Interview mit Islamic Republic of Iran Broadcasting (IRIB)

Interview mit Rolf Mützenich
Veröffentlicht: 
Teheran/Berlin 29.05.2006
Thema: 
Deutschland und die iranische Atomkrise

IRIB: Herr Dr. Mützenich, ich darf Sie ganz herzlich begrüßen zu diesem Interview. Sie waren kürzlich in Teheran und haben eine Reihe von Gesprächen geführt. Darf ich Sie zunächst bitten, uns einige Eindrücke über die Reise wiederzugeben?

Mützenich: Ich denke dass es gut ist, dass wir unsere Meinungen gegenseitig austauschen und deswegen habe ich mich auch gefreut nach Teheran reisen zu dürfen. Gleichzeitig waren auch deutsche Wissenschaftler in Teheran, um dort - wie ich - Gespräche über das iranische Atomprogramm zu führen, aber auf der anderen Seite auch über die deutsch-iranischen Beziehungen zu berichten. Die Gespräche waren gut und offen, so dass ich hoffe, dass diese fortgesetzt werden können.

IRIB: Der Kölner Stadt-Anzeiger hat Sie mit dem Satz zitiert, dass Sie davor "warnen sich in der Auseinandersetzung mit dem Iran über dessen Atomprogramm unter Zugzwang setzen zu lassen". Darf ich Sie bitten das näher und im Detail zu erörtern?

Mützenich: Wenn wir auf eine diplomatische Lösung unserer Meinungsverschiedenheiten setzen wollen, gehört zur Diplomatie, dass man auch Geduld miteinander hat und die Meinungen austauscht. Zum Meinungsaustausch gehört auch, dass man zuhört und beim Zuhören dann auch versucht Lösungsansätze zu finden. Nach meinem Dafürhalten darf man sich nicht durch Aufgeregtheiten oder durch Provokationen von einem diplomatischen Weg abbringen lassen. Provokationen, muss man leider sagen, gibt es auf allen Seiten. Deshalb habe ich auch zur Geduld gemahnt und ich glaube, wir haben durchaus Zeit zu einer Lösung zu kommen, die beide Seiten und auch die gesamte internationale Gemeinschaft zufrieden stellen kann.

IRIB: Sind Sie mit der deutschen Iran-Politik zufrieden oder glauben Sie dass diese kritikwürdig ist?
 
Mützenich: Ich kann gut damit leben dass wir auf diplomatischem Wege versuchen wollen eine Lösung unserer Meinungsverschiedenheiten zu finden. Ich glaube gerade die deutsche Bundesregierung, sowohl damals unter der Regierung Schröder als auch heute unter der Regierung Merkel, versucht doch sehr gut - und deswegen unterstütze ich das auch hier - allen Seiten gerecht zu werden. Aber wir treten auch mit Bestimmtheit auf. Ich glaube, dass unsere Rolle gegenüber dem Iran, aber auch z.B. gegenüber den Vereinten Nationen oder in der internationalen Atomenergiebehörde, gehört wird und das spricht für eine kluge Politik und deshalb unterstütze ich Sie.

IRIB: Nach den Medienberichten der letzten Tage kann man den Eindruck gewinnen, dass der deutsche Außenminister bei seinen Gesprächen mit den Verantwortungsträgern der Anrainerstaaten des Persischen Golfes versucht hat die dortigen Regierungen für den amerikanischen Kurs zu gewinnen, was ihm jedoch nicht gelungen ist.

Mützenich: Das teile ich überhaupt nicht, da ich den Außenminister bei der Reise in die sechs Golf-Staaten begleitet und auch an den Gesprächen teilgenommen habe. Es ging überhaupt nicht in irgendeiner Form darum, diese Staaten und diese Regierung in irgendeine Koalition zu zwingen sondern letztlich Meinungen auszutauschen und bei dieser Gelegenheit wurde doch auch sehr deutlich, dass die Golfstaaten aus dieser Sicht ein großes Interesse an einer friedlichen Lösung haben, aber eben auch das der Iran versuchen sollte, mit der internationalen Gemeinschaft zu einer Übereinkunft zu kommen. Da fand ich waren die Meinungsverschiedenheiten überhaupt nicht so groß wie Sie eben unterstellt haben.

IRIB: Die USA setzen die Europäer unter Druck, ihren Kurs zu unterstützen bezüglich des iranischen Atomprogramms. Aber wie Sie wissen, hat sich Iran im Rahmen der geltenden Gesetze und Vorschriften der internationalen Gesetze bewegt. Deshalb können die Iraner diese Politik nicht ganz nachvollziehen weshalb ausgerechnet Deutschland diese Politik unterstützt.

Mützenich: Deutschland unterstützt die internationale Atomenergiebehörde. El-Baradai hat in mehreren Berichten an den Gouverneursrat und auch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen darauf hingewiesen das er zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen kann, dass die Atomexperimente die im Iran durchgeführt werden, auch militärischen Zwecken dienen. Insoweit versucht Deutschland hier zu einer Rolle zu kommen, diese Situation friedlich zu lösen. Der Iran sollte gut daran tun, mit der internationalen Atomenergiebehörde vertrauensvoll zusammen zu arbeiten. Zur Vertrauensbildung gehört letztlich auch darauf Rücksicht zu nehmen, was der Gouverneursrat einstimmig bei der internationalen Atomenergiebehörde gesagt hat, zum jetzigen Zeitpunkt auf die Urananreicherung zu verzichten.

IRIB: Ein weiterer Satz von Ihnen lautet: "Es ist falsch in diesem Zusammenhang auf Russland so verletzend und massiv Druck auszuüben wie dies durch seinen Vize Cheney zuletzt getan wurde". Ist nicht vielleicht doch auch Ihr Eindruck, dass die Amerikaner versuchen, auf Ihre Art und Weise auf Iran Druck auszuüben?

Mützenich: Es ging bei dem Zitat damals darum, dass der Vize-Präsident Cheney, aber dann auch Präsident Bush, massiv auf Russland im Zusammenhang mit der Energiekrise in der Ukraine und auch in diesem Zusammenhang mit der NATO eingewirkt haben. Dies habe ich nicht für richtig erachtet. Ich glaube, dass Russland eine gute Rolle auch dabei spielt, den Atomkonflikt mit dem Iran friedlich zu lösen. In der internationalen Politik sind natürlich starke Länder immer geneigt, auch Druck auszuüben. Dem haben wir z.B. widerstanden, indem wir uns an dem Irak-Krieg nicht beteiligt haben. Diese Tradition sehe ich auch in der jetzigen Politik des Außenministers Steinmeier und auch der Bundeskanzlerin Merkel. Ich glaube hier gibt es eine große Übereinstimmung. Wir folgen keinem Druck, sondern wir wollen, dass aufgeklärt und dieser Konflikt friedlich gelöst wird.

IRIB: Was schlagen Sie persönlich vor damit dieser Konflikt letztlich friedlich gelöst wird?

Mützenich: Ich denke, wir brauchen Geduld, wir brauchen keine Drohungen, auf beiden Seiten nicht. Dies gilt genauso für die USA wie auch für den Iran. Wir sollten einander zuhören, aber auch Meinungen ? und deshalb bin ich glücklich dieses Interview führen zu dürfen - ungekürzt und unzensiert den Menschen zukommen zu lassen. Ich glaube, wir tun gut daran, uns zu informieren und gemeinsam nach einer friedlichen Lösung dieses Konflikts zu suchen. Dafür brauchen wir viele Staaten, dafür brauchen wir die Vereinten Nationen, die internationale Atomenergiebehörde, und: wir brauchen insbesondere den Iran. Der Iran sollte sich nicht in eine Ecke begeben, sondern sollte mit der internationalen Gemeinschaft weiterhin versuchen, vertrauensvoll zusammen zu arbeiten.