Statt neuer Raketen brauchen wir mehr Diplomatie
Anlässlich des jüngsten amerikanischen Raketenabwehrtests erklärt der abrüstungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich:
Die US-Armee hat vergangenen Freitag nach eigenen Angaben ein
weltraumgestütztes System unter realistischen Bedingungen zur Abwehr
von Raketen erfolgreich getestet. Das Experiment ist ein weiterer
Baustein im breiten Arsenal der amerikanischen Raketenabwehr.
Mittlerweile umfasst das Programm boden-, luft- und weltraumgestützte
Aufklärungs- und Abwehrsysteme. Damit verfügen die USA über ein
Rüstungsprogramm, das zusammen mit ihren atomaren und konventionellen
Fähigkeiten einzigartig in der Welt ist. Andere Länder und
Militärbündnisse beabsichtigen ebenfalls Raketenabwehrsysteme zu
entwickeln oder auszubauen. Auch die NATO plant den Aufbau eines
solchen Systems, das unter Umständen mit dem US-amerikanischen
verknüpft werden könnte.
Längst hat die Entwicklung im Bereich der Raketenabwehr zu neuen
Unsicherheiten geführt. Der Streit um die Stationierung in Polen und
der Tschechischen Republik ist nur ein Beispiel für die Folgen eines
unkontrollierten Rüstungswettlaufs. Indem die Raketenabwehr auch vor
dem Weltraum nicht mehr Halt macht und auch die VR China ihre
Fähigkeiten zur Zerstörung von Satelliten dokumentiert hat, muss sich
die Rüstungskontrolle dringend wieder den Folgen dieser Problematik
zuwenden. Statt neuer Raketen brauchen wir wieder mehr Diplomatie und
Gestaltungskraft in der internationalen Politik.
Während des Kalten Krieges war der Vertrag über die Begrenzung der
Raketenabwehr (ABM-Vertrag) ein Beitrag zur Stabilität innerhalb eines
Katalogs anderer Rüstungskontrollabkommen. Daran sollten wir uns heute
erinnern. Wenn es richtig ist, dass Raketenabwehr Teil der
Rüstungsanstrengungen bleiben wird, müssen verantwortliche Regierungen
über neue Regeln in diesem Bereich nachdenken. Begrenzung, Kontrolle
und Dialog könnten Leitideen für einen neuen ABM-Vertrag sein. Der
Weltraum muss gänzlich frei von Waffen bleiben.
Europa würde von einem solchen Abkommen profitieren. Die Spannungen mit
Russland könnten reduziert werden, ohne vollständig auf die
Abwehrleistung gegen vermutete neue Gefahren verzichten zu müssen.
Sollten die USA und Russland demnächst wieder über die Begrenzung und
Abrüstung von Atomwaffen verhandeln, muss die Raketenabwehr ebenfalls
mit auf die Tagesordnung.