Einsetzung einer "Kommission zur Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr"

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich würde gerne versuchen, noch einmal auf den Kern der heutigen Debatte zurückzukommen, weil es heute nicht um einen Gesetzentwurf geht, der möglicherweise die Parlamentsrechte in irgendeiner Form erweitert, einschränkt, modernisiert oder irgendetwas anderes, sondern lediglich darum, die Frage zu stellen: Wollen wir eine Kommission beim Parlament einsetzen, die sowohl mit der Expertise aus dem Parlament als auch der von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Experten aus dem Bereich des Völkerrechts mit uns gemeinsam überlegt, welche Herausforderungen sich mit Blick auf ein modernes Parlamentsbeteiligungsgesetz ergeben?

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU ? Michael Brand [CDU/CSU]: Das ist die Frage!)

Ich finde, diesen Nebel, der gerade hier entstanden ist, müssen wir aus dem Parlament vertreiben. Es geht tatsächlich um ein innovatives Instrument, das uns im Deutschen Bundestag hilft, in einer Debatte, die wir möglicherweise dann noch in dieser Legislaturperiode als verantwortungsvolle Parlamentarierinnen und Parlamentarier zu führen haben, sozusagen eine Wegstrecke abzubilden. Genau deshalb war diese Einladung auch von uns an alle Fraktionen in diesem Haus gerichtet gewesen.

Ich gebe zu, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ich bin am Ende einer längeren Debatte, die wir sowohl in den Ausschüssen als auch zwischen den Fraktionen geführt haben, nicht ganz zufrieden. Natürlich hätte ich mir die Beteiligung aller Fraktionen gewünscht.

Ich glaube, wir alle hier im Deutschen Bundestag haben mit gutem Grund, aber auch mit gutem Wissen und Willen versucht, diese Einigung zu erreichen. Ich sage das auch ganz klar an die Fraktion der Grünen gerichtet, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: weil wir damals unter Rot-Grün nämlich einen anderen Weg gegangen sind, der auch nicht auf die Zustimmung dieses Parlaments gestoßen ist. Ich glaube, wir sollten uns noch einmal vergewissern, wie das 2004/2005 war: Wir haben damals als rot-grüne Bundesregierung bzw. Koalition einen Gesetzentwurf vorgelegt, der, wie ich finde, richtig war. Jetzt wollten wir einen anderen Weg beschreiten: Wir wollten die Opposition von Anfang an dabei haben. Die Große Koalition will nichts niederstimmen und auch keine Minderheitenrechte beiseiteschieben, sondern eine Parlamentskommission einrichten. Ich glaube, das war der richtige Weg: ein Angebot an alle in diesem Parlament, zu versuchen, in den nächsten Monaten berechtigte Fragen auch zu diskutieren.

Als es damals um das Parlamentsbeteiligungsgesetz ging, kamen vonseiten der Union - das muss ich unserem Koalitionspartner zugestehen - teilweise andere Vorstellungen. Diese berechtigten Fragen können jetzt wieder gestellt werden. Das soll eine Kommission beim Parlament leisten, in der, wie gesagt, sowohl Abgeordnete vertreten sind als auch ein breiter Kreis von Experten, der uns helfen kann. Wir wollten keinen Gesetzentwurf vorlegen, und wir wollten auch kein Gremium der Koalitionsparteien. Wir wollten das nicht im Koalitionsausschuss festlegen und Ihnen quasi diktieren. Ich meine, welchen offeneren Weg hätten wir denn wählen können als die Einrichtung dieser Kommission beim Parlament? Dass Sie so reagiert haben, hat mich dann schon gewundert. Sie haben den Koalitionsvertrag gelesen: Wir wollten ganz bewusst - so haben wir es auch zitiert - möglichst im Konsens Vorschläge machen, wobei Minderheitenrechte und Minderheitsvoten in dieser Kommission genauso respektiert worden wären wie sonst im Deutschen Bundestag auch.

Vizepräsident Johannes Singhammer:
Herr Kollege Mützenich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Liebich?

Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Da melden sich ganz viele.

Vizepräsident Johannes Singhammer:
Dann erst einmal der Kollege Liebich.
 
Stefan Liebich (DIE LINKE):
Vielen Dank, Herr Kollege Mützenich, dass Sie diese Zwischenfrage zulassen. Wir hatten uns in meiner Fraktion nicht abgesprochen, wer sich alles meldet.

Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Das müsst ihr untereinander klären.

Stefan Liebich (DIE LINKE):
Vielleicht erledigt sich das auch in der Folge; das weiß ich nicht.
Das Angebot an uns, dass wir in dieser Kommission zusammenarbeiten können, klang sehr schön. Das Problem ist allerdings: Sie haben in der letzten Sitzungswoche, als wir darüber gesprochen haben, gesagt: Wir überweisen das an die Ausschüsse; da kann man ja noch einmal beraten. Nun saßen wir alle gemeinsam im Auswärtigen Ausschuss, und es lagen Vorschläge von drei Seiten vor. Dann ist zwar verbal bekundet worden, man könne aus den Vorschlägen der Grünen zum Einsetzungsbeschluss ? aus unseren vielleicht auch; das ist nicht ganz deutlich geworden ? etwas in den Antrag, den Sie vorgelegt haben, aufnehmen. Das ist aber nicht passiert. Sie haben den Vorschlag, der hier letzte Woche vorlag, vollkommen unverändert zur Abstimmung gestellt, ohne ein einziges Angebot für einen etwas ergebnisoffeneren Text zu machen.

(Michael Brand [CDU/CSU]: Aber das beginnt doch erst!)

Da muss ich schon sagen: Ich kann das Klagen, man hätte uns einbeziehen wollen, nicht richtig ernst nehmen. Im Ausschuss war davon nichts zu merken. Sie haben einfach abgestimmt über das, was von Ihnen vorlag, und unsere Anregungen beiseitegeschoben.

Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Herr Kollege Liebich, ich habe nicht geklagt, sondern sozusagen den Weg aufgezeigt, den wir den Oppositionsparteien - wie bereits in den Koalitionsgesprächen beschlossen - eröffnet haben, auch als Konsequenz daraus, wie wir damals das Parlamentsbeteiligungsgesetz auf den Weg gebracht haben. Wir wollten damals auch rechtliche Klarheit herstellen.

Ich habe die Diskussion im Auswärtigen Ausschuss ein bisschen anders in Erinnerung als Sie: In der Tat, wir haben lange Zeit über die Ukraine diskutiert. Ich finde, das darf uns nicht zum Vorwurf gemacht werden; denn das ist ein Fels der Herausforderungen in der internationalen Politik, die auch mit Parlamentarierinnen und Parlamentariern zu diskutieren sind und wo im Deutschen Bundestag unterschiedliche Meinungsbilder existieren.

Dann haben wir, glaube ich, gegen zwölf Uhr unter Beteiligung aller Fraktionen eine relativ breite Debatte über diesen Antrag geführt. Da gab es eben unterschiedliche Auffassungen. Wir haben aber schon vorher - das sollte der Öffentlichkeit hier klar werden - alle Versuche unternommen ? vielleicht in unterschiedlicher Intensität ?, letztlich zu einer Lösung zu kommen. Deswegen habe ich hier nichts beklagt.
Sie haben es leider - das will ich Ihnen im Gegensatz zur Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nicht zum Vorwurf machen - erst diese Woche geschafft, einen Antrag vorzulegen. Ich hätte mir gewünscht, dass wir diesen Antrag etwas früher bekommen hätten; das hätte die Debatte vielleicht befördert.

Deswegen will ich noch einmal eindeutig feststellen: Wir wollen weiterhin diese breite Beteiligung.

Vizepräsident Johannes Singhammer:
Herr Kollege Mützenich, jetzt hat sich der Kollege Gehrcke noch einmal gemeldet. Die Frage, die er stellen wollte, ist also noch nicht beantwortet. Deshalb darf ich Sie fragen, ob Sie diese Frage auch zulassen.

Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Ja, wenn es bereichert.

(Heiterkeit ? Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Also nicht!)

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):
Kollege Mützenich, Sie kennen doch den klassischen Spruch, den jemand vor Gericht gesagt hat, als er aufstehen sollte: Wenn es der Wahrheitsfindung dient. Hier müsste es heißen: Wenn es die Debatte bereichert.

Ich möchte gerne von Ihnen wissen, warum es den Antragstellern nicht möglich war, die Formulierung "Stärkung der Parlamentsrechte" in den Antrag mit aufzunehmen. Es geht ja darum, dass Sie eine Kommission einsetzen möchten, die keinen beliebigen, sondern einen bestimmten Auftrag hat, den das Parlament erteilt und den die Kommission dann auch erfüllen muss. Es war für uns ein zentraler Punkt, diese Formulierung in den Antrag aufzunehmen. Das war nicht möglich.

Sie können von uns doch nicht erwarten, dass wir in Bezug auf eine Kommission, die noch nicht einmal über die Stärkung der Parlamentsrechte reden darf - das ist nicht ihr Auftrag -, kritiklos sagen: Da machen wir mit.

Hier war die Grenze. Wir haben das zigmal hin und her verhandelt, aber Sie waren nicht bereit, sich einen Millimeter zu bewegen. Meine Einschätzung ist: Vielleicht hätten Sie sich ja bewegt, aber Ihr Koalitionspartner war nicht bereit, Ihnen so viel Raum einzuräumen,

(Michael Brand [CDU/CSU]: Wir sind für starke Parlamentsrechte!)

dass Sie dieser Bitte nachkommen konnten. Weil Sie hier für Transparenz geworben haben, wollte ich Sie bitten, das zu bestätigen, was ich gesagt habe: Sie waren nicht bereit, die Formulierung "Stärkung der Parlamentsrechte" aufzunehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Ich finde ja, das ist ein interessanter Versuch, aber Sie können mich von meinem Koalitionspartner natürlich nicht wegbringen, weil wir auch in diesen Punkten gut zusammengearbeitet haben.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU ? Michael Brand [CDU/CSU]: Was für eine Bereicherung, Herr Gehrcke!  Henning Otte [CDU/CSU]: Danke für die Vorlage!)

Herr Kollege Gehrcke, ich habe Ihnen das zwar schon während der Aussprachen in den Ausschüssen und auch bilateral gesagt, aber ich würde Sie trotzdem gerne noch einmal darauf hinweisen, dass gerade im Koalitionsvertrag von der besonderen Stärke der Parlamentsbeteiligung gesprochen wird. Ich finde, dass sich der Deutsche Bundestag als Parlament überhaupt nicht zu verstecken braucht. Er nimmt sein Recht wahr, mit über Auslandseinsätze zu befinden. Das tun wir hier im Deutschen Bundestag ja auch fast immer zur Hauptdebattenzeit und vor einem vollen Plenum. Wir schätzen uns wert und tauschen unsere unterschiedlichen Argumente in den Debatten aus. Gerade das wird auch im Einsetzungsbeschluss für die Kommission wieder deutlich.

Wenn Sie dem Parlament und uns Einzelnen in dieser Koalition nicht trauen - das mag ja aufgrund der Auseinandersetzungen so sein -: Warum vertrauen Sie dann nicht einer relativ unabhängigen, vom Parlament eingesetzten Kommission, dass sie all diese Fragen diskutiert? Wir geben ihr doch nichts vor. Sie hätten Mitglieder der Kommission benennen können, die genau diese Punkte zur Sprache gebracht hätten. Wir setzen diese Kommission doch nicht ein, um den Mitgliedern danach sozusagen einen Knebel in den Mund zu legen und zu sagen: "Darüber dürft ihr nicht diskutieren." Vielmehr geht es doch um selbstbewusste Beratungen aus dem Parlament und auch der Fachöffentlichkeit und darum, bestimmte Dinge einmal auf den Punkt zu bringen. Ich finde, das Angebot war sehr groß und auch sehr umfassend.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich glaube, es spielt auch noch ein anderer Aspekt eine Rolle - das wollen Sie ja auch nicht einfach zur Seite schieben -: Wahrscheinlich wird sich diese vom Parlament eingesetzte Kommission auch mit weiteren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts auseinandersetzen müssen. Wir wollen uns über diese Entscheidungen gar nicht hinwegsetzen, sondern genau das akzeptieren, was uns das Bundesverfassungsgericht mit auf den Weg gegeben hat. Damals wurde uns eben gesagt, dass wir ein Gesetz formulieren und offene Fragen, die in den letzten Jahren aufgetaucht sind, beantworten sollen. Deswegen finde ich, müssen wir uns mit den Argumenten auseinandersetzen.

Ich war schon etwas verwundert darüber, dass Sie ein Papier, das, glaube ich, am Institut für Friedens- und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg von ganz unterschiedlichen Autoren erstellt worden ist, durch die uns auch eine Stärkung und Fortentwicklung dieses Parlamentsbeteiligungsrechts mit auf den Weg gegeben wurde, gar nicht in die Debatte eingebracht haben. Die Autoren haben sowohl Argumente der Union, aber zum Beispiel auch manche Ihrer Argumente aufgenommen.
Die Quintessenz dieses Papieres ist: Es ist richtig, in der Kommission mitzuarbeiten. Das bietet die Möglichkeit, das Parlamentsbeteiligungsrecht innovativ weiterzuentwickeln und die Fragen, die in den letzten Jahren aufgetaucht sind, eventuell zu beantworten. Ich hätte mir genau diese Souveränität der Autoren - das wissen Sie -, die aus unterschiedlichen Parteien und aus unterschiedlichen Wissenschaftszweigen kommen, auch von Ihnen gewünscht. So viel Souveränität hätte auch von Ihnen und letztendlich auch von den beiden Fraktionen der Opposition kommen müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Ich werfe Ihnen die Fragen, die Sie in Ihrem Antrag aufgeführt haben, nicht vor. Darüber kann man diskutieren, zum Beispiel über den Umgang mit unbemannten Flugkörpern, die möglicherweise mehr und mehr in den militärischen Alltag überführt werden. Warum sollte in einem solchen Gremium nicht auch darüber diskutiert werden? Das ist letztlich eine Herausforderung für die Sicherheitspolitik in Deutschland, weil diese Flugkörper möglicherweise von hier aus gestartet werden. Dadurch leitet sich aus dem Völkerrecht das Recht ab, Angriffskriege zu führen. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt, der diskutiert werden muss.

Zu den Grünen. Da ist mir zum Beispiel berichtet worden, dass die Organisation Ziviler Friedensdienst überhaupt nicht glücklich über die Vermengung von zivilen und militärischen Fragen im Parlamentsbeteiligungsrecht ist. Diese Organisation will sich eben nicht mit dem militärischen Auftrag identifizieren. Ich verstehe das; das ist auch vollkommen richtig. Auch so etwas hätte in dieser Kommission besprochen werden können. Warum nicht? Ich glaube, die Kommission ist souverän genug, um über Transparenz und auch vieles andere zu sprechen.

Der letzte Aspekt, den ich in diese Diskussion einbringen will: Durch die Verweigerung zur Mitarbeit verengen Sie ohne Not die Debatte, die nach dem Ende der Arbeit der Parlamentskommission diesen Deutschen Bundestag erreichen wird. Ich finde, Sie sollten sich noch einmal überlegen, ob Sie das wollen. Wollen Sie in diesem Bericht, den die Kommission am Ende ihrer Arbeit dem Deutschen Bundestag vorlegen wird, Ihre Argumente wiederfinden und diskutieren lassen, oder wollen Sie sie in diesem Bericht nicht haben? Deswegen ist meine herzliche Bitte: Überlegen Sie sich Ihre Entscheidung, gar nicht mitzuarbeiten. Ich finde, es wäre im Interesse des Parlaments und der Öffentlichkeit. Die Einladung zur Mitarbeit besteht weiterhin.

Vielen Dank.
 

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Veröffentlicht: 
Berlin, 20.03.2014
Thema: 
Plenarrede zum Antrag der Bundesregierung