Impacts of Nonproliferation Initiatives Involving Fissile Materials
Wir wissen: Die atomare Gefahr ist nicht nur weiter vorhanden, sie wächst! Noch immer befinden sich mehr als 20.000 atomare Sprengköpfe irgendwo auf dieser Welt in streng abgeschirmten Raketensilos und Depots. Immer mehr Staaten sind technologisch in der Lage und bereit, Atomwaffen zu bauen. Jeder Fall löst die Gefahr eines regionalen Rüstungswettlaufs aus. Auch internationale Terrororganisationen versuchen, sich Massenvernichtungswaffen und nukleares Material zu beschaffen.
Die Konflikte im Fall der Nuklearprogramme Irans und Nordkoreas haben gezeigt, wie schmal der Grat zwischen ziviler und militärischer Nutzung von Nukleartechnologie verlaufen kann, und haben bei Teilen der Mitgliedstaaten des NPT Zweifel aufkommen lassen, ob das NPT-Regime auf Dauer das Entstehen weiterer Kernwaffenstaaten wird verhindern können. Die Ausnahmeregelung der Nuclear Suppliers Group für Indien, die erstmals einem Kernwaffenstaat außerhalb des NPT den Handel mit Nuklearmaterial ermöglicht, ohne dass Indien dafür Abrüstungsverpflichtungen auferlegt wurden, hat mit einem wesentlichen Prinzip des NPT gebrochen. In Teilen der Vertragsgemeinschaft wird dies als Etablierung von internationalen Doppelstandards bei Zugang und Nutzung von ziviler Nukleartechnologie wahrgenommen. Viele könnten sich die Frage stellen, ob sich vertragskonformes Verhalten überhaupt lohnt.
Die Mitgliedstaaten des NPT werden deshalb sowohl auf die Problematik der schwindenden Kontrolle über die Sicherheit ziviler Nuklearprogramme als auch auf die Schwierigkeit, Kernwaffenstaaten außerhalb des NPT (Indien, Pakistan und Israel) näher an das Vertragsregime heranzuführen, eine Antwort finden müssen. Die Bestrebungen für eine Multilateralisierung des nuklearen Brennstoffkreislaufs sind hierbei ein zentraler Lösungsansatz und müssen deshalb sowohl diplomatisch als auch finanziell vorangetrieben werden.
Die jahrelange Krise der nuklearen Abrüstung, die Vernachlässigung der Abrüstungsverpflichtungen der Kernwaffenstaaten aus Artikel VI des NPT, die stattdessen in den letzten Jahren die Modernisierung ihrer Nuklearpotentiale vorangetrieben haben, der nach vierzehn Jahren immer noch nicht in Kraft getretene Atomteststoppvertrag (CTBT) sowie das immer noch fehlende Abkommen über ein Verbot zur Produktion von waffenfähigem Spaltmaterial (FMCT) haben der Glaubwürdigkeit des NPT schweren Schaden zugefügt. Die Erklärung des amerikanischen Präsidenten Barack Obama, dem US-Senat den Atomteststoppvertrag zur Ratifizierung vorlegen zu wollen, und die gemeinsame Ankündigung mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew, noch bis zum Ende des Jahres ein Nachfolgeabkommen für den Abrüstungsvertrag START erreichen zu wollen, sind deshalb wichtige abrüstungspolitische Signale, die eine Zeitenwende in der nuklearen Abrüstung einleiten müssen.
Die Urananreicherung ist ein klassischer Weg, um nuklearen Brennstoff herzustellen. Diese aufwändige Technologie ist aber auch der Schlüssel zu Atomwaffen. Man muss also Wege finden, wie jeder Staat Kernenergie uneingeschränkt friedlich nutzen kann, ohne dass damit der Griff nach der Bombe möglich wird. Der Atomwaffensperrvertrag geht auf dieses Problem bislang nicht ein. Er verbietet allen Mitgliedstaaten außer den fünf etablierten Atommächten die Herstellung, den Besitz und Erwerb von Kernwaffen, gesteht aber allen das Recht auf Erforschung, Entwicklung und die friedliche Nutzung der Kernenergie zu. Wir müssen feststellen, dass immer mehr Staaten über eigene Anreicherungsaktivitäten nachdenken. Wenn wir verhindern wollen, dass solche sensitiven Anreicherungstechnologien auch zum Bau von Atomwaffen missbraucht werden können, dann kommen wir nicht umhin, über eine Multilateralisierung nachzudenken.
Das Interesse an einer sicheren Energieversorgung ist auf jeden Fall legitim - auch wenn die SPD dabei einen anderen Weg vorziehen würde. Es gibt respektable Gründe für die Nutzung der Atomkraft: mehr Unabhängigkeit von Lieferantenketten angesichts knapper werdender Energieressourcen, aber auch die Notwendigkeit des Klimaschutzes.
Wir wissen aber alle: Auch hier sind die Rohstoffe endlich. Und die Frage der Beseitigung und Lagerung der Abfallprodukte ist weit weniger geklärt als das CO2-Problem. Und: Die Technologie zur Herstellung des nuklearen Brennstoffs öffnet auch den Weg zur Bombe.
Wir können froh sein, dass wir dabei zugleich auf zwei Strukturen zurückgreifen können, deren Wert wir manchmal noch unterschätzen:
1. die IAEO. Sie blickt auf 50 erfolgreiche Jahre zurück. Sie hat sich im Bereich der Safeguards und der Nichtverbreitung außerordentlich verdient gemacht.
2. der Nichtverbreitungsvertrag. Er ist nahezu universal und konnte bisher die Verbreitung von Kernwaffen wirksam eindämmen.
Was können wir also in und mit diesen Strukturen tun, um eine gerechte, wirtschaftliche und vor allem politisch sichere Versorgung mit nuklearem Brennstoff zu organisieren? Und was können wir tun, um damit gleichzeitig die Nichtverbreitung zu stärken? Dies geht nur in einem kooperativen und multilateralen Ansatz.
Bestrebungen zu einer Teilung der Welt in Staaten mit und ohne Brennstoffkreislauf sind zum Scheitern verurteilt. Mit technischen Lösungen können wir die Geister der Verbreitung von Atomwaffen nicht wieder in die Flasche verbannen. Wir benötigen vielmehr politisch-institutionelle Lösungsansätze. Die Diskussion hierzu ist in vollem Gange. Zahlreiche Vorschläge liegen auf dem Tisch.
So hat die EU hat einen Kriterienkatalog zur Beurteilung der verschiedenen Vorschläge entwickelt. Neue Konzepte sollen demnach:
1. keine neuen Verbreitungsrisiken schaffen,
2. Versorgungssicherheit gewährleisten,
3. keine Rechte beschränken und
4. marktkonform sein.
Das bedeutet im Klartext auch: Bei den Lösungsvorschlägen sollte Kernenergie nicht subventioniert werden. Und es wird anerkannt, dass man auf den Aufbau von Brennstoffkreisläufen nur freiwillig verzichtet, wenn es dafür im Gegenzug eine sichere Versorgung gibt.
Außenminister Steinmeier hat bereits vor zwei Jahren einen tiefgreifenden Vorschlag zur Lösung des Problems gemacht. Unter der exklusiven Kontrolle der IAEO soll ein internationales Anreicherungszentrum errichtet werden. Eine solche Anlage wäre eine Alternative zur Errichtung nationaler Anreicherungsanlagen - wirtschaftlich profitabel und zugleich proliferationsresistent. Dieser Vorschlag ist bei einer Reihe von Staaten auf Interesse gestoßen und wurde allgemein als ausgewogen beurteilt. Skeptisch ist eingewandt worden, dass er wegen seiner komplexen Erfordernisse nur schwer umsetzbar sei. Hier sind noch juristische Anregungen und Ratschläge gefragt. Aber was für das deutsche Konzept gilt, betrifft alle Vorschläge, die wir bisher kennen. Auch die vorgeschlagenen Reservelager und Garantieerklärungen werfen komplexe rechtliche Fragen bei der Umsetzung auf.
Die Krisen um das iranische und nordkoreanische Atomprogramm haben jedenfalls deutlich gemacht, dass wir dringend neue Konzepte brauchen, wie ein militärischer Missbrauch der Kernenergie verhindert werden kann. Immer mehr Staaten versuchen, den Brennstoffkreislauf auszubauen. Das Problem dabei bleibt: Wer Uran anreichern oder Plutonium wiederaufbereiten kann, für den ist der Weg zur Atombombe nur kurz. Diese Risiken müssen wir minimieren, indem wir die Verbreitung sensitiver Technologien begrenzen und überprüfbar kontrollieren.
Erlauben Sie mir hier auch eine kurze kritische Anmerkung zum brasilianischen Atomprogramm: Seit den 1990er Jahren unterstützt Brasilien die Nichtverbreitung sensitiver Technologien. Es unterschrieb 1994 das Tlatelolco-Abkommen über eine atomwaffenfreie Zone in Lateinamerika und setzte das Kontrollabkommen mit der IAEA in Kraft. 1997 trat es dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) und auch dem Atomteststopp-Vertrag bei. Zugleich weigert sich Brasilien nach wie vor, das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag zu ratifizieren, das unangekündigte Besuche von Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO erlaubt. Mehrfach hat man den Inspektoren bereits den Blick auf die zentralen Anlagenteile von Resende untersagt. Der ungehinderte Zugang zu allen Anlagen für die IAEA-Inspektoren wäre m.E. ein wichtiges und notwendiges Signal.
Fissile Material Cut-off
Die Attraktivität solcher multilateralen Ansätze zur Brennstoffkreislaufkontrolle steigt, wenn die Atomwaffenbesitzer ihrerseits auf die Produktion waffenfähigen Spaltmaterials dauerhaft verzichten. Der Vertrag über ein Verbot der Produktion von solchem Waffenmaterial, eine Fissike Material Cut-off, wäre deshalb ein klares Zeichen, dass die Ära der nuklearen Aufrüstung zu Ende geht. Es ist deshalb nur zu begrüßen, dass in der Genfer Abrüstungskonferenz nach jahrzehntelangem Stillstand Verhandlungen über einen solchen "Cut-Off" ohne Vorbedingungen wieder aufgenommen wurden.
Die USA hatten bereits im Mai 2006 der Genfer Abrüstungskonferenz einen neuen Vorschlag für einen Produktionsstopp für spaltbare Materialien vorgelegt. Gleichzeitig lehnen sie es ab, ein System zur Überprüfung (Verifikation) der Einhaltung des Produktionsstopps einzurichten. Das "International Panel on Fissile Material", das von dem US-Atomphysiker Frank von Hippel an der Princeton-Universität geleitet wird, hat Anfang 2006 einen Bericht veröffentlicht, in dem eine Lösung der Verhandlungsprobleme skizziert wird. Demnach soll in dem Vertrag eine Staffelung eingefügt werden, damit er nach und nach in seinem Umfang erweitert werden kann und die Verifikation robuster wird.
So könnten anfangs z.B. die Atomwaffenstaaten ihre Anlagen und Materialien bei der IAEO zur Kontrolle lediglich anmelden und den Produktionsstopp im militärischen Sektor erst in einer späteren Phase verifizieren lassen. Außerdem sollten Materialien für Atomwaffen und Marinereaktoren deklariert werden, später sollten sowohl alle Materialien in militärischen und in zivilen Anlagen, als auch die vorhandenen Bestände mit eingeschlossen werden. Weiterhin sollten verbindliche Verpflichtungen formuliert werden, wonach keine Transfers vom zivilen zum militärischen Bereich durchgeführt werden dürften. Militärische und zivile Bestände müssten nach und nach reduziert werden. Somit könnte ein bloßer Produktionsstopp über einen längeren Zeitraum zu einem breiteren Kontrollsystem für spaltbare Materialien ausgebaut werden.
Israel hat sich eindeutig gegen ein Produktionsverbot positioniert.
Indien, das ebenfalls den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat, befürwortet einen verifizierbaren Vertrag. Ein Produktionsstopp für Indien wäre eine wichtige Eindämmung seines Atomwaffenprogramms, das momentan unter gar keiner Kontrolle steht. Auch das sehr umstrittene Abkommen zur nuklearen Kooperation zwischen den USA und Indien tangiert das militärische Programm nicht.
Frankreich, Russland, die USA und Großbritannien halten sich bereits an ein Produktionsmoratorium für Waffenzwecke, China vermutlich auch.
Fazit
Die Vorschläge von US-Präsident Barack Obama eröffnen die Chance, wieder in eine Phase substantieller Fortschritte auf den Gebieten der Abrüstung und der Rüstungskontrolle einzutreten. Auch wenn heute nur bedingt absehbar ist, wie eine globale Sicherheitsarchitektur der Zukunft aufgebaut sein müsste, um eines Tages den Schritt einer vollständigen nuklearen Abrüstung gehen zu können, bin ich der festen Überzeugung, dass auch Zwischenschritte zur Erreichung dieses Zieles einen wesentlich Zugewinn an Sicherheit bedeuten. Um eine konventionelle Aufrüstungsspirale als Ersatz für die Aufgabe nuklearer Potentiale zu verhindern, liegt es nahe, kommende Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträge im nuklearen und konventionellen Bereich miteinander zu verknüpfen.