Warum sich Gernot Erler aus der Fraktionsspitze zurückzieht
BZ: Herr Erler, Frank-Walter Steinmeier kehrt für die SPD ins Außenministerium zurück. Sie waren in seiner ersten Amtszeit Staatsminister, kehren aber nicht ins Auswärtige Amt zurück. Und nun kandidieren Sie auch nicht mehr als Vize für Außen-, Sicherheits-, Entwicklungs- und Menschenrechtspolitik in der SPD-Fraktion. Was hat Sie dazu bewogen?
Gernot Erler: Ich hatte verschiedene Optionen, unter anderem bin ich oft gefragt worden, ob ich ins Auswärtige Amt zurückkehre. Aber dieser Weg ist versperrt worden durch die Querbesetzung, die von den Koalitionspartnern verabredet worden ist. Weil Aydan Özoguz für die SPD als Staatsministerin für Integration ins Kanzleramt geht, hat die CDU gewollt, dass ihre Vorgängerin Maria Böhmer als Staatsministerin ins Auswärtige Amt geht. Deswegen ist diese Position besetzt. Was die Fraktion angeht, war mir klar, dass dieses Mal eine Verjüngung stattfinden muss. Ich halte das für einen ganz normalen Prozess und habe dafür den Weg freigemacht.
BZ: Wer wird in der Fraktion nachfolgen?
Erler: Ich mache Platz für den langjährigen außenpolitischen Sprecher, Rolf Mützenich aus Köln, der 15 Jahre jünger ist als ich.
BZ: Nicht mehr mitwirken zu können, schmerzt Sie das?
Erler: Das ist ja nicht der Fall, ich bleibe in der Außenpolitik aktiv, als Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags und als Stellvertreter in anderen Ausschüssen. Aber es macht ja auch Sinn für die SPD-Fraktion, dass die nächste Generation Verantwortung übernimmt. Auch um 2017 in der Lage zu sein, vielleicht in anderer Weise eine Regierung zu bilden. Ich denke, dass ich durch meinen Rückzug einen Beitrag dazu leiste.
BZ: Was wird der alte und neue Außenminister Steinmeier anders machen als der zwischenzeitliche Minister Westerwelle?
Erler: Ich werde dem scheidenden Außenminister jetzt nicht die Leviten lesen. Aber aufgefallen ist doch, dass der Minister zwar ständig irgendwo auf der Welt aufgetaucht ist, aber ohne zum Aufbau geeignete Ergebnisse das Amt verlässt.
BZ: Viel war in der vergangenen Legislaturperiode die Rede davon, das Auswärtige Amt habe gegenüber dem Kanzleramt an Bedeutung verloren. Wird Steinmeier da gegensteuern?
Erler: Jeder weiß, dass Frank-Walter Steinmeier ein politisches Schwergewicht ist und nicht tatenlos zusehen wird, dass ihm Zuständigkeiten entzogen werden. Viele europapolitische Fragen sind zwar schon im Kanzleramt gelandet, aber wir sehen auch, dass es viel Kritik in Europa an den Konzepten von Frau Merkel gibt. Es kann also sein, dass hier der Außenminister gebraucht wird, um eine Blockade nicht erst entstehen zu lassen. Es war vermutlich auch eine strategische Entscheidung der Kanzlerin, Frau von der Leyen zur Verteidigungsministerin zu machen. Wenn ich ihre ersten Sätze richtig interpretiere, hat sie über die Bundeswehr hinaus Ambitionen in der internationalen Politik. Auch hier wird das Schwergewicht Steinmeier gefragt sein.
BZ: Sehen Sie da jetzt schon mögliche Konfliktlinien mit der Kanzlerin?
Erler: Konflikt ist vielleicht übertrieben, aber es ist ja klar, dass jeder versuchen wird, Terraingewinne zu machen beziehungsweise den eigenen Zuständigkeitsbereich abzusichern.
BZ: Sie sprachen die Wahl 2017 an: Ist Ihr Rückzug aus der Fraktionsspitze der Beginn des Rückzugs aus dem Bundestag?
Erler: Auf keinen Fall. Ich bin für vier Jahre gewählt. Alles andere wird sich im Laufe der Zeit ergeben.
BZ: Wird Ihnen die Entscheidung auch mehr Zeit fürs Privatleben verschaffen?
Erler: Sie gibt mir die Möglichkeit, mehr im Wahlkreis zu sein. Vielleicht habe ich auch ein bisschen mehr Privatleben. Natürlich war es eine schwere Entscheidung für mich, um das nochmal deutlich zu sagen, ich war immer mit Herzblut dabei und habe gerne mit dem Fraktionsvorsitzenden Steinmeier zusammengearbeitet.
BZ: Sie haben bei der Bundestagswahl Ihr Direktmandat in Freiburg nicht verteidigen können. Hat der Rückzug damit zu tun, dass Sie nochmal angreifen wollen?
Erler: Wie eingangs erwähnt hat mein Rückzug allein mit der Verjüngung der Fraktionsspitze zu tun.
Gernot Erler (69) ist seit 1987 für die SPD im Bundestag, 1998 wurde er Stellvertretender Fraktionsvorsitzender. 2005 bis '09 war er Staatsminister im Auswärtigen Amt.