"Ein starkes Signal der Unterstützung"

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Für eine Region, die seit langem keinen Frieden mehr kennt, ist die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen einer der wenigen Lichtblicke. Wir sollten uns das angesichts der Dramatik, die in dieser Region derzeit vorherrscht, vergegenwärtigen. Insbesondere in Syrien - darauf haben alle Rednerinnen und Redner bei der Diskussion über den Einzelplan des Auswärtigen Amtes hier im Deutschen Bundestag hingewiesen - kennen die Barbarei und die Verzweiflung der Menschen, die tagtäglich mit Gewalt und Vertreibung konfrontiert sind, kein Ende.

Ich bin sicher, ich spreche für das gesamte Haus, wenn ich sage, dass viele der Kolleginnen und Kollegen auch in den eigenen Wahlkreisen von den Schicksalen Einzelner wissen und versuchen, ganz persönlich zu helfen. Das ist einer der Beiträge, die Deutschland leisten kann, insbesondere wenn es um humanitäre Hilfe geht.

Es gibt weitere Punkte in der Region, die Anlass zu Pessimismus geben: die Rückkehr autoritärer Regime, Aufrüstung und Mangel an Vertrauensbildung. Leider herrscht an vielen Stellen noch Misstrauen. So wissen wir immer noch nicht, ob wir Mitte dieses Jahres eine erfolgreiche Lösung der iranischen Atomkrise erleben werden.

In diesen Tagen - der Bundesaußenminister hat es angesprochen - müssten wir uns die größten Sorgen auch darum machen, dass die Friedensbemühungen im Nahen Osten, die insbesondere vom amerikanischen Außenminister immer wieder sehr stark vorangetrieben worden sind, am seidenen Faden hängen. Möglicherweise sind sie bereits gescheitert.

Deswegen war es gut - das sage ich auch an die Mitglieder der Bundesregierung gerichtet -, dass die neue Bundesregierung sofort entschieden hat, sich an der Vernichtung der Chemiewaffen zu beteiligen. Ich danke dem Bundesaußenminister und der Verteidigungsministerin für ihre gemeinsame Initiative. Wir brauchen dafür heute ein starkes Signal der Unterstützung aus dem Deutschen Bundestag.

Das, worüber wir heute diskutieren, ist alles andere als ein symbolisches Mandat. Deswegen will ich auf einzelne Punkte eingehen, die in den letzten Tagen immer wieder verzweifelt gesucht wurden - so muss ich das sagen -, um eine Ablehnung zu rechtfertigen. Ich fand die Argumente, die in der ersten Lesung vorgetragen worden sind, schon sehr zweifelhaft. Das, was ich in den letzten Tagen gehört und gelesen habe, hat diesen Eindruck verstärkt. Ich will einige Punkte benennen:

Einige sagen, es liege keine ausdrückliche Einladung an die Bundesregierung, an Deutschland vor, sich an dieser Mission zu beteiligen. Ich bitte diejenigen, die das so sehen, in die Resolution 2118 (2013) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu schauen. Unter Ziffer 10 heißt es, dass der Sicherheitsrat die Mitgliedsländer bittet - ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin -,

Unterstützung bereitzustellen, darunter Personal, technischen Sachverstand, Informationen, Ausrüstung, Finanzmittel und sonstige Ressourcen und Hilfe, um die OVCW und die Vereinten Nationen in die Lage zu versetzen, die Beseitigung des Chemiewaffenprogramms der Arabischen Republik Syrien durchzuführen, und beschließt, die Mitgliedstaaten zu ermächtigen, die vom Generaldirektor der OVCW ermittelten chemischen Waffen zu erwerben, zu kontrollieren, zu transportieren, weiterzugeben und zu vernichten -

Ich weiß nicht, ob es eine bessere Einladung geben kann als die vom höchsten Souverän in der internationalen Politik. Ich finde, das sollten wir zur Kenntnis nehmen. Möglicherweise ist die Einladung etwas kompliziert ausgedrückt. Aber ich finde schon, dass wir die Einladung annehmen sollten. Deutschland ist ein guter Partner in den Vereinten Nationen. Deswegen sollten wir diese Debatte nicht mehr führen.

Ein anderes Argument war, der Schutz sei unnötig. Nun haben wir oft eine Debatte darüber geführt, ob die syrische Regierung oder möglicherweise die Aufständischen für den Einsatz der Chemiewaffen, für den Angriff mit chemischen Waffen verantwortlich sind. Ich glaube immer noch, dass eine Menge Indizien dafür sprechen, dass es das Regime Assad gewesen ist. Sie wissen auch, dass diejenigen, die das im Namen der Vereinten Nationen überprüft haben, nicht ermächtigt waren, genau festzustellen, wer es war. Wenn Sie darauf hinweisen, dass es auch die Aufständischen gewesen sein könnten, dann ist es doch umso notwendiger, dass wir einen Schutz organisieren, insbesondere weil wir vor mehreren Jahren Angriffe auf Kriegsschiffe erlebt haben, zum Beispiel auf die USS "Cole". Deswegen glaube ich, dass Schutz letztlich notwendig ist, und es liegt auf der Hand, dass sich Deutschland daran beteiligt.

Dann gab es das Argument: Das können die USA alleine. In der Tat: Die USA können das alleine. Sie verfügen über das notwendige militärische Gerät. Wir wollen aber ausdrücklich nicht, dass die USA dies alleine tun, und zwar aus einem ganz wichtigen Grund, einem Grund, den wir nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt haben. Wir wollen das gemeinsam machen, nicht nur, um mitbestimmen zu können, sondern auch, um die Einbindung von Partnern in ein solches Mandat zu erreichen. Ich habe mich über dieses Argument gewundert; denn diejenigen, die gesagt haben: "Die USA können das alleine", reden sonst immer von der amerikanischen Hegemonie. Ich glaube, wir sollten gemeinsam dafür sorgen, dass wir die USA bei diesem Mandat unterstützen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es gab ein viertes Argument. Es wurde gesagt, dass wir andere herausdrängen. Das stimmt überhaupt nicht. Immer noch sind seitens der Vereinten Nationen viele Staaten eingeladen. Russland und China haben es nicht abgelehnt, beispielsweise den Transport weiterhin mit zu übernehmen. Sie können sich beteiligen. Sie haben eben nicht ausdrücklich feststellen wollen, dass sie nicht mehr mit dabei sind. Es ist letztlich in ihrem Interesse, an der Vernichtung der chemischen Waffen Syriens beteiligt zu sein. Weiterhin steht diese Tür sehr weit offen. Ich glaube, dass Russland sich in den nächsten Wochen aus Eigeninteresse wieder massiv daran beteiligen wird, insbesondere weil - das hat der Außenminister festgestellt - bisher nur 54 Prozent der chemischen Waffen gesichert sind.

Als letzter Aspekt wurde in die Debatte die Frage eingebracht: Warum der Nordatlantik? Ich frage mich: Warum diskutieren wir hier ständig über Auslandseinsätze, über Klarheit und Wahrheit eines Mandats? Wenn in den nächsten Wochen möglicherweise aus Sicherheitsgründen, aus Witterungsgründen oder anderen Gründen die Vernichtung im Mittelmeer nicht stattfinden kann, dann machen wir das eben im Nordatlantik. Was spricht denn gegen konkrete Abrüstung an dieser Stelle?

Ich möchte sehr deutlich sagen: Ich glaube, gerade dieses neue Mandat schafft eine neue Qualität im Bereich der internationalen Politik, aber auch bei der Behandlung von Bürgerkriegen. Wir haben es damals beim Vertrag von Dayton bezüglich des jugoslawischen Bürgerkriegs gesehen. Auch da ist Rüstungskontrolle eingebracht worden, leider zu spät, aber immerhin wurde sie eingebracht. Jetzt sollen Abrüstung und Rüstungskontrolle helfen, die schlimme Situation in Syrien zu verbessern. Was spricht denn dagegen, für dieses Mandat zu stimmen?

(Jan van Aken [DIE LINKE]: Das sage ich Ihnen gleich!)

Ich glaube, es geht mit diesem Mandat mehr und verstärkt darum, den diplomatischen Weg zu gehen. Die Bundesregierung versucht seit Wochen - der Bundesaußenminister hat es gerade in seiner Rede gesagt -, hier wieder voranzukommen. Dass es keine Waffenlieferungen von Saudi-Arabien, von Katar, aber auch von Russland und vielen anderen Ländern ausgeben darf, gehört auf die Tagesordnung. Es geht auch um humanitäre Korridore im Rahmen einer Waffenruhe. Und in der Tat, die Türkei muss in den nächsten Wochen in den Gremien darüber Auskunft geben, wie sie heute auf diesen Konflikt in Syrien blickt. Auch das gehört zu einer ehrlichen Diskussion.

Bundeswehrmandate - das sage ich an alle Fraktionen - sind immer eine Einzelfallentscheidung. Ich habe hohen Respekt vor jedem Einzelnen, der für sich in der Vergangenheit begründet hat, dass er einem bestimmten Mandat nicht zustimmen kann. Das hat das Bundesverfassungsgericht so niedergelegt, und das hat insbesondere auch dieses Hohe Haus immer wieder gewürdigt. Auch in unserer Fraktion gab es immer wieder unterschiedliche Stimmen zu Bundeswehrmandaten.

Aber, ich finde, Sie sollten sich darüber klar werden, dass es heute nicht darum geht, zu intervenieren oder vielleicht Soldaten zur Friedenssicherung in Blauhelmmissionen oder anderweitig mit einem robusten Mandat auszustatten. Das heute zur Abstimmung stehende Mandat ist vielmehr ein konkreter Beitrag zur Abrüstung. Es soll helfen, das umzusetzen, was in dieser Region versucht wird, und gerade auch in Syrien ist es dringend notwendig, die Fragen von Abrüstung und Diplomatie in den Vordergrund zu stellen. Wenn man heute für dieses Mandat stimmt, unterstützt man Abrüstung und Rüstungskontrolle.

Ich komme zu einem anderen Aspekt. Ich glaube, die Beratungen über dieses Mandat hätten auch einen Beitrag zu einer in diesem Haus notwendigen Diskussion zwischen allen Fraktionen leisten können, wann und ob militärische Beteiligungen im Rahmen von Beschlüssen der Vereinten Nationen sinnvoll sind und zur Friedenssicherung beitragen. Das habe ich vermisst. Ich finde, Sie haben die Möglichkeit, zu dieser Debatte sachlich beizutragen, nicht genutzt.
Die internationale Politik steht in diesen Wochen vor ungeahnten Herausforderungen. Noch immer hören und sehen wir an zu vielen Orten verantwortungslose Unruhestifter. Die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen unterstreicht deshalb mehr denn je auch die Bedeutung der Diplomatie und der Abrüstung für die Wiederherstellung des Friedens. In diesen Tagen brauchen Diplomatie und Abrüstung eine starke Stimme. Ich bitte um Ihre Unterstützung.

Vielen Dank.

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Veröffentlicht: 
Berlin, 09.04.2014
Thema: 
Plenarrede zum Antrag der Bundesregierung zur Beteiligung der Bundeswehr an der Vernichtung syrischer Chemiewaffen