Moskau setzt auf einen Außenminister Steinmeier
Nach massiven deutsch-russischen Verstimmungen soll der Petersburger Dialog in Kassel den Neustart in den Beziehungen zu Moskau markieren. Der Kreml hofft auf einen altbekannten Hoffnungsträger: den designierten Außenminister Frank-Walter Steinmeier.
Wenn am Mittwoch Vertreter aus Deutschland und Russland zum Petersburger Dialog in Kassel zusammenkommen, dann treffen sie sich in spartanischer Atmosphäre. Ungewohnte Geldsorgen plagen das einst von Wladimir Putin und Gerhard Schröder aus der Taufe gehobene Forum. Statt wie bisher je 100 Teilnehmer aus beiden Ländern werden nur rund 60 Vertreter miteinander diskutieren. Das knappe Budget erlaubt nicht mehr in diesem Jahr.
Der Petersburger Dialog, oft kritisiert wegen kostspieliger Empfänge, tagt in diesem Jahr zwangsverschlankt. Die Regierungskonsultationen müssen entfallen, Berlin steckt noch mitten in der Regierungsbildung. Und ohne eine Teilnahme von Bundeskanzlerin Merkel und Putin knausert die Wirtschaft bei den Sponsorengeldern.
Dennoch: Das Treffen soll den Auftakt bilden zu einem Neustart in den Beziehungen zwischen beiden Ländern. Denn Russland taucht im Koalitionsvertrag von SPD und Union so prominent auf wie kein zweites Land. Dort haben die Verhandler Russland ein ganzes Kapitel gewidmet, gleich nach Bemerkungen zur Nato.
Fast eine volle Seite haben die Verhandler den Beziehungen zu Russland gewidmet. "Offener Dialog und breitere Zusammenarbeit mit Russland" heißt das Kapitel auf Seite 169. Außenpolitiker und Wirtschaftsvertreter in beiden Ländern sind erfreut, sie hoffen auf eine deutliche Verbesserung der Beziehungen.
Koalition plant "Weiterentwicklung" des Forums
Denn so schlecht wie zuletzt war das Verhältnis lange nicht. Den Tiefpunkt markierte vor einem Jahr eine russland-kritische Resolution der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und den Grünen, die ungewohnt deutlich die Menschenrechtslage in Russland kritisierte. Die Regierung in Moskau reagierte vergrätzt mit Angriffen auf Merkels Russlandbeauftragten Schockenhoff. Es folgten Durchsuchungen bei NGOs und den Büros deutscher Stiftungen, bei der Konrad-Adenauer-Stiftung beschlagnahmten russische Fahnder sogar Computer.
Berlin revidiert seine Kritik nicht, will den Dialog mit Russland aber auf eine breitere Basis stellen. Dazu gehört auch ein eindeutiges Bekenntnis zum Petersburger Dialog. Die Koalition plant eine "Weiterentwicklung" des Forums.
Die Bundesregierung erwägt offenbar auch die Gründung eines Instituts für Russland-Studien. Die "Russland- und Osteuropa-Kompetenz in Deutschland" soll so "auf eine solide Grundlage" gestellt werden. Um die ist es schon lange schlecht bestellt, sagen Experten wie Heike Dörrenbächer, Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO).
Seit Jahren kämpft ihr Verband beim Wissenschaftsministerium für ein aus Bundesmitteln gefördertes Forschungsinstitut für Osteuropa. Vorbild sind Finnland und Polen, wo sich in solchen Zentren bis zu 40 Wissenschaftler mit der Region beschäftigen. Bis dahin sei es noch ein weiter Weg, sagt Dörrenbächer. Sie wünscht sich, dass die neue Bundesregierung schon bald eine Gründungskommission einsetzt.
Zwischen Union und SPD herrscht seltene Einigkeit
Die neue Regierung sieht ihren Kurs damit durchaus als Fortsetzung der Russland-Resolution vom Vorjahr. Wichtig sei eine "ausgestreckte Hand, aber auch Kritik dort, wo sie uns politisch notwendig erscheint", sagt Merkels Russland-Koordinator Andreas Schockenhoff. So werden im Koalitionsvertrag nicht nur Chancen für einen Ausbau der bilateralen Beziehungen genannt, sondern auch Erwartungen an Russland formuliert: Moskau müsse "rechtsstaatliche und demokratische Standards einhalten, zu denen sich Russland auch international verpflichtet hat", heißt es in dem Papier.
Da herrscht seltene Einigkeit zwischen Union und SPD. "Deutschland wünscht sich Russland als einen modernen und kooperativen Partner", sagt SPD-Außenexperte Gernot Erler. Dabei steht seine Partei meist für einen zurückhaltenderen Kurs gegenüber Moskau. Im Wahlkampf verbreitete Kanzlerkandidat Peer Steinbrück die Ansicht, Kritik solle "in bilateralen Gesprächen und nicht auf dem Marktplatz" geäußert werden.
Bei den Koalitionsverhandlungen verhinderte die SPD die eine oder andere kritische Formulierung im neuen Vertragswerk. Die Union sei mit dem Vorhaben gescheitert, einen schärferen Kurs gegenüber Russland einzuschlagen, sagt Rolf Mützenich, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.
Spärliche Reaktionen aus Moskau
Freuen dürfte das die deutsche Wirtschaft, die mit gut 6000 Unternehmen in Russland vertreten ist. Auch die geplanten Erleichterungen bei der Visavergabe stoßen bei Unternehmen auf Zustimmung. Auch die Modernisierungspartnerschaft, 2008 ersonnen vom damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), könnte neuen Schwung bekommen. "Die Modernisierungspartnerschaft hat nicht die Erfolge erzielt, die wir uns erhofft hatten", sagt auch Michael Harms, Geschäftsführer der Auslandshandelskammer in Moskau. Nun aber stünden die Zeichen auf Neubeginn.
Die Reaktionen aus Moskau zum Koalitionsvertrag fallen spärlich aus. Die Fortsetzung der Modernisierungspartnerschaft wird in Russland aber positiv gesehen, glaubt Alexander Rahr, Forschungsdirektor des Deutsch Russischen Forums und Russland-Berater des Energieunternehmens Wintershall.
Gleiches gelte für die Rückkehr des designierten Außenminister Frank-Walter Steinmeier. "Steinmeier ist überzeugt davon, dass die Sicherung des Friedens in Europa nur gemeinsam mit Russland möglich ist", sagt Rahr. Das kommt gut an in Moskau. Überhaupt verbinden sich mit der Person Steinmeier die größten Hoffnungen der Russen. Oder wie die Zeitung "Nesawissimaja Gaseta" kommentierte: Steinmeier sei "zweifellos viel bekannter und kompetenter als sein Vorgänger".