Erste Lesung Bundeshaushalt 2013
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Bundesaußenminister, das war eine bemerkenswerte Rede, und ich hatte gedacht, dass Sie die Aussprache über diesen Einzelplan, der wohl der letzte Einzelplan ist, den Sie aktiv mitgestalten,
(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
zum Anlass nehmen, ein wenig Bilanz zu ziehen und vielleicht das Revue passieren zu lassen - Sie haben gesagt, Sie sind jetzt seit drei Jahren Außenminister -, was Sie an eigenen Zielen und Erwartungen hatten und was Sie verwirklicht haben.
Ich will das tun; ich denke, es ist angemessen, beim Einzelplan 05 darüber zu sprechen.
Natürlich ist es schwer - das vorweg -, die heutige nationale Außenpolitik mit der vor 10 oder 20 Jahren zu vergleichen. Die internationale Politik hat sich verändert. Neue Machtzentren sind in den Vordergrund getreten. Das Ende des Ost-West-Konflikts und die Vergemeinschaftung der nationalen Außenpolitik in Europa - all das hat die Handlungsmöglichkeiten nationaler Außenpolitik verändert, eingeschränkt. Aber es bestehen natürlich weiterhin Herausforderungen für die nationale Außenpolitik. Ich hätte mir gewünscht, dass gerade diese Herausforderungen in den vergangenen Jahren von Ihnen gemeistert worden wären, insbesondere die in Europa; Sie haben davon gesprochen. Wir sehen ja nicht nur eine Staats- oder Finanzkrise in einzelnen europäischen Ländern, sondern wir beobachten die Rückkehr von Nationalismus, die Rückkehr von Chauvinismus in Europa, die wir überwunden geglaubt haben. Zum Beispiel in Ungarn und Rumänien geht es ja nicht nur um die Verfolgung von Minderheiten; es geht auch darum, dass die Probleme in eine Region in unmittelbarer Nachbarschaft, nämlich auf den Balkan, überschwappen, der jahrelang einen Bürgerkrieg erlebt hat und nun erneut Zwietracht erlebt. Das sind Herausforderungen.
Herausforderungen sind auch das wachsende Entwicklungsdilemma, die Politisierung von Gesellschaften, soziale Konflikte und, insbesondere in Europa - das dürfen wir nicht vergessen -, weiterhin ungeregelte Territorialkonflikte. Zum Beispiel Zypern ist eine Herausforderung für eine nationale, aber insbesondere für eine europäische Außenpolitik. Außerdem gibt es weiterhin ungeregelte Aufrüstungsschübe in der Welt.
Damit bin ich bei einem Thema, das Sie vor drei Jahren im Wahlkampf immer im Munde geführt haben. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, die letzten hier verbliebenen taktischen Atomwaffen aus Deutschland herauszubringen oder dieses Thema zumindest auf der Agenda zu halten. Sie haben dieses Thema frei gewählt; das bleibt Ihnen überlassen. Einige waren sowieso von Anfang an skeptisch. Aber in diesem Sommer mussten wir hören, dass die Bundesregierung diese Systeme mit einigen Partnern modernisiert, um sie noch länger in Deutschland zu halten, Relikte des Kalten Krieges, wie Sie sie genannt haben. Das ist Ihr Versäumnis in der deutschen Außenpolitik, und das muss an dieser Stelle auch benannt werden.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zu dem, was beim Thema Rüstungskontrolle von Ihnen nicht angepackt worden ist, wo Sie vielleicht zu wenig Mut gezeigt haben, gehört, wie ich finde, auch das Thema Raketenabwehr.
(Beifall der Abg. Uta Zapf [SPD] und Viola von Cramon-Taubadel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Deutsche Außenpolitik hätte im Bereich der Sicherheits- und der Rüstungskontrollpolitik etwas voranbringen können, was wahrscheinlich Europa und den gesamten Kontinent in den nächsten Jahren wieder prägen wird: Es geht um Aufrüstungsschübe durch eine Modernisierung von Rüstung.
Hier hätte es sich gelohnt, Rüstungskontrolle und -begrenzung zu diskutieren,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
sowohl im NATO-Bündnis als auch darüber hinaus, und insbesondere auch die Sorgen Russlands ernst zu nehmen. Nicht jetzt - das wissen wir auch -, aber dann, wenn möglicherweise die letzte Stufe der Raketenabwehr verwirklicht worden ist, ergibt sich hier strategisches Potenzial. Ich verlange von einem deutschen Außenminister, dass er das thematisiert.
Herr Westerwelle, Sie haben über eine Region in unserer unmittelbaren Nachbarschaft gesprochen, den Nahen und Mittleren Osten. In der Tat: Israel macht sich wegen des Irans Sorgen, insbesondere darüber, dass der Iran nicht bereit ist, sowohl die ausgestreckte diplomatische Hand zu ergreifen als auch die Inspektion durch die Internationale Atomenergie-Organisation zuzulassen. Iran ist ein vorherrschendes Thema der internationalen Politik.
Andererseits ist auch die Versöhnung zwischen Israel und Palästina weiterhin eine große Herausforderung für europäische und auch für deutsche Außenpolitik. Es reicht nicht, dass der deutsche Außenminister Appelle aussendet, sondern er muss den israelischen Gesprächspartnern, auch der israelischen Regierung klarmachen, dass der ungehinderte Siedlungsausbau, die weitere Abriegelung des Gazastreifens, die Gewährung von Menschenrechten - diese existenzielle Frage muss von Europa gestellt werden - mit dazu dienen, dass die Situation im Nahen und Mittleren Osten nicht eskaliert. Diese Themen müssen zusammengefasst werden. Hierzu habe ich bei Ihnen eine Menge vermisst. Ich glaube, dass europäische Außenpolitik auch zu einer Verhaltensänderung der israelischen Regierung hätte beitragen können.
Ich glaube, Sie hatten es gut damit gemeint, die palästinensische Autonomiebehörde aufzuwerten. Aber plötzlich sitzen Sie zwischen allen Stühlen. Das Bundeskanzleramt hat diesen Schritt nicht mitgemacht. Die israelische Regierung war über diesen Vorgang total irritiert. Im Grunde genommen hat der sogenannte palästinensische Botschafter von der sogenannten Aufwertung überhaupt nichts. Ich glaube, es war letztlich ein Fehler, hier nicht mehr Engagement zu zeigen. Das gehört, wenn wir über den Einzelplan 05 sprechen, zu der Bilanz mit dazu.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Bundesaußenminister, Sie sind viel gereist. Sie haben den lateinamerikanischen Kontinent sehr früh bereist und ein Lateinamerika-Konzept vorgestellt, bei dem Sie der Meinung gewesen sind, deutsche nationale Außenpolitik könnte einen Beitrag für diese Region leisten. Ich glaube, die Gesprächspartner dort haben sehr schnell gemerkt, dass wir zwar ein Interesse an dem Kontinent haben, aber dass sich dieses Interesse in der Außenwirtschaftspolitik erschöpft. Heute sind andere europäische Länder bereit, mitzuhelfen, Konflikte in diesen Ländern zu befrieden und zu regeln.
Deutschland gehört nicht mit dazu. Deswegen haben Sie in diesem Zusammenhang falsche Botschaften ausgesandt. Das Lateinamerika-Konzept ist kein politisches Konzept. Es ging sozusagen fast nur um Außenwirtschaftspolitik und zu wenig um Diplomatie.
Sie haben auch nicht die Chance ergriffen, die die Obama-Administration geboten hat, einen Beitrag zu einer anderen Außenpolitik sowohl in Europa als auch in-ternational zu leisten. Ich glaube, das sind Versäumnisse, die Sie sich selbst anlasten müssen, weil Sie am Anfang Ihrer Legislaturperiode ganz andere Erwartungen geweckt haben.
(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Der letzte Obama-Fan!)
Ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie daran erinnert haben, dass trotz aller schrecklichen und mit menschlichem Leid verbundenen Bilder in der Tat in der arabischen Welt auch hoffnungsvolle Ansätze zu sehen sind. Tunesien ist ein leuchtendes Beispiel. Wir sollten dieses Land unterstützen. Es gibt viele gesellschaftliche Organisationen in arabischen Ländern, die die Geschichte aufarbeiten und sich um soziale Fragen und Ähnliches kümmern wollen. Das sollten wir nicht vergessen.
Der gesamte Deutsche Bundestag gibt Ihnen recht, dass das, was insbesondere in Libyen, aber auch in Ägypten passiert ist, nicht hinzunehmen ist. Ein Appell vonseiten des Parlaments an die dortigen Regierungen muss unbedingt erfolgen. Eingefordert werden muss nicht nur der Schutz der diplomatischen Vertretung, son-dern auch der Schutz ausländischer Gäste in diesen Ländern. Das fordern wir auch in den nächsten Tagen ein.
Aber das reicht nicht an Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Entwicklungen. Ich habe mir wirklich erhofft, dass sozusagen nicht nur die Reisen in die arabischen Umbruchländer dazu beitragen, sich mit der neuen Politik auseinanderzusetzen. Es geht vielmehr darum, sich mit einem gesellschaftlichen politischen Trend zu befassen, der damit verknüpft ist, mit dem Trend des politischen Islam.
Ich glaube, es war ein Versäumnis in der europäischen Diskussion, dass wir uns nicht frühzeitig gerade zu diesen Bewegungen hin orientiert und zumindest den Dialog angeboten haben. Aber ich habe manchmal den Eindruck, dass wir uns mittlerweile mit dem sogenannten politischen Islam und den Parteien, die dort jetzt den Wahlsieg davontragen, viel zu gemein machen und ein falsches Zeichen an die Länder des gesellschaftlichen Umbruchs geben.
Ich glaube, auch die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU haben es nicht verdient, dass der politische Islam mit europäischen Entwicklungen verglichen wird, wo nämlich christliche Werte auch zu einer Parteigründung geführt haben. Das ist viel zu wenig für die Auseinandersetzung mit dem politischen Islam. Ich glaube, wir sollten eine intensivere Diskussion darüber führen.
In der Tat: Syrien ist die große Herausforderung für die internationale Gemeinschaft. Die Verhinderung von Maßnahmen insbesondere vonseiten Russlands, aber auch Chinas ist nicht hinnehmbar. Wir unterstützen Sie in diesen Fragen im Sicherheitsrat, damit es zu einer Verhaltensänderung kommt.
Ich glaube, all das müssen wir gleichzeitig aber auch als mit einzelnen Menschen verbundene Schicksale begreifen. Deswegen sage ich ganz klar: Wir haben auch eine Schutzverantwortung für die Menschen, die dort verfolgt werden. Die Flüchtlinge kommen in der Tat zu den Außengrenzen. Aber es gibt auch welche, die möglicherweise nur hier Schutz finden. Deswegen will ich von diesem Podium aus sagen: Alle Menschen haben unabhängig von ihrer Religion das Menschenrecht, geschützt zu werden, wenn es erforderlich ist und wenn sie an den Grenzen von Syrien keinen Schutz finden. Auch darum geht es nach meinem Dafürhalten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Bundesaußenminister, ich hätte mir gewünscht, dass Sie die Herausforderungen nicht nur der Vergangenheit, sondern auch der Zukunft thematisiert hätten. Das Thema Rüstungsexporte wird diese Bundesregie¬rung mit Sicherheit nicht auf ihre positive Agenda schreiben können. Ich hätte mir gewünscht, dass der deutsche Außenminister häufiger das Wort dazu ergriffen hätte. Denn es geht nicht einfach um ein Gut, das dorthin transportiert wird, sondern damit sind außenpolitische Fragen verbunden. Bei der Lieferung von Panzern und in der Diskussion über U-Boote, die möglicherweise nach Ägypten gehen, darf man nicht nur die Partner konsultieren, sondern wir wollen, dass dieses Parlament stärker konsultiert wird.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Ruprecht Polenz [CDU/CSU])
Zum Beispiel haben auch Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition Vorschläge gemacht. Ich hätte auch gerne die Bundesregierung bei dieser Frage gesehen.
Ich hätte von Ihnen auch gerne ein Wort in einer Debatte gehört, die der Verteidigungsminister angestrengt hat. Sie möchten jetzt bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr. Ich finde, das ist eine Frage, die nicht nur den Verteidigungsminister zu interessieren hat, sondern insbesondere auch den Bundesaußenminister. Dabei geht es um sicherheitspolitische, völkerrechtliche, ethische, insbesondere aber auch um rüstungskontrollpolitische Fragen.
Diese Zukunftsthemen haben Sie nicht aufgenommen. Leider trifft das sowohl für den Haushaltsplan als auch für Ihre Rede zu. Ich erwarte auch nicht - leider -, dass es in den nächsten Monaten damit vorangeht. Wir werden dann aber diese Themen 2013 aufgreifen.
Ganz herzlichen Dank.