"Einfache Antworten werden der Krise nicht gerecht"
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Bekämpfung des IS dient ein ganzes Bündel an verschiedenen Maßnahmen und Instrumenten wie Geheimdienste, Strafverfolgung, die Überprüfung der Finanzwege, aber auch die Zusammenarbeit mit anderen Ländern und die Stabilisierung der Region, der insbesondere vonseiten der Bundesregierung in den laufenden Haushalten, aber auch in der Zukunft große Priorität eingeräumt wird.
Dazu gehört – auch das sage ich an dieser Stelle – ein inklusives und gerechtes Regieren im Irak; auch das ist eine Notwendigkeit, um eine Stabilisierung der Region hinzubekommen. Ich glaube, wir sollten uns immer wieder vor Augen führen:
Leider gibt es auch viele deutsche Staatsbürger, die aufseiten gewaltbereiter Gruppen in dieser Region kämpfen. Das schafft auch eine Verantwortung Deutschlands gegenüber dieser Region. In der Tat: Nicht als einziges, aber als ein Instrument brauchen wir zur Bekämpfung des IS auch militärische Maßnahmen. Darüber werden wir morgen in der Mandatsdebatte noch diskutieren.
Meine Damen und Herren, schwerste Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen sind in Syrien verübt worden, von Russland, aber auch von allen anderen Kriegsteilnehmern, indirekt oder direkt. Ich glaube, es ist notwendig, mit dem Finger auf genau diese Verantwortlichen zu zeigen. Die unterschiedslose Bombardierung von Zivilisten – zum Beispiel im Osten Aleppos, aber auch darüber hinaus – ist ein Menschenrechtsverbrechen, das auch so genannt werden muss.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vonseiten der Sozialdemokratischen Partei haben wir die Bundeskanzlerin gebeten, dies auch heute beim Besuch von Präsident Putin in Deutschland so offen anzusprechen. Ich glaube, das ist richtig. Für mich war es wirklich schrecklich, zu hören, dass die Hilfsorganisationen, die dort immer noch tätig sind, sagen: Auch wir werden mittlerweile Ziel dieser Angriffe.
Es gibt einen bemerkenswerten Beitrag der Vorsitzenden der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Frau Göring-Eckardt, in der FAZ von vor einigen Tagen, dessen Tenor lautet, jetzt müsse man doch endlich etwas tun, die Regierung tue zu wenig. Außerdem wurden Vorschläge gemacht, in Sachen Waffenruhe, Diplomatie, Vereinte Nationen, humanitäre Hilfe und Internationaler Strafgerichtshof endlich voranzukommen.
Frau Göring-Eckardt, Ihr Artikel war nicht auf der Höhe der Zeit. Eine Waffenruhe ist von der Bundesregierung und ihren Partnern immer wieder eingefordert worden. Es ist auch immer wieder vermittelt worden; der Diplomatie sollte zum Durchbruch verholfen werden. Man regte an, dass die Vereinten Nationen aktiv werden. Von Deutschland kam zum Beispiel der Vorschlag, dass sich die Generalversammlung mit diesem Thema befassen soll. Die humanitäre Hilfe steht bei all den Fragen, die wir gegenüber dem Auswärtigen Amt immer wieder angesprochen haben, ganz oben auf der Tagesordnung.
Da Sie unter anderem den Internationalen Strafgerichtshof erwähnt haben, Frau Göring-Eckardt, muss ich Ihnen sagen: Sie hätten die Bundesregierung 2015 loben sollen, als unter deutschem Vorsitz im Menschenrechtsrat genau dieses Thema auf der Tagesordnung gestanden hat und es darum ging, den Internationalen Strafgerichtshof durch Dokumentation zu unterstützen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen eine ehrliche Debatte. Ich finde für Ihren Namensbeitrag keine andere Erklärung, als dass es sich dabei um einen innerparteilichen Wettbewerb handelt. Ich finde aber, dieses Thema ist zu ernst, um es dem innerparteilichen Wettbewerb unterzuordnen.
(Beifall bei der SPD)
Meine Damen und Herren, in der Tat haben Sanktionen gegenüber Russland in den letzten Tagen eine große Rolle gespielt, und man sollte sie auch nicht grundsätzlich ausschließen.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Nicht grundsätzlich ausschließen“! Das ist genau das, was ich meine, dieses Rumgeeiere!)
Ich finde aber, dass die Frage berechtigt ist – auch Sie werden nicht umhinkommen, darauf zu antworten –: Schaffen wir mit Sanktionen das, was wir erreichen wollen, nämlich den Menschen in der Region die konkrete Hilfe zu geben, die wir in der Lage sind zu geben?
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie schaffen Sie das denn? Das ist genau die Frage!)
Das schaffen Sie mit Sanktionen eben nicht, insbesondere dann nicht, wenn Sie nicht ehrlich sind. Sie dürfen nämlich nicht nur einen Kriegsteilnehmer benennen, sondern müssen alle Kriegsteilnehmer in Syrien und darü-ber hinaus benennen. Ich finde, da haben Sie noch eine Menge zu tun. Hier wäre kein Namensartikel notwendig gewesen; stattdessen hätten Sie eine Menge benennen können.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir Sozialdemokraten sind nicht naiv gegenüber Russland. Insbesondere aber tun wir eines nicht: Wir biedern uns Putin nicht an. Das tun andere, und ich finde das falsch. Der entscheidende Punkt ist aber, dass wir sagen: Russland ist, egal wie es sich verhält, Nachbar Europas, und wir müssen versuchen, auch mit Russland immer wieder im Gespräch zu sein. Deswegen begrüßen wir, dass Präsident Putin heute nach Berlin kommt. Ich finde, Russland braucht unsere Aufmerksamkeit. Man muss Putin letztlich aber auch sagen, dass er kein verlässlicher Partner mehr ist, so wie ich ihn mir gewünscht habe. Spätestens mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim ist er andere Wege gegangen.
Ich sage sehr eindeutig: Einfache Antworten werden dieser Krise, die längst über Syrien hinausgeht, nicht gerecht.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.