Den Friedensprozess in Bosnien und Herzegowina fortsetzen
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Am vergangenen Montag vor 14 Jahren, am 14. Dezember 1995, wurde in Paris das Dayton-Abkommen unterzeichnet. Damit endete einer der blutigsten und schrecklichsten Konflikte nach dem Zweiten Weltkrieg. Damit endeten die jugoslawischen Erbfolgekriege aber leider nicht. Immerhin war dies aber ein wichtiges Datum für eine hoffentlich friedliche und zivile Entwicklung in den einzelnen neuen Staaten des ehemaligen Jugoslawiens. Ich hoffe, dass die nachfolgenden Generationen die Lehren aus diesem Konflikt ziehen. Das gilt für die Menschen dort. Aber ich glaube, das gilt auch für uns hier in Europa.
Herr Kollege, ich möchte Sie ganz herzlich zu Ihrer ersten Rede beglückwünschen und Ihnen dafür danken.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Ich freue mich auf die Zusammenarbeit im Auswärtigen Ausschuss. Ich teile viele Ihrer Schlussfolgerungen. Nur, ich weiß nicht, ob wir wirklich sagen können: Was dort passiert ist, war eine einmalige Erfolgsgeschichte. Ich persönlich gebe auf der einen Seite zu, dass ich mir manches schneller erwartet hätte, dass ich gedacht habe, wir hätten in diesem Zusammenhang schnellere und größere Erfolge. Leider ist das nicht so. Ich glaube, dass die politisch Verantwortlichen in dieser Region noch eine Menge tun müssen und dass wir weiterhin eine schwierige Lage haben.
Auf der anderen Seite können wir aber feststellen: Es gibt auch Fortschritte. Flüchtlinge sind zurückgekehrt. 60 000 Soldaten waren dort zu Beginn stationiert; heute sind es noch 2 000 Soldaten. Wir brauchen sie noch immer, um die insgesamt schwierige Situation zu überwinden. Die internationale Präsenz ist auch deswegen erforderlich, weil sie das wichtige Zeichen setzt, dass wir ein großes Interesse an Fortschritten haben.
Ein wichtiger Ansatzpunkt für die Fortentwicklung ist - das haben Sie gesagt - die europäische Integration. Deswegen war ich sehr enttäuscht, als die CDU/CSU in ihrem Wahlprogramm geschrieben hat: Diese Perspektive geben wir nicht mehr allen Staaten in dieser Region. - Ich glaube, dieser Anreiz muss gegeben werden, um überhaupt zu den Fortschritten zu kommen, die wir uns wünschen, auch um unsere dortige internationale Präsenz überflüssig zu machen. Deswegen würde ich mich wirklich freuen, wenn auch in Ihren Reihen ein gewisser Lernerfolg eintritt: Die EU-Integration bleibt ein wichtiges politisches Element für den Balkan und den Frieden in dieser Region;
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
das brauchen wir. Ich bitte den Außenminister - ich glaube, wir sind hier derselben Auffassung -, seine Kolleginnen und Kollegen und die Bundeskanzlerin zu ermutigen, diese Perspektive in Verantwortung aufrechtzuerhalten.
Auf der anderen Seite erwarten wir von den politischen Eliten bzw. von Herrn Dodik - ich habe das eben angedeutet -, dass er sich an das hält, was er offensichtlich vorgestern gesagt hat: Es soll keine Separation geben; der Staatsverbund soll erhalten bleiben. Das ist aber auch eine Aufforderung an die Verantwortlichen in Serbien, keine Hinweise darauf zu geben, dass die Republika Srpska irgendwann in Serbien integriert werden könnte. Im Gegenteil: Es muss bei den bisherigen Verhältnissen bleiben. Wir müssen auch von der serbischen Führung ein Bekenntnis hierzu verlangen; daran muss nach meinem Dafürhalten in den Gesprächen, die die Regierungen führen, immer wieder erinnert werden.
(Beifall bei der SPD und der FDP sowie der Abg. Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Wir haben gehört, dass der Hohe Repräsentant weiterhin über einen Teil seiner Befugnisse verfügt. Zum Beispiel liegt die juristische Aufarbeitung von Kriegsverbrechen auch in den nächsten drei Jahren in seiner Hand; das ist wichtig und richtig. Er hat aber einen anderen Teil seiner Befugnisse abgegeben, nämlich die Aufarbeitung von Korruptionsfällen.
(Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Abgeben müssen!)
- Ja, das musste er; aber das ist nicht der Punkt. Die Frage wird doch sein: Was machen jetzt die Verantwortlichen aus dieser Situation? Dazu sage ich vonseiten des Deutschen Bundestages: Wir brauchen weiterhin eine Aufarbeitung der Korruptionsfälle, der Misswirtschaft, Kriminalität usw., und zwar unabhängig davon, wer in diesem Gebiet welche Rolle spielt. Niemand darf denken, er wäre von der Verfolgung durch die Strafverfolgungsbehörden ausgenommen. Das ist ein wichtiges Signal an die dortigen politischen Akteure: Wir wollen, dass die juristische Aufarbeitung von Kriegsverbrechen, aber auch von Korruptionsfällen und Kriminalität fortgesetzt wird, egal wer die Verantwortung dafür trägt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zum Schluss möchte ich einen weiteren Aspekt ansprechen. Wir reden oft über Abrüstung und Rüstungskontrolle, auch gleich hier im Deutschen Bundestag. Wir haben im Zusammenhang mit dem Abkommen von Dayton gesehen, dass Abrüstung und Rüstungskontrolle wichtige Elemente der Konfliktnachbereitung sind. Minenräumung ist ein wichtiges Feld; sie muss in diesem Gebiet weiter erfolgen. Hier muss die internationale Gemeinschaft noch mehr Anstrengungen leisten. Die Rüstungskontrolle spielte auch beim Abkommen von Dayton eine wichtige Rolle: Sie sollte eine Überrüstung des auseinanderfallenden Jugoslawiens verhindern und dafür sorgen, dass es nicht wieder in große Konflikte hineinschlittert.
Das Kapitel der Rüstungskontrolle muss neu aufgeschlagen werden. Wir haben dazu einen Antrag vorgelegt. Damit bietet der Deutsche Bundestag der Regierung, aber auch der Region eine Perspektive. Ich bitte um Zustimmung zu diesem Antrag.
Ich wünsche Ihnen ein frohes Weihnachtsfest und alles Gute für das neue Jahr.
Danke.