Rüstungsexporte offenlegen - Abrüstung fördern

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich finde, das ist eine wichtige und in weiten Teilen auch eine sehr ernsthaft geführte und angemessene Debatte. Ich danke dem Kollegen Fritz und auch anderen Kollegen, die im Rahmen der Möglichkeiten eines frei gewählten Abgeordneten immer wieder versuchen, über das hinauszugehen, was in den Fraktionen und vielleicht auch in der Koalition möglich ist. Umso überraschter war ich, als ich gestern Abend auf www.tagesschau.de ein Gespräch nachgelesen habe, das das Verteidigungsministerium mit der Rüstungsindustrie offensichtlich geführt hat. In diesem Interview antwortete der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, Herr Adamowitsch, auf Fragen des ARD-Hauptstadtstudios.

Ich zitiere ihn: Klar ist, wenn weniger bestellt wird, hat das auch Konsequenzen für die Unternehmen, für den Zulieferer-Bereich und wir werden dann mit dem Verteidigungsministerium auch über die Frage von Export nachdenken, wo wir sicherlich Unterstützung brauchen, aber auch zugesagt bekommen haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere des Kabinetts und des Verteidigungsministeriums, erklären Sie uns heute hier im Parlament, was Sie der Rüstungsindustrie gestern Abend zugesagt haben!

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Kollege Kossendey, sehr geehrte Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, Sie belasten eine wichtige Bundeswehrreform und betreiben ein Koppelgeschäft, das weder politisch noch moralisch zulässig ist. Ich finde, Sie müssen hierzu heute noch Stellung nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das verlangen wir und auch dieses Parlament.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt in der Tat einen unmittelbaren Zusammenhang - Herr Stinner, das ist richtig - zwischen einer demokratischen Außenpolitik, also der Außenpolitik eines demokratischen Staates, und einer transparenten Rüstungsexportpolitik.

Deswegen sollten Regierung und Parlament in dieser Frage zusammenwirken. Auch ich will nicht, dass das Parlament einzelne Rüstungsgeschäfte genehmigt, ich will aber mehr Informationen. Ich will gar nicht hören, was Frau Merkel und Herr Westerwelle im Bundessicherheitsrat im Einzelnen möglicherweise gesagt haben; aber wenn die Entscheidung getroffen worden ist, dann müssen Sie hier Rede und Antwort stehen und erklären - sowohl gegenüber dem Parlament als auch gegenüber der Öffentlichkeit -, warum Sie einem so sensiblen Geschäft, wie 200 Panzer nach Saudi-Arabien zu liefern, zugestimmt haben.

Deshalb haben wir heute hier erneut einen Antrag vorgelegt, mit dem wir unseren Antrag vom März wieder aufgenommen haben, worin wir beantragt haben, über die Beweggründe informiert zu werden. Wenn Sie als Bundesregierung uns über diese Beweggründe informieren müssten, dann bräuchten Sie auch nicht wieder Hilfsargumente einzuführen, die ich persönlich wirklich als hochpeinlich empfunden habe.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Bundesregierung hat Israel für ein Rüstungsgeschäft mit Saudi-Arabien als Argument angeführt. Das war weder der Situation noch den Herausforderungen, vor denen wir zurzeit in der arabischen Welt stehen, angemessen. Nehmen Sie dieses Rüstungsgeschäft Ende des Jahres, wenn Sie wieder darüber befinden werden, zurück!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es geht nicht nur um Beteiligung und Begründung. Sie sollten sich insbesondere auch die Erfahrungen aus anderen Parlamenten zum Vorbild nehmen. Mehr machen wir doch auch nicht, Herr Stinner, weil auch wir Fehler gemacht haben. Wir glauben, dass die Rüstungsexportrichtlinien richtig sind, aber jetzt aufgrund der Erfahrungen der Überarbeitung bedürfen. Deshalb versuchen wir, diese Informationen zu bekommen. In Schweden, in Großbritannien, in den USA und in anderen Ländern ist das der Fall. Nicht mehr, aber auch nicht weniger, als dass Parlament und Öffentlichkeit informiert werden, fordern wir hier.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich glaube, das ist richtig und hilft einer demokratischen Außenpolitik weiter.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir heute über Rüstungsexporte sprechen, dann dürfen wir meiner Meinung nach nicht nur über die Anbieterseite reden, sondern wir müssen auch über die Seite der Nachfrager diskutieren. Das betrifft insbesondere den Nahen und Mittleren Osten. Der Nahe und Mittlere Osten ist in der Tat ein Pulverfass, das nicht an zu wenig Rüstung, sondern an zu viel Rüstung leidet.

Wir haben über die Panzerlieferungen gesprochen. Wir haben hier schon über den 240-Milliarden-Deal gesprochen, den die USA mit Saudi-Arabien abgeschlossen haben. Ich finde, wenn wir eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in Europa betreiben, dann müssen wir versuchen, genau das Prinzip einzuführen, das Europa sicherer gemacht hat, nämlich Abrüstung und Rüstungskontrolle. Es ist mein Angebot vonseiten der Opposition, zusammen mit den Parlamentariern und auch dieser Bundesregierung zu sagen: In dieser Region ist Vertrauensbildung notwendig, sind konventionelle Abrüstung und Rüstungskontrolle notwendig, ist ein Frieden zwischen Israel und Palästina existenziell. Es geht nicht nur um Rüstung und Rüstungsexporte, sondern auch um Abrüstung. Beide Dinge gehören zusammen und müssen heute auf den Tisch.

Das ist doch auch der Grund, warum wir so froh über das sein müssen, was junge und mutige Menschen in der arabischen Welt vorantreiben. Es geht nicht allein um Demokratie, sondern auch um freiere und gerechtere Gesellschaften. Unsere Erfahrung ist: Freiere, gerechtere, demokratischere Gesellschaften sind der Abrüstung und Rüstungskontrolle zugeneigter.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen setzen wir große Hoffnungen in das, was dort passiert. Es geht letztlich auch um Europa und um das Thema, das wir heute hier behandeln, um Rüstungsexporte.

Wir als Parlament, das demokratische Außenpolitik will, haben aufgrund dieser Veränderungen die Chance, das Thema "Abrüstung und Rüstungskontrolle" dort einzubringen.

Es gibt dazu Initiativen in dieser Region, die langsam wachsen. Der Golfkooperationsrat hat sich dafür ausgesprochen, eine kernwaffenfreie Zone im Persischen Golf einzurichten. Unterstützen wir ihn dabei!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, das ist richtig. Darüber müssen wir mit den Franzosen und den Briten sprechen. Wenn die Vollversammlung der Vereinten Nationen im Rahmen der Überprüfungskonferenz zum Kernwaffensperrvertrag entschieden hat, eine von Massenvernichtungswaffen freie Zone im gesamten Nahen und Mittleren Osten zu installieren, dann bedarf dies der Unterstützung dieses Parlaments, aber auch dieser Regierung. Wir werden dann nicht mehr nur über Rüstungsexporte diskutieren müssen, sondern auch darüber, dass in dieser Region weniger Rüstung insgesamt besser ist. Insofern dürfen wir diese Region nicht mit mehr Waffen ausstatten. Wenn es gelingt, Transparenz und Zurückhaltung bei Rüstungsexporten zu erreichen und das Instrument "Abrüstung und Rüstungskontrolle" einzuführen, haben wir mehr davon. Dann stärken wir eine demokratische Außenpolitik.

Wir wollen dazu beitragen. Deswegen haben wir diesen Antrag vorlegt. Ich hoffe, dass Sie diesem Antrag zustimmen.

Vielen Dank.

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Veröffentlicht: 
Berlin, 20.10.2011
Thema: 
Plenarrede zur Rüstungsexportkontrolle