"Wir hätten Klarheit gebraucht"

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Angesichts einer außenpolitischen Debatte zu dieser Zeit ist es schon notwendig, auch ein paar Blicke auf einen anderen Ort zu richten. Heute wird vor der Vollver-sammlung der Vereinten Nationen über den Antrag der Palästinensischen Autonomiebehörde für einen Beobachterstatus abgestimmt. Die Bundesregierung hat heute bekannt gegeben, dass sie sich in der Generalversammlung der Stimme enthalten wird. Herr Staatsminister Link, ich glaube, das ist das Mindeste, was Sie tun konnten, um Präsident Abbas in einer wirklich schwierigen Situation nicht weiter zu schwächen. Jede andere Entscheidung vonseiten der Bundesregierung hätte in diesem Parlament mit Unverständnis quittiert werden müssen. Eine etwas frühere Verlautbarung aus Ihrer Sicht hätte vielleicht das eine oder andere innerhalb der Europäischen Union besser ordnen können.

(Beifall bei der SPD)

Wir vonseiten der Sozialdemokratischen Partei hätten uns schon gewünscht, dass alle 27 Mitgliedstaaten ein gemeinsames Votum in der Vollversammlung der Vereinten Nationen abgegeben hätten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN),

Da hätte ich mir schon gewünscht, dass Deutschland eine Führungsrolle übernommen hätte.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gehe jetzt auf das Mandat ein, zu dem der Bundesverteidigungsminister heute erneut einen Antrag auf Fortsetzung eingebracht hat. Ich glaube, wir konnten hier im Plenum spüren, wie er mit den Argumenten gerungen hat, insbesondere als es um die Begründung der Bündnissolidarität gegangen ist. Ihm war doch sehr unwohl, weil er wusste, dass auch der Bundesaußenminister in den letzten Debatten sein Unbehagen geäußert und gegenüber dem Deutschen Bundestag verlautbart hat, er würde im Bündnis für eine andere Rechtsgrundlage streiten. Das hätte zu einer deutlichen, zu einer klaren Außenpolitik gehört. Denn Sie können die Bündnissolidarität und das Vorliegen eines Bündnisfalls nicht endlos wiederholen und mit den gleichen Worten begründen - damit entkleiden Sie sozusagen das, was Art. 5 des NATO-Vertrages hergibt -, weil Bündnissolidarität etwas Besonderes ist. Sinn und Zweck ist, dies in einer besonderen Situation zu nutzen.

Ich glaube, elf Jahre sind letztlich genug, um vonseiten der Bundesregierung zu einer anderen Begründung zu kommen. Bei einer selbstbewussten Außenpolitik und insbesondere angesichts der Frage, wie der Terrorismus bekämpft werden kann, hätte es letztlich einer anderen Begründung bedurft.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Bundesverteidigungsminister, im Grunde genommen haben Sie gar nichts über die Aktivitäten dieser Mission im letzten Jahr berichtet. Wer einmal aufmerksam in die Unterrichtungen des Parlaments geschaut hat, hat feststellen müssen, dass es im Berichtszeitraum nur einen Einsatz gegeben hat, nämlich im September, als die Fregatte "Bayern" einen Rettungseinsatz durchgeführt hat. Ich finde es sehr anerkennenswert, dass auch die Bundesmarine, wie es üblich ist, in solchen Fällen aktiv wird. Aber ich glaube, Herr Bundesverteidigungsminister, das hat mit dem Mandat überhaupt nichts zu tun, sondern das hat sozusagen etwas mit dem Recht auf der hohen See zu tun. Ich meine, der Rettungseinsatz ist richtig gewesen, aber dafür hätte es dieses Mandat nicht gebraucht.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weiterhin hätten Sie dem Deutschen Bundestag berichten müssen, wieso alle paar Monate rund 600 Bundeswehrsoldaten für das Mandat benannt worden sind. Wir haben einmal überprüft, warum das der Fall war. Das war deswegen der Fall, weil Schiffe in Richtung der Mission Atalanta gefahren sind und dann im Mittelmeer für dieses Mandat umgewidmet wurden. Ich meine, ein bisschen Zielgerichtetheit wäre für dieses Mandat notwendig gewesen. Ich finde, auch Ehrlichkeit gegenüber dem Bundestag und gegenüber der Bundeswehr, der Bundesmarine, wäre angebracht gewesen.

Nun zu einem weiteren Punkt, der in dieser Debatte ebenfalls Berücksichtigung finden muss. Da ist das Außenministerium gefordert; Herr Staatsminister Link, Sie werden ja gleich reden. Ich würde mich wirklich darüber freuen, wenn Sie uns etwas ausführlicher begründen könnten, warum die Umbrüche in der arabischen Welt - dies steht zu Beginn der Begründung des Antrages - dafür genutzt werden, dieses Mandat zu rechtfertigen. Ich habe die Diskussion im Deutschen Bundestag und vonseiten der Bundesregierung immer so verstanden, dass erst einmal die mutigen Menschen dort, die versuchen, ihre Regime zu stürzen und für demokratische Legitimation einzutreten, von uns unterstützt werden sollen und dass das nicht mit dem Terrorismus verwechselt werden darf. Ich glaube, das gehört zur Ehrlichkeit dieses Mandates genauso dazu.

Wir wissen, das Risiko in Bürgerkriegen ist immens; aber Sie können hier in einer allgemeinen Begründung nicht die terroristische Gefahr sozusagen herbeireden. Ich glaube, dieser Hinweis in der Begründung ist falsch und wird den gesellschaftlichen Umbrüchen, der zeitgeschichtlichen Erosion, gerade in der arabischen Welt überhaupt nicht gerecht. Ich finde, das gehört nicht in ein Mandat hinein.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Bundesverteidigungsminister, Sie plädieren immer für Mandatsklarheit; wir haben das in den letzten Tagen bei der Diskussion über den Patriot-Einsatz und viele andere Dinge gehört. Ich glaube, genau bei diesem Mandat hätten wir Klarheit und Wahrheit gebraucht. Das haben Sie nicht geleistet. Sie haben das im letzten Jahr angekündigt, aber auch in diesem Jahr waren Sie dazu nicht bereit. Deswegen kann ich Ihnen vonseiten meiner Fraktion nur sagen: Einem solchen Mandat können wir nicht zustimmen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
 

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Veröffentlicht: 
Berlin, 29.11.2012
Thema: 
Plenarrede zur Fortsetzung des NATO-geführten Einsatzes ?Operation Active Endeavour? (OAE)