Eine militärische und politische Herausforderung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich glaube, es ist ein Hinweis, den man am Anfang einer Debatte geben muss: dass die Bekämpfung von ISIS, also des "Islamischen Staats", auch eine militärische Herausforderung ist. Das, was wir in den letzten Stunden und Tagen gehört haben, nämlich dass es offensichtlich gelungen ist, Kobane zu befreien und ISIS auch in diesem Gebiet zurückzudrängen, deutet darauf hin, dass diese Auseinandersetzung militärisch geführt werden muss.
Wir wissen auch, dass es ohne Sicherheit keine Entwicklung gerade in diesem Gebiet gibt. Deswegen ist es sehr naheliegend, dass das deutsche Engagement gerade im kurdischen Teil des Irak stattfindet. Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, sich ehrlich machen würden, würden Sie es an dieser Stelle auch einmal sagen. Sie sind in diesem Gebiet unterwegs - darauf weisen Sie ja oft hin -, wie wir auch. Ohne die Begleitung oder zumindest ohne die Rahmenbedingungen, die offensichtlich auch durch die Peschmerga und andere hergestellt werden, würden Sie sich gar nicht in dieses Gebiet wagen können. Ich finde, das zu sagen, gehört zu einer ehrlichen Debatte dazu.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Es ist eine militärische Herausforderung. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist genauso eine politische Herausforderung; das ist wahrscheinlich noch wichtiger, weil das nämlich langfristig trägt. Letztlich ist in dem Gebiet, über das wir bei dieser Ausbildungsmission sprechen, ein regionaler Ansatz geboten; nur so wird dieser Konflikt am Ende zu lösen sein.
Ich würde gern daran erinnern, dass ISIS offensichtlich auch deshalb so viel Gefolgschaft hat, weil es in den letzten Jahren Staatsversagen in der Region gegeben hat, weil die Regierungen nicht in der Lage gewesen sind, ein Minimalangebot für die Menschen bereitzuhalten.
Korruption und vieles andere haben dazu geführt, dass ISIS eine Legitimation von der Bevölkerung bekommt. Das ist eine politische Auseinandersetzung, in der wir von Deutschland aus durchaus sagen müssen: Es besteht eine Verpflichtung der dortigen politischen Akteure, zu einer guten Regierungsführung zu kommen. Der damalige jordanische Kronprinz, Prinz Hassan, hat ja darauf hingewiesen, dass genau das letztlich das Erfolgsrezept für die Region ist. Deswegen glaube ich: ?ISIS bekämpfen? umfasst mehr als nur den militärischen Ansatz, aber ohne den militärischen Ansatz wird es keine Voraussetzungen für politische Lösungen geben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Deswegen müssen wir auch von dieser Stelle aus sagen: Natürlich müssen vornehmlich aus der Region Lösungen aufgezeigt werden, müssen sich die auf den Weg machen, die hoffentlich eine andere Regierungsführung zeigen. In der Tat müssen wir darauf achten, dass ISIS nicht mehr diese Gefolgschaft bekommt. Wir wissen, sunnitische Stämme, auch restliche Teile der Baath-Partei, sind gerade in diese Gruppierungen mit aufgenommen worden, und nur eine Einheitsregierung im Irak wird es schaffen, diese Kräfte aus der ISIS wieder herauszulösen.
Der Außenminister und sein Haus haben letztlich immer wieder darauf hingewiesen: Insbesondere geht es um die Delegitimierung des Kalifats. Ich finde, das ist einer der wichtigen Bestandteile, zu dem man immer wieder Fragen an den Irak, insbesondere aber an Saudi-Arabien, richten muss, da offensichtlich von dort eine gewisse Legitimierung kommt. Deswegen glaube ich, der Ansatz vonseiten der Bundesregierung und auch der europäischen Partner, dass die Unterstützung Deutschlands nicht bedingungslos ist, war richtig gewählt. Voraussetzung ist, dass es in Bagdad zu einer anderen Regierung gekommen ist und dass diese mit dafür gesorgt hat, dass religiöse und ethnische Teile mit an den Tisch geholt und in die Regierungsführung einbezogen werden.
Wir sehen ja auch Fortschritte. Wir sehen zum Beispiel die Verwirklichung des Ölgesetzes und die Unterstützung des kurdischen Haushaltes vonseiten der Zentralregierung. Das schafft nach unserem Dafürhalten möglicherweise ein Umfeld, in dem ein besseres Regieren möglich ist, um so ISIS die Legitimation zu entziehen.
Dazu kommt der zweite Punkt. Auch hier bin ich der Bundesregierung, vor allem der Bundeskanzlerin, aber auch dem Außenministerium, sehr dankbar, dass sie dies immer wieder in Angriff genommen und gesagt hat: Die regionalen Akteure wie der Iran, wie Saudi-Arabien, wie Katar und die Türkei haben die Verpflichtung, ein regionales Sicherheitsumfeld zu schaffen, in dem möglicherweise Entwicklung stattfinden kann. Ich glaube, der Iran ist nicht nur ein Teil des Problems, sondern er bietet auch eine Möglichkeit, um die Probleme mit lösen zu können. Daher glaube ich, wir müssen ihn viel stärker fordern und einbeziehen; und das gilt nicht nur für den Irak, sondern das gilt genauso für Syrien.
Daher bin ich sehr dankbar, dass zum Beispiel der Beauftragte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen nicht nur Vorschläge für lokale Waffenstillstände oder Waffenruhen in Syrien gemacht hat, sondern dass er versucht, die Probleme, die sich daraus ergeben, auch mit diesen anderen Staaten zu besprechen, und versucht, dass auch sie möglicherweise im Rahmen von Genf III am Tisch Platz nehmen, um zu einer Problemlösung zu kommen.
Meine Damen und Herren, ich würde gern zu dem rechtlichen Rahmen dieses Mandats kommen, weil wir in den letzten Tagen und Stunden immer wieder gehört haben, dass der eine oder andere Zweifel besteht. Erstens bin ich der Bundesregierung dankbar, dass sie dieses Parlament im Zweifel mit in die Mandatierung einbezieht. Ich finde, wir sollten es über alle Fraktionen hinweg loben, dass die Bundesregierung den Bundestag dennoch einbindet - nicht nur in die politische Diskussion, sondern in die Mandatierung -, auch wenn im Zweifelsfall vielleicht doch kein Mandat erforderlich ist. Allein die Aufgabe und die Größenordnung machen es notwendig, dass wir heute als Deutscher Bundestag darüber entscheiden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der zweite Punkt: Die Frage der Mandatsklarheit finde ich in dem Antrag der Bundesregierung sehr überzeugend ausgeführt. Es ist eine überschaubare Aufgabe. Sie wird mit verlässlichen Partnern durchgeführt. Es werden keine Strukturen geschaffen, die selbstbindend sind oder sozusagen zeitlos wirken werden. Vielmehr stehen wir insbesondere vor der Möglichkeit, die Führung relativ schnell, nach sechs Monaten, an andere Partner zu übergeben. Gestern hat der Bundesaußenminister im Auswärtigen Ausschuss von Italien gesprochen. Ich finde es richtig, dass zum Beispiel die Bundeswehr die Peschmerga an defensiven Waffensystemen ausbildet. Die Frage der Minenräumung und andere Dinge spielen für die Menschen vor Ort die entscheidende Rolle. Wenn da die Bundeswehr Hilfestellung geben kann, sollte sie es tun.
Die Beschlüsse der Vereinten Nationen sind klar; sie müssen aber im Zusammenhang gesehen werden. Ich vermisse, dass neben der Resolution 2170 zu wenig auf die Resolutionen 2169 und 2178 eingegangen wird; denn diese bieten den Rahmen für ein kollektives Sicherheitssystem, in dem es möglich ist, die Aufgabe an die Mitgliedsnationen zu überweisen.
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie stehen aber nicht im Mandat!)
Sie stehen im Mandat. Deswegen bin ich der Meinung, dass Ihr Vorwurf nicht stimmt, es sei ein Novum, was heute vonseiten des Deutschen Bundestages möglicherweise beschlossen wird. Es gab bereits andere Mandatstexte - da ging es um AFISMA und andere Einsätze -,die keine unmittelbare Folgewirkung hatten. Wenn Ihre Kritik glaubwürdig sein soll, dann müssen Sie auch die damaligen Beschlüsse kritisieren. Auch das gehört zu einer ehrlichen Debatte mit dazu.
(Zuruf des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])
Sie können fragen oder gleich in der Debatte noch etwas dazu sagen.
Es gibt Ratschläge, die besagen, dass wir den europäischen Rahmen suchen müssen. Das mag sein. Aber der Außenminister hat gestern im Auswärtigen Ausschuss angedeutet - auch das sollten wir der Öffentlichkeit deutlich sagen -, wie schwierig dieser Prozess mit den europäischen Partnern ist. Das zu erwähnen, gehört zur Ehrlichkeit mit dazu; denn unterschiedliche Regierungen verknüpfen unterschiedliche Ziele damit.
Sie diskutieren ja rechtlich; entsprechende Aussagen hat der Kollege Schmidt in der ersten Beratung gemacht. Dann müssen Sie aber auch das Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts hier zitieren. Aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts ist Europa bis zum jetzigen Zeitpunkt kein System kollektiver Sicherheit. Sie verlangen immer, dass wir alles tun müssen, um an dieser Stelle rechtlich auf der sicheren Seite zu sein. Ich glaube, Sie machen sich mit dieser Forderung nur einen schlanken Fuß, damit Sie an diesem Mandat heute nicht mitwirken müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Was die Bundesregierung heute vorgelegt hat, ist eine rechtlich einwandfreie Herleitung. Sie bietet auch Möglichkeiten der Mitberatung. Letztlich besteht das System auch darin, dass uns eine legitime Regierung und das irakische Parlament gebeten haben, an dieser Ausbildung mitzuwirken.
Der Beitrag Deutschlands ist in der Tat nicht überragend. Aber er ist das, was wir zurzeit liefern können. Ich finde, er ist auch richtig begründet. Wir sollten uns in dieser Debatte selbstbewusst klarmachen, was wir in der Vergangenheit unternommen haben. Beim gezielten Aufbau, bei der humanitären Hilfe und bei der Unterstützung der Länder in dieser Region, die die Hauptlast der Aufnahme von Flüchtlingen tragen, haben wir viel unternommen. Insbesondere haben wir eine Diskussion geführt, die ich vor wenigen Jahren nicht für möglich gehalten habe. Ein Großteil der Menschen in Deutschland ist bereit, Flüchtlingen in Not eine Art Heimat zu bieten. Dieses Signal geht von dieser Debatte aus.
Frau Präsidentin, wenn ich das am Schluss noch erwähnen darf: Neben der guten rechtlichen Herleitung, die die Bundesregierung erarbeitet hat, gehört zu einer ehrlichen Debatte, dass wir uns demnächst darüber unterhalten müssen, ob die eine oder andere Regierung in dieser Region nicht erneut möglicherweise eine Situation herbeiführen wird, die bewirkt, dass noch mehr Gewalt in diese Region hineingetragen wird. Mir machen autoritäre Regierungen große Sorgen, die keine Rücksicht auf die Menschenrechte nehmen. Darüber sollten wir im Deutschen Bundestag eine ehrliche Diskussion führen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.