Deutsche Kritik an "Koalition der Willigen"

Ablehnend hat die deutsche Politik auf den Hinweis von US-Außenministerin Condoleezza Rice reagiert, im Falle einer uneinheitlichen Position des Weltsicherheitsrates könne auch eine "Koalition der Willigen" gegen Teheran vorgehen. Der CSU-Außenpolitiker Karl-Theodor zu Guttenberg bezeichnete diese Terminologie, unter der die USA mit ihren Verbündeten 2003 den Krieg gegen den Irak geführt hatten, als "völlig unbrauchbar". Washington solle sich lieber darum bemühen, die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates und Deutschland, die derzeit über das Atomprogramm des Iran verhandeln, zu einer Einigung zu bringen. Die aktuelle Wortwahl erleichtere die Suche nach einer vernünftigen Lösung nicht, so Guttenberg zur WELT. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckart von Klaeden (CDU), sagte, er verstehe Rice so, "daß sie die Lage für ernst hält und daß sie außerdem Teheran deutlich machen will, das Regime dürfe nicht auf ein Auseinanderfallen der internationalen Staatengemeinschaft spekulieren".

Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich kritisierte ebenfalls den verwendeten Begriff. "Von der "Koalition der Willigen" sind im Irak nur wenige Länder übrig geblieben", so Mützenich im Gespräch mit dieser Zeitung. Der Bundestagsabgeordnete forderte statt dessen "eine Koalition der Vernünftigen". Dazu wäre es nötig, daß die USA direkte Gespräche mit dem Iran aufnehmen. Für derartige Gespräche zwischen Washington und Teheran hatte sich unlängst auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ausgesprochen. Auch BundeskanzlerinAngela Merkel (CDU), die Anfang Mai Präsident George W. Bush in Washington trifft, drängt dem Vernehmen nach auf direkte Kontakte.

Die Opposition lehnt den Vorstoß von Rice ebenfalls ab. Werner Hoyer, außenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, sagte, diese Äußerungen erschienen ihm als "gewissermaßen frustrierter Reflex darauf, daß sich Rußland und China im Weltsicherheitsrat offensichtlich immer noch nicht bereit finden, den Druck auf den Iran zu erhöhen". Nicht zuletzt "die massiven Probleme im Irak werden die USA letztlich zehnmal überlegen lassen, ob sich eine militärische Option gegenüber dem Iran wirklich stellt", so Hoyer.

Die Grünen-Außenpolitikerin Angelika Beer forderte die Bundesregierung auf, "deutlich zu erklären, daß Berlin für eine Koalition der Willigen unter keinen Umständen zur Verfügung steht". Die Europa-Abgeordnete sagte, Deutschland müsse vielmehr "alles daran setzen, daß Europa eine Koalition der Kriegsunwilligen bleibt".  Beer kritisierte gegenüber derWELT, noch bevor Washington Gespräche mit Teheran aufgenommen habe, "hat Frau Rice das Tischtuch mutwillig zerschnitten".

Autor: 
von Ansgar Graw und Joachim Peter
Veröffentlicht: 
Die Welt, 21.04.2006
Thema: 
Deutsche Reaktionen auf Iran-Kriegspläne