Zweite und dritte Lesung Bundeshaushaltsplan 2010

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die eine oder andere Diskussion, die wir hier gerade geführt haben, entspricht nicht meiner Debattenkultur.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Zugleich finde ich aber auch, dass Sie, Herr Außenminister, heute eine Chance verpasst haben. Sie hätten auf die Nachfragen, die in den letzten Tagen gestellt worden sind, durchaus antworten können. Sie hätten auch genug Redezeit gehabt, insbesondere weil ich glaube, dass die drei Punkte, die Sie angeführt haben, Sie nicht so stark bedrängt haben, dass Sie nicht auf die drängenden Fragen, die in den letzten Tagen immer wieder gestellt worden sind, hätten antworten können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich fand auch manches bizarr, insbesondere, dass Sie am Sonntag gesagt haben, Ihnen werde man den Schneid nicht abkaufen. Ich will Ihnen den Schneid nicht abkaufen. Darauf kommt es gar nicht an. Ich hätte auch diesen Duktus nicht gewählt. Der entscheidende Punkt ist doch einfach, dass in den letzten Wochen und Monaten so viele unterschiedliche Fragen mit Ihnen, aber auch mit dem Amt in Verbindung gebracht worden sind, dass diese Diskussion notwendig gewesen ist und die offenen Fragen sozusagen nach Antworten schreien. Ich glaube, Sie hätten heute antworten sollen. Ich habe das erwartet. Ich hätte es auch deswegen besser gefunden, weil ich glaube, dass diese Empörungsrituale, die Sie in den letzten Tagen immer wieder aufzuführen versucht haben, letztendlich wieder auf Sie zurückfallen werden. Sie haben sich darüber beschwert, dass die Opposition eine entsprechende Debatte geführt hat, als Sie im Ausland gewesen sind. Ich hätte mich zuerst einmal an meinen Koalitionspartner gewandt und gefragt, was denn in den Generalsekretär Dobrindt gefahren sei, als er über die "Abwrackprämie für Taliban" gesprochen hat, als es um die Afghanistanstrategie ging, als er Sie in die Türkei begleitet hat und Aussagen getätigt hat, die von uns mit Sicherheit niemals gekommen wären. Ich wäre also vorsichtig bei diesen Fragen. Nun wollen zum Beispiel Herr Lindner und Ihre Fraktionsvorsitzende Ihnen beispringen, indem sie sagen, das alles schade der Demokratie bzw. der politischen Kultur.

Aber, Herr Außenminister, wo kommen wir hin, wenn Sie die Ordnung des Staates so mit Ihrer Person identifizieren, dass Sie auch die Kritik, die an Ihnen persönlich geübt wird, mit Ihrem Amt verbinden?

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich muss Ihnen sagen: Wenn etwas der Demokratie geschadet hat, dann waren es die Parteispenden und eine Haushaltspolitik, die sich möglicherweise von diesen Parteispenden abgeleitet hat. Das müssen Sie verantworten. Ich finde, das schadet der Demokratie mehr als die Frage nach Aufklärung und Transparenz in diesem Bundestag.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Herr Außenminister, ich hatte Ihnen in der Debatte, die wir anlässlich der Einbringung des Haushalts geführt haben, Kooperation angeboten. Das finde ich auch weiterhin richtig. Wir haben dies auch im Falle Afghanistans getan. Es wird in den nächsten Wochen und Monaten sicherlich genügend Themen geben, bei denen die Opposition, zumindest die SPD-Fraktion, mit Ihnen in ein Gespräch inhaltlicher Art eintreten will. Aber dazu möchten wir wissen: Wo wollen Sie eigentlich hin mit dieser Außenpolitik? Eine Antwort auf diese Frage hat in den letzten 140 Tagen gefehlt.

Ich war zum Beispiel wirklich enttäuscht, dass Sie es nicht geschafft haben, der neuen europäischen Außenministerin - Herr Stinner und Herr Frankenhauser, Sie haben eben darüber gesprochen - einmal beizuspringen. Was macht diese Kollegin in den letzten Tagen durch? Sie wird auf europäischer Ebene sozusagen gemobbt, weil sie es beispielsweise nicht schafft, am Wochenende drei Termine wahrzunehmen, und stattdessen bei ihrer Familie sein will. Ich finde, es gehört, auch innerhalb Europas, zum guten Ton, sich vor diese Institution zu stellen und den Europäischen Auswärtigen Dienst zu unterstützen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein anderer Punkt ist von Kollegin Müller angesprochen worden. Ich finde es erschreckend, dass Sie, der Sie sich damals in der Opposition gegen UNIFIL ausgesprochen haben, es heute nicht schaffen, über Ihren Schatten u springen und in der Funktion des Außenministers dem libanesischen Ministerpräsidenten gegenüberzutreten und ihm zu sagen, dass wir darüber noch einmal nachdenken und unter Umständen nach der Sommerpause ein erneutes Mandat dafür einbringen. Denn der libanesische Ministerpräsident hat doch, als er hier zu Besuch war, händeringend darum gefleht, dass Deutschland sich nicht aus dem Mandat verabschiedet, weil er Angst hat, dass dann der Nahostprozess, von dem man nicht mehr wirklich sprechen kann, nicht mehr für Libanon gilt. Auch das haben Sie nicht getan. Ich würde mir wünschen, Sie wären an dieser Stelle wirklich Außenminister.

 (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben es der Kanzlerin überlassen, den Siedlungsbau zu kritisieren. Ich fand das, was Sie heute hierzu gesagt haben, wachswindelweich; das sage ich an beide Parteien gerichtet. Ich meine, man muss ganz offen gegenüber der israelischen Regierung zum Ausdruck bringen, dass die Palästinensische Autonomiebehörde nirgendwo baut, sondern im Grunde genommen daran gehindert wird, ihre Arbeit zu tun. Das sind Dinge, die ein deutscher Außenminister ansprechen muss und auch darf, insbesondere in der konkreten Verantwortung gegenüber Israel. Auch dazu habe ich heute kein Wort gehört.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dann rühmen Sie sich immer, Sie wären sozusagen der Erfinder von Abrüstung und Rüstungskontrolle. Herr Außenminister, Sie wissen, dass wir zurzeit über einen gemeinsamen Antrag zu Abrüstung und Rüstungskontrolle verhandeln, weil uns viel daran liegt, dass die Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag in New York ein Erfolg wird. Ich finde es richtig, dass der Bundestag sich hierzu zusammensetzt. Aber ich sage Ihnen: Es ist zu wenig, zum Beispiel nur den Abzug der taktischen Atomwaffen zu fordern, wenn man nicht gleichzeitig mit seinen europäischen Kollegen darüber spricht. Denn sonst sagen vielleicht plötzlich andere Regierungen: Wenn die Atomwaffen aus Deutschland verschwinden, nehmen wir die ganz gerne. - Das gehört nicht zu einer klugen Abrüstung und Rüstungskontrolle, sondern das verlagert nur das Problem.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen wäre ich Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie Manns genug wären, diese Diskussion auch auf die europäische und die NATO-Ebene zu verlagern.

Der zweite Punkt im Zusammenhang mit Abrüstung und Rüstungskontrolle betrifft den immer noch ausstehenden Vertrag zwischen den USA und Russland über den Abbau strategischer Atomwaffen. Ich glaube, die brauchen ein bisschen Feuer bei dieser Diskussion bzw. Unterstützung. Ich sage Ihnen: Wir bauen ein riesengroßes Problem auf, wenn wir die Raketenabwehr nicht mit Abrüstung und Rüstungskontrolle verbinden. Dies zu tun, ist eine ganz wichtige Aufgabe. Die Frage, wie man das erreichen kann, beantworten Sie in Ihrer Funktion als deutscher Außenminister aber nicht.

Der letzte Punkt. Die konventionelle Abrüstung und Rüstungskontrolle stehen vor einer großen Herausforderung. Wir von der SPD haben Ihnen angeboten, den angepassten Vertrag im Deutschen Bundestag sofort zu ratifizieren, wenn Sie ihn vorlegen. Dadurch könnte man zu einer weiterführenden Diskussion kommen. Diese Aufgabe haben Sie zu erfüllen. Auch die Fragen zu der deutsch-russischen Modernisierungspartnerschaft schreien danach, dass sich der Außenminister damit beschäftigt.

Ich glaube, Ihr Problem ist, dass Sie nach 140 Tagen noch immer nicht im Amt angekommen sind. Ihr Augenmerk gilt zuerst Ihnen selbst und dann der Außenpolitik. Ich glaube, das ist die falsche Reihenfolge.

Vielen Dank.

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Veröffentlicht: 
Berlin, 17.03.2010
Thema: 
Abrüstung, Libanon und die Reisen des Bundesaußenministers