, dass er sehr stark auf seine Klientel wirkt und das reicht letztlich nicht aus, um seine Machtbasis zu erhalten. Aber man darf das auch nicht überbewerten. Das wichtige ist nur, dass wir feststellen müssen: Wahlen sind weiterhin ein Instrument innerhalb der islamischen Republik und das ist gut.

Frage: Haben Sie denn eine Stärkung der Opposition im Land feststellen können?

Mützenich:Ich habe zumindest feststellen können, dass nach der Bekanntgabe des vorläufigen Ergebnisses diejenigen die ich ohnehin als kritisch erachtet habe, etwas lauter  sowohl in den Medien, als auch in den Gesprächen, die ich dort geführt hatte, geäußert haben. Ich hatte zum Beispiel ein interessantes Gespräch mit einer Arbeiterorganisation, die sowohl den Streik der Busfahrer ein wenig begleitet haben, als auch eine politische Vertretung im Parlament haben, glauben daraus natürlich, auch ihren Protest besser legitimieren zu können.

Frage:Der Expertenrat überwacht ja die religiöse Führung des Landes, die wiederum im Einklang mit dem Präsidenten handelt. Könnte sich die Außenpolitik des Irans ändern?

Mützenich: Ich möchte da vor voreiligen Schlüssen warnen. Der Punkt ist, das Atomprogramm bleibt die nationale Klammer des Iran und das sind die unterschiedlichen Gruppen. Es kommt letztlich darauf an, dass wir es schaffen, die Gruppen im Iran zu identifizieren, die Einfluss auf das Atomprogramm nehmen. Ich glaube aber insbesondere, dass zumindest die Gesprächsbereitschaft, die auch nach der Erklärung von Sanktionen jetzt getestet werden muss vielleicht jetzt besser ist. Ich habe das schon in den Gesprächen jetzt heraus gehört und hab auch letztlich darum gebeten, dass der Iran nicht übereilt auf die Sanktionen reagieren soll und schon gar nicht die letztverbliebenen Inspekteure aus dem Land wirft, sondern darauf achtet, dass das innerhalb des internationalen Rechts passiert. Dann, glaube ich, wäre es auch klug, wenn wir darauf achten, dass wir zumindest eine weitergehende Gesprächsbereitschaft signalisieren. Die Resolution darf nicht das Ende von Gesprächen sein.