Köhler verstört Regierung und Opposition
Bundespräsident Horst Köhler hat mit Äußerungen über den Zusammenhang von Bundeswehreinsätzen im Ausland und deutschen Wirtschaftsinteressen die Opposition gegen sich aufgebracht und die Koalition irritiert. In ungewöhnlich deutlicher Form verurteilten SPD und Grüne die Worte des Staatsoberhauptes. Auch die Union distanzierte sich von Köhlers Aussagen. Die Linksfraktion will sie zum Anlass nehmen, den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan zu beantragen.
Gefallen sind die Äußerungen in einem Interview, das Köhler am Samstag nach einem Afghanistan-Besuch dem Deutschlandfunk gegeben hatte. Darin sagte er, "dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall, auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unserer Interessen zu wahren." Es gelte, freie Handelswege zu sichern und "ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen." Gemeint gewesen sei etwa die Atalanta-Mission gegen Piraterie, betonte ein Sprecher Köhlers nun. Im Interview war jedoch ausdrücklich nach Afghanistan gefragt worden.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU), bemängelte, Köhler habe "keine besonders glückliche Formulierung" gewählt. "Es wird jetzt noch schwerer, den Afghanistan-Einsatz zu erklären", sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Rolf Mützenich. Der Bundestag habe allen Auslandseinsätzen der Bundeswehr nur auf Grundlage eines Mandats der UN zugestimmt., Es sei falsch, dies nun mit wirtschaftlichen Interessen zu verknüpfen. "Der Bundespräsident offenbart entweder Unkenntnis oder Ungeschicklichkeit", sagte der Fraktionschef der Grünen, Jürgen Trittin, der Süddeutschen Zeitung. "Offenbar sind fast acht Jahre Debatte und Rechtssprechung zu diesem Einsatz am Präsidialamt vorbeigezogen." Köhler müsse sich korrigieren, verlangte Trittin. "Wir brauchen weder eine Kanonenboot-Politik noch eine lose rhetorische Deckskanone an der Spitze des Staates", sagte er.
Linken-Fraktionschef Gregor Gysi nannte Köhlers Worte unverantwortlich. "Für Export und Freihandel kann man alles Mögliche tun, aber sicher keine Kriege führen", sagte er der SZ. Immerhin formuliere Köhler ehrlicher als andere, worum es in Afghanistan gehe. Seine Fraktion werde nun erneut den Abzug der Soldaten aus Afghanistan beantragen und in der Begründung Köhler zitieren.
Laut Mandat des Bundestages gilt der Einsatz am Hindukusch der "Unterstützung der Regierung von Afghanistan bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit, auch und besonders zum Schutz der Bevölkerung". Um die Sicherheit der Handelswege gehe es zwar beim Anti-Piraten-Einsatz am Horn von Afrika. Auch dort steht aber im Mandat humanitäre Hilfe im Vordergrund. "Freier und ungehinderter Welthandel als Grundlage unseres Wohlstandes" wird indes im Weißbuch zur deutschen Sicherheitspolitik von 2006 als ein nationales Interesse Deutschlands aufgeführt.