Plenarrede zur Fortsetzung des UNIFIL-Einsatzes
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Außenminister, das war heute eine bemerkenswerte Begründung für UNIFIL. Ich hätte sie mir vor sechs Monaten gewünscht,
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
weil die Erkenntnisse, die Sie heute hier noch einmal vorgetragen haben, nach meinem Dafürhalten bereits vor sechs Monaten bekannt waren.
Es ist richtig, man muss Auslandseinsätze immer wieder messen. Sie waren auch bei uns damals in der SPD-Bundestagsfraktion umstritten, aber wir hatten auch eine politische Begründung für dieses Mandat. Was jetzt hier vonseiten der Bundesregierung präsentiert wurde, ist nach meinem Dafürhalten ein Novum in der Außenpolitik, weil zum ersten Mal ein Antrag der Bundesregierung vorgelegt wird, um eine Gesichtswahrung für die FDP herbeizuführen, die damals in der Opposition wider besseres Wissen gegen diesen UNIFIL-Einsatz stimmte.
Damals waren Sie in der Opposition und hatten einen innenpolitischen Tunnelblick auf diese Auslandseinsätze. Ich halte es für fatal, dass Sie jetzt im Umkehrschluss diese sechs Monate dafür genutzt haben, sozusagen die falschen Signale in die Region zu senden, insbesondere wenn es um eine verlässliche deutsche Außenpolitik geht.
Sie haben den Evaluierungsprozess des Generalsekretärs der Vereinten Nationen angesprochen. Ja, das ist richtig; aber dann hätten Sie auch bemerken müssen, dass der Generalsekretär der Vereinten Nationen gesagt hat: Jetzt brauche ich, weil diese Marinemission so wichtig ist, eine Fregatte und ein Patrouillenboot von Bangladesch, die zusätzliche Maßnahmen zur Sicherung vor der Küste durchführen sollen. Welches Bild gibt Deutschland gegenüber den Vereinten Nationen an dieser Stelle ab? Ich halte das für fatal, und ich halte es auch für die falschen Signale in die Region hinein. Es ist richtig, die Bedingungen für Auslandseinsätze müssen geschaffen werden. Wahrscheinlich haben wir in den vergangenen Jahren zu wenig darüber diskutiert. Ich glaube, man muss sich daran messen lassen. Aber genau das ist bei diesem UNIFIL-Mandat nach meinem Dafürhalten von Anfang an gemacht worden. Es war ein internationales Mandat. Die Erfolgsaussichten haben sich abgezeichnet. Wir wollten eine politische Dynamik in der Region erreichen und mit diesem UNIFIL-Mandat insbesondere wohl auch die deutschen Interessen wahren.
Es war doch unumstritten, dass die Vereinten Nationen dieses Mandat wollten und dass die Konfliktparteien vor Ort dieses Mandat sozusagen erfleht haben. Der libanesische Ministerpräsident Hariri war vor einigen Wochen bei uns und hat gesagt: Machen Sie etwas aus dieser Mission. - Israel ist für diese Mission gewesen. Ich finde, genau das haben Sie in den letzten sechs Monaten aufs Spiel gesetzt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Denn was wurde mit dem UNIFIL-Mandat erreicht? Das UNIFIL-Mandat hat nach einem heftigen Konflikt, der in dieser Region möglicherweise ausgeartet wäre, zum einen eine fragile Waffenruhe gesichert. Das war wichtig. Zum anderen hat das UNIFIL-Mandat die Souveränität des Libanon gestärkt. Israel hat die Quarantäne der libanesischen Häfen aufgrund der UNIFIL-Mission aufgegeben.
Was war das deutsche Interesse? Den Frieden in der Region mitzuprägen, weil ein kriegerischer Konflikt unmittelbare Auswirkungen auf Europa an den europäischen
Außengrenzen gehabt hätte. Ich finde, Sie sind vor sechs Monaten nicht dem nachgekommen, was erforderlich gewesen wäre. Mit der Begründung, die Sie heute abgegeben haben, hätten Sie dieses Mandat bereits vor sechs Monaten fortsetzen können und hätten nicht zu einer solchen Unruhe in der Region beigetragen. Nach Ihrer Reise in die arabische Welt, die ich für richtig gehalten habe, möchte ich sagen:
Ich hatte mir gewünscht, dass Sie heute die Gelegenheit nutzen, einmal etwas zu Ihrer Außen- und Sicherheitspolitik im Nahen und Mittleren Osten zu sagen. Da haben Sie eine Chance vertan. Es war richtig, diese Reise in die Region zu machen, insbesondere auch nach Syrien zu reisen. Für mich stellt sich aber die Frage: Welche Akzente wollen Sie eigentlich im Nahen und Mittleren Osten als deutscher Außenminister und in einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union setzen?
Kein Wort dazu in den vergangenen Monaten. Das halte ich wirklich für fatal; denn das ist die Krisenregion, um de wir uns zu kümmern haben. Ich finde, das muss man em Deutschen Bundestag, aber auch der deutschen Öffentlichkeit erklären. Es wäre wichtig gewesen, entweder zu sagen: "Ich nehme die Akzente auf, die mein Vorgänger Frank-Walter Steinmeier gesetzt hat" - er hat zum Beispiel das Tor nach Syrien sehr früh aufgestoßen - oder zu sagen, was man in dieser Region anders machen sollte.
Die Herausforderungen stehen doch sozusagen vor der Tür. Die Herausforderungen in der arabischen Welt sind immens. Es gibt dort einen sozialen und wirtschaftlichen Wandel. Es gibt viele junge Menschen, die nach Arbeit und sozialer Sicherung schreien, Frauen, die in ihren Ländern frei werden wollen, die im Grunde genommen erwarten, von den Werten und Menschenrechten, die wir durchgesetzt haben, zu profitieren. Es geht insbesondere darum, einen Frieden zu schaffen, der dann fragil wird, wenn es zu Machtwechseln in den arabischen Ländern kommt. Sie sind doch in Ländern gewesen, wo wir in den nächsten Monaten oder auch Jahren sehen werden, was das für das eine oder andere Land bedeutet.
Ich halte es insbesondere für wichtig - das haben wir heute Mittag anlässlich der Diskussion über Gaza angesprochen -: Wir müssen uns im Deutschen Bundestag endlich darüber klar werden, wie wir mit neuen politischen Strömungen in der arabischen Welt umgehen wollen, insbesondere mit dem politischen Islam. Es ist richtig, dass wir die Hamas für das, was sie im Gazastreifen tut, kritisieren. Aber dazu gehört genauso, die Hamas nicht ausschließlich mit dem politischen Islam gleichzusetzen.
Es gibt in diesem Zusammenhang in Marokko eine ganz andere Strömung im Vergleich zu anderen Ländern. Die Hisbollah als Teil des politischen Islam im Libanon gehört mit zur Regierung. Auch darüber sollte eine Debatte geführt werden. Ein deutscher Außenminister muss der Öffentlichkeit und dem Parlament darüber Rechenschaft ablegen, wie er in den nächsten vier Jahren mit diesen Herausforderungen umgehen will.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Die Hisbollah, die Mitglied der Regierung im Libanon ist, hat zum Beispiel offensichtlich etwas zugelassen, was ich gar nicht erwartet hätte. Mit 12:12 Stimmen hat sich das Kabinett zwar offensichtlich nicht entscheiden können, gestern im Sicherheitsrat der Resolution zu Iran zuzustimmen. Aber was bedeutet das? Das bedeutet ganz klar, dass die Hisbollah nicht nur der verlängerte Arm des Iran in dieser Region ist, sondern auch nationale Interessen des Libanon präsentieren will.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und derLINKEN)
Auch dies gehört zu einer ehrlichen Debatte über die Nahostpolitik, insbesondere wenn wir heute über UNIFIL diskutieren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich finde, diese politischen Diskussionen müssen wir in den Ausschüssen, die in der nächsten Woche über das Mandat beraten, führen. Ich würde mich freuen, wenn Sie zumindest dann Rede und Antwort bezüglich eines politischen Konzepts für den Nahen und Mittleren Osten stehen würden.
Herzlichen Dank.